Zu viel Körperfett ist schlecht? Kommt ganz darauf an, wo es sitzt.

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Ein Blick in den Spiegel gibt dem Gegenüber oftmals nur eine grobe Antwort auf die Frage, ob man vielleicht ein paar Kilos zu viel auf den Rippen mit sich herumträgt. Formeln, die berechnen, ob man sich mit dem eigenen Gewicht noch im normalen und gesunden Bereich befindet, gibt es einige. Doch nicht alle sind medizinisch wirklich sinnvoll.

Seit langer Zeit als das Maß aller Dinge gilt der Body-Mass-Index, kurz BMI. Er bewertet das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße: Das Gewicht wird geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. Mit einem BMI unter 25 liegt alles im grünen Bereich. "Ab BMI 30 beginnt der rote Bereich, es steigt das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und manche Krebsarten", sagt die Ernährungsepidemiologin Leonie Bogl von der Medizinischen Universität Wien. Hier sollte man seinen Lebensstil überdenken. "Wenn möglich sollten Betroffene nachhaltig Gewicht reduzieren oder zumindest stabilisieren, sich beispielsweise mediterran mit viel Gemüse und Obst, gesunden Fetten und wenig Fleisch gut ernähren und sich mehr bewegen".

Doch der BMI ist medizinisch ungenau und erlaubt nur unkonkrete Aussagen über die gesundheitlichen Risiken, denn er vernachlässigt die Fettverteilung im Körper bzw. erkennt gar nicht, ob das Übergewicht von Muskeln oder Fett herrührt. "Bei Sportlern und älteren Personen ist er daher weniger aussagekräftig", sagt Leonie Bogl. Ein durchtrainierter Sportler hat wegen seiner vielen schweren Muskeln einen hohen BMI, aber fast gar kein Fett. Untrainierte können wegen fehlender Muskeln auch mit viel Körperfett einen niedrigen BMI haben und wiegen sich in falscher Sicherheit. Und bei Älteren ab 65 Jahren ist der BMI ohnehin mit Vorsicht anzuwenden, da sich die Fettzusammensetzung mit zunehmendem Alter verändert. Wichtig wäre also zu wissen: Sind überhaupt Fettdepots vorhanden und wo sind sie?

Apfel- oder Birnentyp

Mittlerweile misst man daher dem Umfang der Taille die größere Bedeutung zu (am besten gemessen morgens unbekleidet auf Bauchnabelhöhe), denn diese Messung gibt Auskunft über die Menge an Bauchfett. Viel Fett am Bauch gilt als gesundheitlich gefährlich, es setzt Substanzen frei, die zu Arterienverkalkung und in der Folge zu Herzinfarkt, Hirnschlag und Diabetes führen können. Der Taillenumfang sagt daher einiges darüber aus, ob man zu viel Fett an den gesundheitlich bedenklichen Stellen angesammelt hat. Bei Männern geht der grüne Bereich bis 94 cm Taillenumfang, bei Frauen bis 80 cm, während der Risikobereich bei mehr als 102 cm bzw. 88 cm beginnt.

Noch genauer ist das Taille-Hüfte-Verhältnis (WHR), denn es berücksichtigt noch besser die Fettverteilung, also ob man eher ein sogenannter "Apfeltyp" mit viel Fett am Bauch oder ein "Birnentyp" mit Fett auch an Beinen und Po ist. Neben der Taille muss noch zusätzlich der Hüftumfang gemessen werden, also der Po an seiner dicksten Stelle. Der Taillenumfang wird anschließend durch den Hüftumfang geteilt. Wenn bei Männern das Ergebnis nicht größer als 0,9 bzw. bei Frauen unter 0,8 liegt, ist alles im Lot. Ab 1,0 bzw. 0,9 steigt jedoch das Risiko. "Zusätzlich sollte man hier aber auch noch den BMI messen, anderenfalls hat man nur Angaben zur Körperfettverteilung, aber keine Aussage, ob jemand adipös ist", sagt Leonie Bogl.

Von Experten derzeit als aussagekräftigste Lösung favorisiert, weil sie zusätzlich zwischen kleinen und großen Personen unterscheidet, ist das Verhältnis der Taille zur Körpergröße (WHtR). "Nach neueren Studien ist dieser Quotient sehr aussagekräftig", sagt Leonie Bogl. Gerade für die kardiometabolische Gesundheit scheint neben dem Hüftumfang auch der WHtR ein besserer Indikator zu sein als der BMI. Dafür teilt man den Taillenumfang in Zentimetern durch die Körpergröße in Zentimetern. Liegt das Ergebnis unter 0,4, ist alles im grünen Bereich, ab 0,6 sollte man sich darum kümmern. "Der WHtR ist daher möglicherweise ein nützliches Tool mit der einfachen Message, seinen Taillenumfang auf weniger als die Hälfte der Körpergröße zu halten."

Auch ethnische Faktoren wichtig

Es gibt auch noch neuere Indizes, zum Beispiel den Body-Shape-Index (BSI), welcher den Taillenumfang mit dem BMI kombiniert. "Welcher Indikator nun am besten chronische Krankheiten vorhersagt, ist sicherlich noch ein Thema zukünftiger Forschung und hängt von weiteren Faktoren ab, etwa Geschlecht, Alter und ethnische Zugehörigkeit", so Leonie Bogl.

Egal mit welcher Formel man aber letztendlich arbeitet: Wichtig ist, das Ergebnis nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext mit seinem aktuellen Lebensstil. So können Normalgewichtige viel Körperfett haben, insbesondere auch das gefährliche Fett in den Organen, beispielsweise in der Leber. "Umgekehrt gibt es aber auch Übergewichtige mit wenig Körperfett", sagt Leonie Bogl. Nur das Gewicht isoliert zu betrachten reiche daher nicht aus, auch die genetische Prädisposition, chronische Erkrankungen und Lebensstilfaktoren zählen. Wenn jemand mit BMI 29 eigentlich als übergewichtig gilt, seine Laborwerte aber im grünen Bereich liegen, er sich zumindest 150 Minuten wöchentlich moderat bewegt, gesund ernährt, nicht raucht und nur wenig Alkohol trinkt, "dann sollte man auf eine Gewichtsstabilisierung achten". Umgekehrt machen jedoch Änderungen im Lebensstil bei Menschen mit einem BMI unter 25 Sinn, wenn ihr Risikoprofil ungünstig ist. (Andreas Grote, 10.10.2021)