Der neue Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sprach von "guten und weniger guten Nachrichten".

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Die Regierung rührt kräftig um, es ist nach eigenen Angaben die "größte Steuerreform aller Zeiten" in Planung, zumindest wenn die Koalition weiter hält. Aber welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen haben die Senkung der Einkommens- und Körperschaftssteuer und die anderen geplanten Maßnahmen? Ökonomen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo haben sich dieser Frage im Rahmen einer am Freitag präsentierten Analyse angenommen. Knappe Zusammenfassung der Ergebnisse: Die Steuerreform dürfte bescheidene Auswirkungen haben, 2022 gar keine, 2023 soll die Senkung der Körperschaftssteuer eine positive Dynamik für Investitionen entfalten.

Aber woran liegen diese bescheidenen Erwartungen? Sie sind Folge der Pandemie. Der Lockdown im Zuge der Corona-Krise hat bei Haushalten, die keine Einkommensverluste erlitten haben, dazu geführt, dass sie viel weniger konsumieren konnten und mehr ansparten. Die Geschäfte haben nun wieder offen, der Konsumstau löst sich auf.

Die Haushalte, die das können, geben schon kräftig Geld aus. Genau bei diesen Haushalten im oberen und mittleren Einkommenssegment wird die Regierung aber in den kommenden beiden Jahren entlasten, auf diese Gruppen zielen die Erhöhung des Kinderbonus und die Senkung der zweiten und dritten Tarifstufen ab. Doch diese Haushalte werden nicht noch mehr ausgeben können, für das Konsumwachstum ist "keine nennenswerte" Beschleunigung zu erwarten, so die Wifo-Ökonomen. Die Erhöhung der Nettoeinkommen werde hauptsächlich erneut "in die Ersparnisbildung fließen."

Die Körperschaftssteuersenkung von 25 auf 23 Prozent soll immerhin für die Investitionen positive Effekte bringen, so das Wifo. Das Timing, die Senkung 2023 zu beginnen, sei richtig gewählt, weil 2023 die Wirkungen der Investitionsprämie auslaufen werden.

Arbeit entlasten, Erbschaften besteuern

Das Wifo hat sich darüber hinaus angesehen, wie die Steuerreform insgesamt das Abgabengefüge verändert. Fazit: Die Schritte gehen in die richtige Richtung, es seien einige "Ansätze zur Verbesserung der Struktur des Abgabensystems enthalten" – insbesondere weil die Einkommenssteuer gesenkt und damit die Abgabenlast für Arbeitnehmer etwas reduziert werde, als Kompensation für die kalte Progression, also schleichende Steuererhöhungen.

Auch der Einstieg in die CO2-Bepreisung sei im Prinzip ein richtiger Schritt. Aber: Wesentliche "Defizite" des Systems blieben erhalten, so das Wifo, etwa bleibe die Abgabenbelastung der Arbeit zu hoch. Gefordert wird nicht nur eine Senkung der Lohnnebenkosten, sondern auch eine "stärkere Nutzung vermögensbezogener Steuern", etwa der Erbschaftssteuer.

Mehr Dynamik

Ebenfalls am Freitag präsentiert wurden die Herbstprognosen der beiden führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS. Hier gibt es gute Nachrichten, wenn auch viele Unsicherheiten.

Die starke Erholung der Konjunktur hat sich noch einmal beschleunigt. Wifo wie IHS haben ihre Prognosen für heuer deutlich nach oben korrigiert. Das Wifo rechnet mit einem Wachstum von 4,4 Prozent im Jahr 2021 und 4,8 Prozent im kommenden Jahr. Im Juni waren noch lediglich vier Prozent plus für heuer erwartet worden, für 2022 fünf Prozent. Auch das IHS hat deutlich nach oben korrigiert. Es erwartet nun 4,5 Prozent Wachstum für das heurige Jahr, im Juni waren es nur 3,5 Prozent gewesen.

Vorgestellt wurde die Prognose des Wifo erstmals von dessen neuem Chef Gabriel Felbermayr. Er sprach von "guten und weniger guten Nachrichten". Zu den weniger guten gehöre eben, dass sich nun abzeichne, dass die starke Wachstumsdynamik jetzt nachlasse.

Felbermayr: Steuerreform umsetzen

Felbermayr äußerte sich auch zur aktuellen Regierungskrise: Er empfahl, die Steuerreform trotz der kritischen Anmerkungen des Wifo zu beschließen. Als wichtig erachte er vor allem den Einstieg in die CO2-Bepreisung, hier sei es höchste Zeit aktiv zu werden, so Felbermayr.

Auch anderen Aspekte, wie die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge bis zu einem Bruttogehalt von 2500 Euro sei wichtig, weil damit einkommensschwachen Haushalten geholfen werde. Die Senkung der Einkommenssteuer sei ebenso richtig, selbst dann, wenn der Schritt keine konjunkturellen Effekte haben werde. "Die brauchen wir derzeit auch nicht", sagte Felbermayr, die Konjunktur brumme ja auch ohne weitere Impulse. (András Szigetvari, 8.10.2021)