"Squid Game" läuft auf Netflix, ansonsten verteilen sich neue Serien aber auf immer mehr unterschiedliche Anbieter.

Foto: Netflix

Über ein mangelndes Angebot können sich Film- und Serienfans derzeit wahrlich nicht beschweren. Wem es nach Science-Fiction gelüstet, für den gibt es "Foundation", wer lieber sehr reichen Menschen dabei zusehen will, wie sie sehr furchtbar sind, dem sei "The White Lotus" ans Herz gelegt. Dann wäre da natürlich auch noch das globale Phänomen namens "Squid Game", und wer lieber Popcorn-taugliches Filmvergnügen bevorzugt, für den steht seit kurzem "Black Widow" zur Verfügung. All das von Streamingdiensten direkt und bequem auf die heimische Couch geliefert.

Zersplitterung

Das ist toll. Und auch wieder nicht. Denn was all die erwähnten Titel eint, ist, was sie trennt: Jeder von ihnen läuft in einem jeweils anderen Streamingdienst. Wer alles davon sehen will, der braucht also Abos bei vier verschiedenen Anbietern. Doch selbst das kratzt bestenfalls an der Oberfläche. Wo vor nicht allzu langer Zeit noch Netflix der Anlaufpunkt für so ziemlich alles war, präsentiert sich jetzt ein Wildwuchs an unterschiedlichen Anbietern. Anbieter, die natürlich alle monatlich bezahlt werden wollen, und das ist vor allem eines: teuer.

Neben dem erwähnten Netflix wären da in Europa derzeit noch Disney+, Apple TV+ und Amazon Prime Video, nur um einmal die wichtigsten international agierenden Mitspieler zu nennen. Und selbst das ist nur der Anfang, mit HBO Max steht schon der Nächste in den Startlöchern – also vorausgesetzt, HBO kann die Rechtesituation mit Sky jemals entwirren. Ach ja, Sky ist natürlich auch nicht zu vergessen. Dann wäre da noch der Umstand, dass Youtube ohne Abo kaum mehr nutzbar ist, wenn man es auch nur ein bisschen öfter als sehr selten verwendet. Von deutschsprachigen Anbietern, linearem Fernsehen und ähnlichen Späßen ganz zu schweigen. Und wie die USA zeigen, dürfte die Ausdifferenzierung auf zusätzliche Anbieter wohl auch hierzulande nur ein Frage der Zeit sein.

Kostenfrage

Natürlich ist das ein Luxusproblem, niemand muss sich all diese Dienste zulegen. Trotzdem wirft das die Frage auf: Wer soll das eigentlich noch alles bezahlen? Wer auch nur die wichtigsten Anbieter abdecken will, der muss mittlerweile monatlich ziemlich viel Geld investieren. Und selbst dann wäre nur der Mainstream abgedeckt, Filme jenseits dessen muss man üblicherweise erst recht wieder extra bezahlen. Ähnlich schlecht sieht es bei Titeln aus, die schon ein paar Jahre oder gar Jahrzehnte älter sind.

Suchspiele

Doch die aktuelle Zersplitterung der Streaminglandschaft hat noch einen weiteren Nachteil: Sie ist für die Nutzer nämlich nicht nur kostspielig, sondern auch äußerst mühsam. Anstatt einfach einen Film zu streamen, beginnt so der Fernsehabend immer öfter damit, einmal herauszufinden, ob der Titel bei irgendeinem der Dienste, für die man zahlt, enthalten ist. Services wie Prime Video, die wild im Abo enthaltene und zusätzlich zu zahlende Titel mischen, machen es einem da nicht gerade leichter. Von der Unübersichtlichkeit von Amazons Kanalmodell, mit dem man noch mal kleine Zusatzabos abschließen kann, ganz abgesehen.

Klar: Es gibt Dienste, die genau auf diese Frage spezialisiert sind. Wer will, kann also etwa auf "Wer streamt es" nachschlagen, welcher Titel derzeit wo um welchen Preis zu haben ist. Mit den Versprechungen einer einfachen Streamingwelt hat es dann aber endgültig nichts mehr zu tun, wenn man zunächst mal irgendwo im Web recherchieren muss.

Versuche

Dass das ein echtes Problem ist, hat natürlich auch so mancher Plattformbetreiber verstanden. So versucht sich etwa Google derzeit bei seinem Google TV daran, alle Dienste in einer Art Meta-Oberfläche zusammenzuführen und so den Nutzern die Suche abzunehmen. Das ist an sich keine blöde Idee, in der Realität funktioniert das aber begrenzt gut. Das liegt nicht zuletzt daran, dass große Anbieter gar kein sonderliches Interesse daran haben, wenn ihre Inhalte woanders indiziert werden. Wollen sie doch die Nutzer direkt in ihre eigene App locken – und dort behalten. So verweigert sich denn auch Netflix derzeit der Integration mit Google TV. Und natürlich macht so etwas erst dann wirklich Sinn, wenn sich alle daran beteiligen.

Zudem muss Google für dieses Angebot wieder andere Kompromisse eingehen, etwa jedem Anbieter einen eigenen Bereich zugestehen, wo man beliebige Inhalte bewerben kann. So kann es dann schon mal vorbeikommen, dass sich untereinander drei Einträge für denselben Film finden – und auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, welcher der drei zum in einem Abo inkludierten Eintrag führt.

Die logische Folge

Angesichts solcher Zustände wundert es nicht, dass derzeit ein anderes Phänomen wieder neuen Zulauf findet: die Piraterie. Denn während der Aufstieg von Netflix eindrucksvoll belegt hat, dass die Konsumenten sehr wohl bereit sind, für Inhalte zu zahlen, wenn diese weltweit gleichzeitig verfügbar sind und der gesamte Ablauf einfacher ist, als sich die Titel irgendwo aus Tauschbörsen zu besorgen, so tut die Branche gerade ihr Bestes, die Attraktivität der Option "Piraterie" wieder zu erhöhen. Immerhin muss man sich da nicht jeden Monat wieder frisch überlegen, welcher Dienst sich jetzt rentiert und wo man jetzt welchen Titel zum Abspielen findet. Am eigenen Medienserver liegt alles neutral nebeneinander.

Grafik: 9Gag

Das kann man alles verwerflich finden, ändert aber nichts daran, dass sich die Branche diese Entwicklung selbst zuzuschreiben hat. Denn so wie sich die Streamingwelt derzeit entwickelt, wird der Streamingtraum immer mehr zum Albtraum. (Andreas Proschofsky, 8.10.2021)