Der Mann des türkisen Volkes: Noch scheint der Rückhalt an der Basis für den scheidenden Bundeskanzler Sebastian Kurz vielerorts ungebrochen.

Jakob Glaser

Linz – Es herrscht ein reges Treiben an diesem sonnigen Sonntagvormittag in dem kleinen beschaulichen Ort im oberösterreichischen Traunkreis. 1.500 Einwohner zählt Hofkirchen. Und viele von ihnen absolvieren an diesem Herbsttag zwischen der Messe in der spätgotischen Kirche und der obligatorischen Nachbesprechung im Hofkirchnerstüberl ihre demokratiepolitische Pflichtübung in der Wahlkabine am örtlichen Gemeindeamt.

72 Wahlgänge

Es ist der Tag der Bürgermeisterstichwahl in 72 oberösterreichischen Gemeinden. Doch nicht das schöne Wetter und die damit zu befürchtende Auswirkung auf die Wahlbeteiligung lastet diesmal entsprechend schwer auf den Kandidatenschultern. Vielmehr ist es die handfeste Regierungskrise in der Bundeshauptstadt, die manchenorts insbesondere auf der schwarzen Seite der Kommunalmacht für innere Unruhe sorgt.

Nachwuchs im Gemeindeamt

Nicht überall aber liegt der Grund der Unruhen in den eignen ÖVP-Reihen. In Hofkirchen etwa scheint man diesen Stichwahlsonntag auch ganz bewusst zu nutzen, um ein klares Zeichen für Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zu setzen. Der Ort ist mit zehn ÖVP-Sitzen im Gemeinderat politisch klar positioniert, beste Chancen auf den Bürgermeistersessel hat mit Nicole Zehetner-Grasl erstmals eine Frau. 49,2 Prozent erreichte die 25-jährige Personalentwicklerin mit schwarzem Parteibuch im ersten Durchgang. Jetzt scheint dem kommunalen Chef-Sessel und der Tatsche, dann die jüngste Bürgermeisterin Österreichs zu sein, nichts mehr im Wege stehen.

Lokale Verankerung

Zehetner-Grasl nimmt, modisch gehüllt in eine schwarze Lederjacke und eine knallgelbe Hose, nahe einer Kunstinstallation auf einer Bank am Vorplatz des Gemeindeamtes Platz. "Ich bin generell ein positiv denkender Mensch. Und mit diesem Gefühl bin ich auch in die Wahl gegangen." Wie sich die Regierungskrise denn auswirke? Zehetner-Grasl: "Mir geht's es um Hofkirchen. Hier bin ich präsent, hier möchte ich mein Programm durchziehen. Hier möchte ich Bürgermeisterin sein. Das sind völlig verschiedene Ebenen."

Was in Wien passiert, müssten "die involvierten Personen selbst entscheiden." Sie habe zwar eine private Meinung dazu, diese müsse aber eben auch privat bleiben: "Daher sage ich nichts. Es gibt die private Nicki und es gibt die Bürgermeisterin." Das sind zwei Paar Schuhe."

"Gemeine" Grüne

Während sich also die wohl künftige Gemeindechefin in parteischonender Zurückhaltung übt, nehmen sich viele im Ort kein Blatt vor dem Mund. "Bei uns am Land wird sicher noch eine ehrlichere Politik gemacht als in Wien. Wie mit unserem Kanzler umgegangen wird, ist ein Wahnsinn. Es ist einfach grauslig, was die Grünen gemacht haben. Ihm so ihn den Rücken zu fallen. Eine echte Sauerei", ärgert sich eine Pensionisten, die namentlich nicht genannt werden will.

Ein Ehepaar auf dem Weg zur Wahlurne setzt nach. "Man hat Sebastian Kurz einfach ungerecht behandelt. Aber so ist das in der Politik, einer muss immer den Kopf hinhalten. Aber ausgerechnet der Kurz. So ein sympathischer Typ", führt Eva Retzenwinkler aus. Und ihr Mann Hermann ergänzt: "Enttäuscht bin ich vom Kogler. So gemein von den Grünen. Ich glaube aber nicht, dass Kurz wieder zurückkommt. Der lässt sich das doch nicht mehr bieten. Da wird nun etwas breit getreten, was viele Jahre zurückliegt. Es passiert doch jedem einmal ein Fehler in der Wortwahl. "

Auswirkungen auf das Wahlverhalten

Einen konkreten Einfluss auf das Wahlverhalten sieht hingegen der Hofkirchner Markus Sonnleitner. "Vor allem wirkt sich das auf Leute aus, die ohnehin eine latente Politikverdrossenheit haben. Es führt dazu, dass die Wahlbeteiligung sinkt und vielleicht auch ein Protestwahlverhalten verstärkt auftritt." Persönlich habe ihn "durchaus gewundert, wie dreist hier offensichtlich vorgegangen wurde."

Sonnleitner: "Natürlich vor allem die Sprache und der Umgang. In Momenten, in denen die involvierten Personen geglaubt haben, nicht gesehen oder gehört zu werden. Aber man zieht sich auf einen Standpunkt zurück, dass auf kommunaler Ebene, dort wo man die Leute kennt, besser dran ist als in der Bundespolitik." (Markus Rohrhofer, 10.10.2021)