Schnörkelloses Erzählen: Klaus Stimeder.

Foto: Regine Hendrich

Malta als Hotspot verschiedener Kulturen, geografischer Kreuzungspunkt, seit Jahrtausenden besiedelt und zu unrühmlicher Medienpräsenz wegen Korruption gelangt, erscheint als Schauplatz eines Krimis geradezu ideal. Diese ganz spezielle Synthese aus italienischen, arabischen und britischen Einflüssen nutzt JM Stim, um ein Geflecht aus kriminellen Machenschaften zu entwerfen.

Man würde meinen, dass eine kleine Insel übersichtlich ist, das Gegenteil ist der Fall. Bei aller Idylle der malerischen Hauptstadt und der archäologischen Stätten ist Malta in Wirklichkeit ein Knotenpunkt für internationale Geschäfte aller Art.

Zunächst beginnt es mit einem Mord, der anscheinend private Gründe hat. Ein Student treibt tot im Wasser, er ist erstochen worden und hat Koks im Blut – vielleicht ein Streit wegen Drogen? Die Journalistin Melita wird von einem befreundeten Anwalt gebeten, mehr über die Umstände des Mordes herauszufinden. Der Anwalt, ein Ex-Politiker, beauftragt sie manchmal mit gut bezahlten Recherchejobs.

Maximaler Profit

Melita ist lesbisch, findig und trinkt mehr, als ihr guttut. Ihre frühere Beziehung zu einer Polizistin soll sich noch als nützlich erweisen, aber zunächst tut sie sich unter den üblichen Verdächtigen um. Da ist einerseits die ’Ndrangheta – klar, Sizilien ist in der Nähe, aber die scheidet aus –, andererseits "die Libyer".

Zunächst waren reiche Libyer und Ex-Offiziere der libyschen Volksarmee nach Malta übersiedelt, dann kamen die, die vor Gaddafi geflüchtet waren. Sie und die hier gestrandeten Schwarzafrikaner leben in Albert Town, einem Ghetto und eine No-Go-Area. Praktisch für die Rekrutierung von Schwarzarbeitern und Zwangsprostituierten.

Melita kommt nach langwieriger Suche einem verflochtenen Firmennetz auf die Spur, das international seine Tentakel ausgestreckt hat. Je komplizierter diese Firmen aufgebaut sind, desto besser ist das für die Steuervermeidung.

Wie aber macht man damit maximalen Profit? Man muss sich zunächst in unverdächtigen Geschäftsfeldern umtun. Telefonie, ganz sauber, Immobilien, schon weniger, bei Securityunternehmen wird es düster.

Ortskenntnis

JM Stim beschreibt diese Umwege, Sackgassen, Irrwege ambitioniert; es ist verständlich, dass man diesen Leuten schwer am Zeug flicken kann. Und wie kommt jetzt der tote Student ins Spiel? Möglicherweise gar nicht, oder er ist das Ende eines Fadens, an dem Melita ein kriminelles Netz aufdröselt.

Der Autor prunkt mit seinen Ortskenntnissen, atmosphärisch könnte er da aber mehr herausholen. Es wird schnörkellos erzählt, chronologisch nachvollziehbar und mit überschaubarem Personal, was immer komfortabel für die Orientierung des Lesers ist.

Aktuelle innenpolitische Gegebenheiten in Malta werden nur allgemein gestreift. Es gibt auch keine Anspielung auf den Mord an der investigativen Journalistin Daphne Galizia, der zwar ein politisches Beben verursachte, dessen Aufklärung aber unbefriedigend erscheinen mag.

Einmal findet der Lkw mit den 70 erstickten Flüchtlingen bei Parndorf Erwähnung, ein andermal wird Andrea Camilleris fiktives Dörfchen Vigata erwähnt. "Ein österreichischer Migrationsforscher, der in Südkalifornien lebt und einen Kriminalroman geschrieben hat, der auf Malta spielt? Wie bitte soll das gehen?", wird im Nachwort zitiert. Es geht. (Ingeborg Sperl, ALBUM, 9.10.2021)