Auch in Spanien sind die Mietpreise kräftig angesprungen. Jetzt versucht die Regierung, einen Deckel draufzuhalten.

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Es war eine schwere Geburt. Obwohl das Thema Mieten vor ein eineinhalb Jahren ausdrücklich in die Koalitionsvereinbarung zwischen der sozialistischen PSOE des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und den Linksalternativen Unidas Podemos (UP) aufgenommen wurde, war lange nichts geschehen. Erst jetzt, als sich UP bei den Verhandlungen für den Haushalt 2022 stur stellte und damit drohte, diese platzen zu lassen, gaben die Sozialisten nach. Die Mietsteigerung soll dort, wo der Wohnungsmarkt "angespannt" ist, gedeckelt werden.

Neben steuerlichen Maßnahmen soll es erstmals in Spanien auch Mietspiegel geben. Die Kompetenzen für die Umsetzung der Maßnahmen, die in den kommenden Monaten in ein Gesetz gegossen werden sollen, liegen weitgehend bei den Regional- und Kommunalverwaltungen. Die UP-Vorsitzende Ione Belarra spricht von einem "Wechsel des Modells".

Differenziertes Herangehen

Die Maßnahmen werden zwischen kleinen Wohnungsbesitzern und denen unterscheiden, die mehr als zehn Objekte vermieten. Die Vermieter von weniger als zehn Wohnungen sollen per Steueranreize angehalten werden, die Mieten nicht anzuheben. Wer sie gar bei einem neuen Vertrag gegenüber dem vorhergehenden senkt, muss weniger Steuern bezahlen. Das soll den Einnahmenverlust wettmachen und die Mieten insgesamt senken. Diese Steuererleichterungen können sich auf bis zu 90 Prozent des bisherigen Satzes belaufen. Die Maßnahme hängt von der spanischen Regierung ab, denn sie treibt den Großteil der Einkommenssteuern ein.

Großbesitzer hingegen bekommen ganz klare Auflagen. Sie dürfen bei Verlängerung der üblicherweise befristeten Verträge die Miete nur im Rahmen der Steigerung der Lebenshaltungskosten anheben. Bei Neuvermietungen dürfen sie nicht über dem lokalen Mietpreis, der per Mietspiegel ermittelt wird, liegen. Wer Wohnungen leerstehen lässt, muss mit einer höheren Immobiliensteuer rechnen. Es ist von bis zu 150 Prozent die Rede. Das neue Gesetz wird nur einen Rahmen abstecken, die genaue Höhe bestimmt die jeweilige Stadtverwaltung.

Mehr Sozialwohnungen

Außerdem sollen künftig mehr Sozialwohnungen gebaut werden. Es ist vorgesehen, dass bei jedem neuen Baugebiet mindestens 30 Prozent der Wohnungen für Einkommensschwache zur Verfügung stehen müssen; die Hälfte als geförderte Eigentumswohnungen – das Übliche in Spanien – und die andere Hälfte – das ist neu – als Mietwohnungen.

Hinzu kommt ein monatliche Hilfe von 250 Euro für 18- bis 35-Jährige, die weniger als 23.750 Euro im Jahr verdienen. Ihnen soll dadurch der Zugang zum Mietmarkt erleichtert werden.

Als "angespannter Wohnungsmarkt" gelten die Stadtteile und Gemeinden, in denen die Mietsteigerung in den vergangenen Jahren mehr als fünf Prozent über der Zunahme der Lebenshaltungskosten lagen und wo die Mieten im Schnitt mehr als 30 Prozent des Familieneinkommens verschlingen. Das ist vor allem in den zentralen Stadtteilen der großen Städte wie Madrid und Barcelona, aber auch in Tourismushochburgen wie Valencia oder Palma de Mallorca der Fall. Dort hat der Boom an Ferienwohnungen und -zimmern die Preise ähnlich wie auch in Berlin in die Höhe schnellen lassen.

Streitthema Mieten

Die Mieten sind deshalb seit längerem ein Streitthema in Spanien. Vor allem die linksalternative Stadtverwaltung in Barcelona unter der Bürgermeisterin und ehemaligen Aktivistin gegen Zwangsräumungen, Ada Colau, bedauerte immer wieder, keine Kompetenzen zu haben, um in den Wohnungsmarkt eingreifen zu können. Das wird sich jetzt ändern.

Andere Städte wie das konservative Madrid werden weiterhin den Markt schalten und walten lassen, auch wenn dies dazu führt, dass immer mehr junge Leute und Familien das Stadtzentrum verlassen müssen. Seit 2014 stiegen die Mieten um über 50 Prozent und damit doppelt so stark wie in Wien, die Löhne seit 2008 gerade einmal um zehn Prozent. "Wir werden für niemanden die Immobiliensteuer anheben, auch nicht für leerstehende Wohnungen", kündigte der konservative Bürgermeister der Hauptstadt, José Luis Martínez-Almeida, einen Boykott der Maßnahmen an. Er regiert dank der Unterstützung durch die rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox.

"Angriff auf Privateigentum"

Seine Parteikollegen überall im Land schließen sich Almeida an. "Das ist ein Angriff ohnegleichen auf das Privateigentum, der negative Auswirkungen für die Bürger Spaniens haben wird", wetterte die Fraktionssprecherin des konservativen Partido Popular (PP), Cuca Gamarra. "Nichts Gutes für Mieter und Wohnungsbesitzer" prophezeit der konservative Chef der Regionalregierung im nordwestspanischen Galicien, Alberto Nuñez Feijóo. Und seine Amts- und Parteikollegin in der Hauptstadtregion Madrid, Isabel Díaz Ayuso, erklärte bereits im Vorfeld, dass "Privateigentum keine Ideologie, sondern ein verfassungsmäßiges Recht" sei. (Reiner Wandler aus Madrid, 8.10.2021)