Alexander Kaimbacher als Dichter Gustav von Aschenbach, geplagt von nächtlichen Wunschängsten.

Foto: Armin Bardel

Wien – Brittens Reifewerk, die Oper Death in Venice, ist vor allem die Schilderung der Selbstauflösung einer Person. Im Museumsquartier (Halle E), wo die Neue Oper Wien den Regisseur Christoph Zauner eingeladen hat, sich in das nur selten in extrovertierte Extrembereiche aufsteigende, ruhig dahinschwebende Werk zu vertiefen, wird die schrittweise psychische Fragmentierung der Hauptfigur durch die kammerspielartige Inszenierung zusätzlich deutlich.

In dem weiten Raum (Christof Cremer) mit den bisweilen als Leinwand (Möwen, Meer) eingesetzten Wänden und der Laufstegkonstruktion, unter der Trockeneisnebel ein düsteres Venedig andeutet, ist zwar punktuell etwas szenische "Ablenkung" zugegen. Da werden Strandszenen angedeutet, auch geselliges Treiben; zudem sind grotesk-ausgelassene Momente zu sehen, und drastische Traumsequenzen zeigen die Qualen von Literat Gustav von Aschenbach, gewissermaßen seine Wunschängste. Und: Die konzise Personengestaltung findet sich bereichert auch durch die Choreografie von Saskia Hölbling.

Verzweifelte Ekstase

Das Zentrum der in sich stimmigen Produktion ist aber natürlich Alexander Kaimbacher als Aschenbach: Da ist die noble Geste ebenso wie das Staunen über das eigene Begehren gegenüber dem jungen Tadzio (Rafael Lesage). Da ist die verzweifelte Ekstase wie auch das finale Abstreifen aller Würde. Kaimbacher versteht es auch vokal, diesen Wechsel zwischen expressiv, lyrisch und fragil glaubwürdig zu vermitteln.

Dass am Schluss beide, der Dichter und sein Objekt der Zuneigung, tot beieinanderliegen, ist ein Moment der inszenatorischen Freiheit, der den surrealen und gespenstischen Charakter des Abends nicht unpassend abrundet; einen Abend, den auch Andreas Jankowitsch und Ray Chenez vokal bereicherten.

Einfühlsame Deutung

Dem Dirigenten und Neue-Oper-Chef Walter Kobéra gelingt zusammen mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich eine einfühlsame Deutung dieser im instrumentalen Detail schillernden und subtil zahllose Farben erweckenden Partitur des Briten, der sich von Thomas Manns Novelle Tod in Venedig inspirieren ließ. Sehr klar wird hier eine Notenwelt der kleinen Regungen und Erregungen umgesetzt (Ljubisa Tosic,9.10.2021)