Zwischen Sebastian Kurz und Gernot Blümel sei eine Distanz entstanden, wollen Insider beobachtet haben.

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Sebastian Kurz wurde am Freitag auf Facebook tätig. Er teilte einen Eintrag der Volkspartei, in dem Ministerin Elisabeth Köstinger warnt: "Wer eine funktionierende Bundesregierung platzen lässt, der wird am nächsten Tag mit Herbert Kickl in der Regierung aufwachen." In dem Eintrag wird noch einmal versichert, dass alle Ministerinnen und Minister der Volkspartei ausschließlich unter der Führung von Sebastian Kurz in der Regierung bleiben würden. Mit Rufzeichen.

Dass es nun ausgerechnet die Grünen sein werden, die die ÖVP aus der Bundesregierung aussteigen lassen, ist für viele in der Volkspartei noch nicht (be)greifbar. Es war Kurz, der die Grünen in die Koalition geholt hat, ihnen den Weg in die Bundesregierung geebnet hat, erstmalig. Und sollte diese Regierung platzen, so ging man immer davon aus, dass sich die ÖVP von den Grünen trennt, nicht umgekehrt.

Die jüngst aufgetauchten Belege, die dem STANDARD und dem Spiegel vorliegen, deuten darauf hin, dass Umfragen manipuliert, parteiinterne Rivalen schlechtgemacht, Medien gekauft und Scheinrechnungen ausgestellt wurden. Das trieb vielen in der Volkspartei die Zornesröte ins Gesicht.

Groll und Verwunderung

Insbesondere in den Bundesländern waren der Groll und die Verwunderung über die Unverfrorenheit, mit der das Team um Kurz die Machtübernahme vorbereitet und durchgezogen hat, groß. Dazu kommt, dass nicht nur Kurz und seine Mitarbeiter von der Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigte geführt werden, sondern dass die Volkspartei als Ganzes auf der Liste der Beschuldigten auftaucht.

Manch einer der Herren und vor allem die Dame unter den Landeschefs sollen intern auch deutliche Worte gefunden haben. Der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer meinte etwa: "Die Härte der Vorwürfe ist unfassbar. Sie hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen des Möglichen heranreicht."

Dennoch gelte auch für den Kanzler die Unschuldsvermutung. Und so versammelten sich alle hinter Kurz, manche ein wenig missmutig: die Landeschefs, die Klubführung, die Bünde, die Regierungsmitglieder. Man lasse sich Kurz nicht rausschießen.

Schroffe Zurückweisung

Kurz selbst erklärte, er werde sich "mit aller Kraft gegen Anschuldigungen wehren". Er stehe bereit, die Zusammenarbeit mit den Grünen fortzusetzen, aber dieses nahezu schon flehentliche Angebot wird wohl wieder überdacht worden sein – zu schroff war die Zurückweisung, die Kurz in den letzten Stunden durch die Grünen hinnehmen musste.

Dass es innerhalb der ÖVP noch Bereitschaft gibt, jemand anderen an die Spitze des Regierungsteams zu stellen, ist nach den jüngsten Festlegungen praktisch ausgeschlossen. Der Dienstag, an dem der Misstrauensantrag im Nationalrat erwartet wird, dräut heran, und dann heißt es wohl wieder den Schredder anwerfen und Abschied nehmen – aus dem Kanzleramt, aus den Ministerbüros. Geht Kurz, dann gehen auch alle anderen, das hat die ÖVP klargemacht.

Interessant ist eine Beobachtung, die Insider gemacht haben wollen: Zwischen Sebastian Kurz und Gernot Blümel sei eine Distanz entstanden, die auf eine Entfremdung dieser einst so unzertrennlichen Freunde schließen lasse. Blümel habe sich emanzipieren wollen, ihm sei auch die Verstrickung in die Machenschaften weitaus unangenehmer. Als Finanzminister sei Blümel vor der Ablöse gestanden – aus eigenem Antrieb.

Im Kanzleramt wird erzählt, es sei vielmehr darum gegangen, Blümel "zurückzuholen", wieder an die Seite von Kurz. Die jüngsten Ereignisse machen aber jedwede Rochade im türkisen Team hinfällig. Jetzt geht es nur noch um ganz oder gar nicht. Und die Zeichen stehen auf gar nicht. (Michael Völker, 8.10.2021)