Eine der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren rund um die Inseratencausa ist die Bundes-ÖVP.

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Die Liste der Beschuldigten in der Inseratencausa ist lang: Sie umfasst Noch-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) höchstselbst, Pressesprecher, Meinungsforscherinnen, Medienmacher und die gesamte ÖVP-Bundespartei. Konkret geht es um die Verantwortlichkeit der Partei als ganzer, und zwar dafür, dass die Taten, von denen die Staatsanwaltschaft vermutet, dass sie begangen wurden, zu ihren Gunsten begangen wurden. Was heißt das konkret?

Der Paragraf hinter diesem Umstand findet sich im Unternehmensstrafrecht, genauer im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG). Und der Begriff des "Verbands" meint eben nicht nur Unternehmen, sondern auch Parteien. Laut Robert Kert, Vorstand des Instituts für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht der WU Wien, sind derartige Verfahren gegen Parteien nicht ungewöhnlich. Ihm sind mehrere Entscheidungen bekannt, die sich gegen Parteien auf Landes- oder Gemeindeebene richten. Dass nun eine Bundespartei betroffen ist, ist zumindest bemerkenswert.

Strafe bis zu 1,3 Millionen Euro

Sollte sich die Verdachtslage erhärten und es zu einem Urteil kommen, wären die Konsequenzen für die Bundes-ÖVP aber rein finanzieller Natur. Bezahlt werden müsste dann eine sogenannte Verbandsgeldbuße, die in Tagessätzen berechnet wird. Wie viele das sind, hängt ab davon, mit bis zu wie vielen Jahren Freiheitsstrafe jene Tat bedroht ist, die Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vorgeworfen wird. Das wären zehn Jahre und würde damit für die Bundespartei im Fall eines Schuldspruchs bis zu 130 Tagessätzen von maximal 10.000 Euro machen – also insgesamt bis zu 1,3 Millionen Euro.

Wobei Kert allerdings betont: Das ist der Höchstsatz, der tatsächliche Betrag bemisst sich am Ertrag des Unternehmens, in dem Fall der Partei, und dürfte niedriger ausfallen. Bezahlen müsste die ÖVP diese Strafe dann aus ihrer Parteikassa, sprich aus Spenden und Fördergeldern – und damit zumindest zum Teil auch aus Steuergeld.

Spannend ist in dem Zusammenhang auch eine Passage im VbVG, in der es darum geht, unter welchen Umständen die Staatsanwaltschaft von ihrer Verfolgung absehen kann: Das hängt nämlich auch vom Verhalten des Verbandes nach der Tat ab. Im Falle der Bundes-ÖVP könnte es etwa eine Rolle spielen, "ob da Reue da ist, ob man etwas ändern will", sagt Kert. Wenn aber ein besonderes öffentliches Interesse gegeben ist, darf die Staatsanwaltschaft nicht von den Ermittlungen absehen – und das besteht nach Ansicht von Kert.

Mitarbeiter als Zeugen

Damit sie nach diesem Paragrafen verurteilt wird, müsste der Bundes-ÖVP nachgewiesen werden, dass sie durch die Anwendung des sogenannten "B.-Österreich-Tools" – also jener Methode, durch die frisierte Umfragen, finanziert mit Steuergeld, in der Zeitung "Österreich" platziert worden sein sollen – einen Vorteil hatte. "Wobei der Begriff des Vorteils relativ weit ist", sagt Jurist Kert. Sollten die Vorgänge tatsächlich so abgelaufen sein, wie es die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) derzeit annimmt, "dann wäre auch ein Vorteil für die Partei gegeben".

Für die Partei gilt, wie für alle anderen Beschuldigten, die Unschuldsvermutung. Derzeit ist das gesamte Verfahren im Ermittlungsstadium, es gibt keine Anklage und freilich schon gar kein Urteil.

Für hochrangige Funktionäre der Bundes-ÖVP, die nicht auf der Beschuldigtenliste stehen, ändert sich laut Kert aber durch die Ermittlungen gegen die Partei nichts: "Die Verantwortlichkeit des Verbandes schlägt sich nicht auf die Leute, die dort arbeiten, durch", sagt er. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wären genauso Zeugen wie in jedem anderen Strafverfahren und damit verpflichtet, die Wahrheit zu sagen und Auskunft zu geben. (Gabriele Scherndl, 9.10.2021)