Johann König (links) und Martin Ho vor Brigitte Kowanz’ Werk "Keep Up".

Foto: Leisure Communications / Mila Zytka

Normalerweise locken Galerieeröffnungen keinen hinterm Ofen hervor. Wenn aber direkt gegenüber der Secession im imposanten ehemaligen Verkehrsbüro, dann Novomatic-Forum, ein Ausstellungsraum seine Pforten öffnet, ist das schon ein anderes Thema. Pikante Würze verleiht der Chose, wer für sie verantwortlich zeichnet. Denn das Kleine Haus der Kunst ist eine Erfindung Martin Hos, des durch seine Nähe zu Sebastian Kurz berühmt-berüchtigt gewordenen Wiener Großgastronomen, der im Haus auch das Lokal 404 – Don’t ask why betreibt.

Im Kleinen Haus der Kunst gegenüber der Secession herrscht freier Eintritt.
Foto: Heribert Corn

Obwohl Ho selbst als Galerist tätig ist, suchte er für das Projekt jemanden mit internationaler Strahlkraft und stieß bei Johann König auf offene Ohren. "Menschlich zusammengebracht", so Ho, habe die beiden der gemeinsame Bekannte Erwin Wurm. Drei Jahre lang wird das Team um König die Räumlichkeiten nun mit vier Ausstellungen pro Jahr bespielen (die nächste ist gleich Wurm himself gewidmet); sowohl Ho als auch König hoffen, längerfristiger zusammenzuarbeiten.

Pionier oder Blender?

Lange war der Berliner Galerist in der Heimatstadt seiner Mutter und seiner Ehefrau, Wien, schon auf der Suche nach einer Dependance gewesen. Er hatte ein Auge auf das ehemalige Augarten-Atelier geworfen, aber keinen Zuschlag erhalten – warum, weiß er bis heute nicht. König ist als großer Kunst-Entertainer bekannt, bei neuen digitalen Technologien wie NFTs immer vorn dabei. Kein Tag vergeht, an dem er keinen Podcast aufnimmt oder via Instagram-Live mit (seinen) Künstlerinnen und Künstlern über ihre Arbeit spricht – alles im Dienste der von ihm vielbeschworenen Niederschwelligkeit und Demokratisierung der Kunst und ihres Markts.

"One Decade of Female Sculptors" heißt die erste Schau im Kleinen Haus der Kunst
Foto: kunst-dokumentationen.com

Mit misa.art schuf er einen Marktplatz, auf dem Werke online gekauft werden können: in vorpandemischen Zeiten lange ein Sakrileg, galt Kunst doch die längste Zeit als etwas, das man nicht vom Screen weg kaufen sollte. Keine Berührungsängste hat er mit der kommerziellen Werbewelt: Gerade arbeitet er mit Porsche zusammen; "die Kunst vom Sockel holen" nennt er das gerne.

Da schluckt so manch alteingesessener Gatekeeper der Kunstwelt, manche halten König gar für einen geschäftstüchtigen Blender.

In jedem Fall war damit zu rechnen, dass Königs Ankunft in Wien die etwas konservativere Galerienszene aufrütteln könnte. Die erste Ausstellung One Decade Of Female Sculptors im Kleinen Haus der Kunst hält den Ball aber erstaunlich flach. Rund 30 Arbeiten von Zeitgenossinnen, großteils vertreten von der König Galerie, aber auch von anderen Galerien wie den Wiener Häusern Krinzinger oder Nächst St. Stephan sowie aus Privatsammlungen, werden da ganz klassisch über den Raum verteilt. Den Arbeiten lässt sich ihre Qualität nicht absprechen: Toll, wie sich da zwei Skulpturen – sind es Tonkrüge? – von Sonia Leimer in die Luft schrauben, wie ein gewölbter, sich drehender Spiegel von Eva Schlegel so manche Selfie-Königin aus dem Hinterhalt (tusch!) überfällt und auch Rapper Yung Hurn (bei der Vernissagenparty natürlich anwesend) sich von Sarah Morris’ bunten Rohren so angezogen fühlt, dass er sie gleich angrapscht. Niederschwellig eben.

Johann König im StandART-Interview.
DER STANDARD

Trotz durchweg solider Arbeiten – auch von großen Namen wie Monica Bonvicini oder Isa Genzken – wirkt die Zusammenstellung wahllos und als wäre sie vor allem nach dem Kriterium, von jeder Sorte etwas zeigen zu wollen (groß, klein, flauschig, hölzern, metallisch und so weiter), getroffen worden. Im Begleittext will man sich über das Sammelsurium hinwegretten, indem man den großen Facettenreichtum, also die Unterschiedlichkeit der künstlerischen Zugänge, unterstreicht.

Es wird uns hier als große Überraschung verkauft, dass nicht jede Frau denselben Zugang zu Skulptur hat, nur weil sie eine Frau ist. Würde man tatsächlich einen tiefer greifenden Diskurs anstoßen wollen, hätte man die Positionen der Frauen kontextualisieren müssen – auch was ihren Marktwert betrifft. Es wäre zum Beispiel interessant gewesen, wie viel die (nicht zur Ausstellung gehörende) Gurkenskulptur von Erwin Wurm, die Martin Ho quasi als phallisches Gegenstück vor dem Kleinen Haus der Kunst positionieren ließ, im Gegensatz zur Installation der 25 Jahre jüngeren Kollegin Alicja Kwade vor dem Eingang kostet.

"Ich möchte das Haus für die Leute öffnen" – Martin Ho

Auf die Frage, warum Jakob Lena Knebl (Zitat König: "Ist das die vom Pavillon?") in der Schau nicht vertreten ist, lautet die etwas befremdliche Antwort, dass man sich über deren Geschlechtsidentität nicht so sicher war. Man habe aber eh irgendwo eine Arbeit, vielleicht stelle man sie noch dazu. Bedient wird mit One Decade of Female Sculptors der Gendertrend, ohne sich mit Gender auseinanderzusetzen. Aber vielleicht ist das auch zu viel verlangt, immerhin ist das hier kein Museum, sondern ein ... Na ja, was eigentlich?

Keine Verkaufsgalerie

König sagt, dass es sich bei seiner Dependance um keine Verkaufsgalerie handle, sondern um einen Ort, an dem er bei freiem Eintritt "einfach gute Ausstellungen machen möchte, die sonst keiner macht". Lieber wolle er sein Geld in solche Projekte stecken, als es in Messen zu investieren. Auch Ho will ganz gönnerhaft "das Haus für die Leute öffnen".

Sarah Morris' Röhren verzückten Rapper Yung Hurn.
Foto: Leisure Communications / Mila Zytka

Doch für welche Leute? Als Ausstellungshaus funktioniert das Kleine Haus der Kunst nicht, weil es keinerlei Vermittlungsarbeit (keine Wandtexte, keine Führungen etc.) leistet – wer unbeleckt in One Decade of Female Sculptors stolpert, geht vielleicht mit ein paar Instagram-Fotos, aber ohne Erkenntnisgewinn wieder heraus.

Als dezidierte Nichtverkaufsgalerie wirken die Räumlichkeiten plus Personalkosten aber auch überzogen. Was König damit will und wie sich das rechnen soll, fragen mehrere Pressevertreterinnen und -vertreter, bekommen aber keine überzeugende Antworten. "Don’t ask why" scheint hier ganz und gar programmatisch zu sein. (Amira Ben Saoud, 9.10.2021)