Sebastian Kurz am Donnerstag auf dem Ballhausplatz in Wien.

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Die ÖVP-Landeshauptleute stellten sich am Donnerstag demonstrativ hinter Sebastian Kurz, ebenso die Bünde. Kurz genieße das Vertrauen. Noch stärker war die Erklärung der türkisen Regierungsmitglieder. Sie haben am Donnerstag klargestellt, dass sie nur in der Regierung bleiben werden, wenn auch Bundeskanzler Kurz bleibt. "Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundesregierung wird es ausschließlich mit Sebastian Kurz an der Spitze geben." Das war bereits eine deutliche Ansage an die Grünen, die lieber ohne Kurz weitermachen wollen.

Offiziell steht die Partei also zusammen. Verwiesen wird auf die Wahlerfolge von Kurz. Wenn man mit Mitgliedern der Kabinette spricht, wird einem auch klargemacht: Die ÖVP werde sich Kurz nicht rausschießen lassen. Und die Grünen mögen doch respektieren, dass es ohne Kurz nicht gehen wird.

Dennoch gibt es in der ÖVP abseits des engsten Kerns in Wien auch Überlegungen, Wünsche und Befürchtungen, wer anstelle von Kurz das Ruder in der Partei übernehmen könnte.

Grundsätzlich gebe es mehrere Kandidaten, die zumindest als Übergangslösung infrage kämen. An erster Stelle ist das wohl Wilfried Haslauer, der Salzburger Landeshauptmann. Er ist in der ÖVP weitgehend unbestritten, von ihm weiß man, wofür er steht. Haslauer ist für die Partei berechenbar, er verkörpert Stabilität, was in der jetzigen Situation schon viel wert wäre, das würde auch den Mangel an Charisma und Dynamik wettmachen, den man freilich auch sieht. Parteiintern wird Haslauer derzeit öfter genannt, auch als möglicher Bundespräsidentschaftskandidat der Volkspartei. Oder auch als Präsident der Salzburger Festspiele, sollte er ein Ausgedinge von seiner politischen Tätigkeit suchen. Aus seinem Umfeld heißt es allerdings, am liebsten sei Haslauer Salzburger Landeshauptmann und würde das auch gerne bleiben.

Mögliche Nachfolgerinnen

Als mögliche Kurz-Nachfolger werden auch zwei Frauen genannt: Elisabeth Köstinger, derzeit Landwirtschaftsministerin, und Karoline Edtstadler, derzeit Ministerin für EU und Verfassung. Beide stehen Kurz durchaus nahe und sind wohl so loyal, dass sie seine Nachfolge nur in Abstimmung mit ihm übernehmen würden.

Köstinger ist seit vielen Jahren eine ganz enge Vertraute und Wegbegleiterin von Kurz. Köstinger wäre auch so etwas wie das Bindeglied zwischen der alten, schwarzen und der neuen, türkisen ÖVP. Mit ihr wäre jedenfalls gesichert, dass Kurz jederzeit zurückkehren könnte und die Kontrolle über alle Vorgänge behält. Sie wäre wohl nur seine Statthalterin. Das hat aus ÖVP-Sicht Vor- und Nachteile.

Edtstadler ist zwar ebenfalls eine Vertraute von Kurz und wurde von diesem eingesetzt, allerdings wollen Beobachter bei der Ministerin auch Emanzipationsversuche festgestellt haben. Sie sei mit der holzschnitz artigen Rolle, die Kurz ihr als Scharfmacherin zur Abdeckung der Flanke nach rechts außen zugedacht hat, unzufrieden. Sie sieht für sich selbst noch Entwicklungspotenzial und ist recht ehrgeizig. Eine Beförderung würde sie nicht ablehnen.

Keine Bewerbung

Da Edtstadler ihren Lebensmittelpunkt in Salzburg hat, ist sie auch dort seit Wochen für mehrere Jobs im Gespräch. Sie gilt als eine der Kandidatinnen für die Nachfolge von Helga Rabl-Stadler als Festspielpräsidentin. Auf Nachfrage des STANDARD hat Edtstadler vor ein paar Tagen allerdings dezidiert dementiert, eine solche Joboption wahrnehmen zu wollen. Es sei eine Ehre, hier genannt zu werden, sie werde sich aber nicht bewerben. Sollte Haslauer tatsächlich eine andere Rolle finden, wird Edtstadler auch hier als mögliche Nachfolgerin genannt: Frau Landeshauptfrau.

Kurz selbst war am Donnerstag offenbar intensiv darum bemüht, den parteiinternen Zusammenhalt zu aufrechtzuerhalten. Er war eng mit den Landeshauptleuten in Kontakt. Diese kamen am Donnerstag auch nach Wien, um die Lage zu besprechen. Es sei "ganz entscheidend für unser Land, dass wir weiterhin über eine stabile Bundesregierung mit Bundeskanzler Sebastian Kurz an der Spitze verfügen", hieß es offiziell. Bei dem Treffen am Abend soll zwar auch Kritik an Kurz und den bekanntgewordenen Vorgängen geäußert worden sein, die Landeschefs und Klubobmann August Wöginger versicherten Kurz nach dem Treffen in einer kurzen Stellungnahme aber noch einmal ihre Loyalität.

Fast schon im Wahlkampf

Landeshauptmann Günther Platter betonte, man wolle die großen Reformprojekte mit Kurz weiterführen und sich den Herausforderungen stellen, etwa dem zu erwartenden Andrang von Flüchtlingen. Das klang fast schon nach einem Wahlkampfauftakt. Klubchef Wöginger betonte, man wolle die Regierungskoalition mit den Grünen fortsetzen, nun liege es an diesen, ob das auch möglich sei.

Insbesondere die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner soll über die bekanntgewordenen Vorgänge rund um verfälschte Umfragen und gekaufte Berichterstattung erbost gewesen sein, wird erzählt. Letztendlich hielt aber auch sie Kurz die Treue. Zumindest vorläufig.

"Nicht alles super"

Zuvor hatte sich der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner zu Wort gemeldet, und das klang nicht nach hundertprozentiger Unterstützung für Kurz. In einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten stellte er fest, dass er "nicht alles super" findet in Wien. Und er stellte mehrfach fest, dass "wir", also die ÖVP in den Ländern, gar nichts mit den Vorgängen in Wien zu tun hätten. Wallner forderte Aufklärung, er sprach die Scheinrechnungen an, die Vorwürfe müssten geklärt werden. Auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ließ in einem Interview mit der Kleinen Zeitung Distanz zum Kanzler erkennen: "Wir stehen hinter Kurz, aber die Härte der Vorwürfe ist unfassbar. Sie hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen des Möglichen heranreicht."

Ob Kurz tatsächlich noch alles in seiner Partei im Griff hat, wie das in offiziellen Statements beteuert wurde, darf nach diesem Tag aber bezweifelt werden. (Michael Völker, Colette Schmidt, Thomas Neuhold, Steffen Arora, 7.10.2021)