Emotionen zu verdrängen, hält die Arbeitspsychologin für keine gute Idee: "Je mehr Gefühle zurückgehalten werden, desto schwerer ist es den Arbeitsalltag zu bewältigen."

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Private Sorgen können uns bis an den Arbeitsplatz verfolgen, aber auch der Job selbst kann frustrieren. Darf man negative Gefühle in der Arbeit zeigen, oder sollte man lieber zurückstecken? "Ganz grundsätzlich gehören Emotionen natürlich auch an den Arbeitsplatz", sagt die Arbeitspsychologin Claudia Altmann. Denn nur weil ein Gefühl nicht ausgesprochen werde, heißt es nicht, dass dieses nicht vorhanden sei.

Emotionen zu verdrängen hält Altmann für keine gute Idee: "Je mehr Gefühle zurückgehalten werden, desto schwerer ist es, den Arbeitsalltag zu bewältigen." Im schlimmsten Fall könne das sogar zur Entwicklung eines Burnout-Syndroms beitragen. Denn wie die Forschung zeigt, kann vor allem das Unterdrücken der eigenen Bedürfnisse zu einem permanenten Erschöpfungszustand führen.

Umgang mit Gefühlen

Die Arbeitspsychologin rät jedoch, zwischen Emotionen aus dem privaten und dem beruflichen Kontext zu unterscheiden. Private Probleme oder Schicksalsschläge können von der Arbeit ablenken. In solchen Situationen sollten wir besonders achtsam mit den eigenen Gefühlen umgehen und die Arbeit auch einmal ruhen lassen. Das ist nicht nur für das eigene Wohlbefinden wichtig, sondern auch für die Zusammenarbeit und die Produktivität im Team. "Wenn jedoch der Job selbst für Frustration sorgt, rate ich zunächst einmal, tief durchzuatmen, bevor eine ungefilterte Reaktion nach außen dringt", sagt Altmann.

Die Arbeitspsychologin plädiert dafür, in einem nächsten Schritt zu überlegen: "In welcher Form sollen Kritik und Ärger im Job ausgedrückt werden?" Um diese Frage zu beantworten, brauche es vor allem Reflexionsbereitschaft – die aber in der jeweiligen Situation nicht immer vorhanden ist. "Wutausbrüche sind in der Regel nicht gewollt und passieren einfach. Auch andere negative Emotionen sind meist impulsiv", sagt sie. Noch besser sei es daher, in einer ruhigen Minute darüber nachzudenken, welche Umstände im Job negative Emotionen in einem auslösen, um dann in der Situation gefasster darauf reagieren zu können. Entscheidend sei in diesem Kontext die emotionale Intelligenz – also die Fähigkeit, Gefühle anderer wahrzunehmen und darauf zu reagieren, aber auch die eigenen Emotionen ausdrücken und beeinflussen zu können.

Sicherheit vermitteln

Doch wozu brauchen wir überhaupt Emotionen im Arbeitsalltag? "Lange Zeit gab es in der Arbeitswelt eine sehr strikte Abgrenzung, und Gefühle hatten hier keinen Platz. Damit kommt man in Beziehungen aber nicht weit", sagt Altmann. Sind Menschen distanziert und geben nicht viel von sich preis, können wir sie schlecht einschätzen, und das führt bei vielen zu Unsicherheit. Im Gegensatz dazu helfen uns die Emotionen anderer dabei, sie und ihr Handeln besser zu verstehen.

Gerade durch Remote Work ist es jedoch schwieriger geworden, unser Gegenüber und dessen Emotionen richtig wahrzunehmen und einzuordnen. Dafür Raum zu schaffen sei daher besonders wichtig für eine gute Zusammenarbeit im Team. Das Ansprechen von Gefühlen sollte laut der Arbeitspsychologin dabei keinesfalls als Störfaktor gesehen werden: "Vor allem wenn man richtig mit ihnen umgeht und Verantwortung für sich und sein Innenleben übernimmt. Wer Gefühle zeigt, wirkt nicht nur authentisch, sondern kann auch Vorbild für andere sein, dasselbe zu tun." (Anika Dang, 14.10.2021)