Internationale Konzerne geben beim Einkauf der Großküchen den Schritt vor.

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Wien – Im österreichischen Lebensmittelgroßhandel bleibt kein Stein auf dem anderen. Um fünf Milliarden Euro kaufen Wirte und Hoteliers jährlich ein, um ihre Gäste zu bedienen. Knapp die Hälfte des Volumens fließt über die Großhändler. Seit die Bundeswettbewerbsbehörde die Übernahme von neun AGM-Standorten durch den deutschen Metro-Konzern gestoppt hat und durch das Kartellgericht prüfen lässt, laufen Planspiele über die neue Aufteilung des gewichtigen Geschäfts.

Rewe erwarb AGM mit dem Kauf der Adeg. Dass sich der Handelsriese aus dem Gastronomiegroßhandel zurückzieht, war keine Überraschung, zumal dieser international bei ihm längst Geschichte ist. Schon 2011 wollte er die Märkte abstoßen, beendete den Verkaufsprozess jedoch vorzeitig. Mit Billa Plus zählt Rewe allerdings zu Österreichs größten Systemgastronomen. Auf gute Lieferkonditionen für ihre Küchen wird sie daher wohl nicht verzichten.

Hohe Verluste

Finanziell war AGM mehr Last als Gewinn. In den Büchern des Großhändlers stand 2019 ein Bilanzverlust von 18 Millionen Euro sowie ein Jahresfehlbetrag von 1,8 Millionen, ausgeglichen durch Rücklagen der Eigentümer.

Metro Österreich, an der Spar zu 27 Prozent beteiligt ist, wollte AGM ganz oder gar nicht. Der daraus resultierende Marktanteil von 35 Prozent aus Sicht der Branche ist den Wettbewerbshütern freilich zu hoch. Das Kartellgericht hat nun für eine finale Entscheidung fünf Monate Zeit. Metro selbst betont, gemeinsam mit AGM lediglich auf einen Marktanteil von rund 22 Prozent zu kommen.

Realistisch ist ein Filetieren des Unternehmens: Starke regionale Dominanz zwingt Metro in jedem Fall zum Verzicht auf drei bis vier Standorte. Schwerlich zum Zug kommen wird dabei Transgourmet, die in Österreich seit der Übernahme des Großhandels von C+C Pfeiffer satte 30 Prozent des Marktes hält.

Sanierung notwendig

Kein Geheimnis aus seinem starken Interesse an der AGM macht Großhändler Christof Kastner, der derzeit acht Prozent des Gastronomiegeschäfts bedient. Der Deal sei für regionale Anbieter eine Nummer zu groß, meinen Mitbewerber. Kastner selbst sieht sich erfahren in Übernahmen. Dass es bei AGM Einschnitte geben müsse, um sie auf gesunde Beine zu stellen, stellt er aber nicht in Abrede. Aus eigener Kraft zu wachsen, lässt die Raumordnung nicht mehr zu, es sei denn, große Abholmärkte siedeln sich in Stadtzentren an.

Ungeklärt ist die Zukunft der zwei AGM-Genossenschaften in Wolfsberg und Zell am See. Beide sind in Hand lokaler Kaufleute, Rewe ist zu 33 Prozent beteiligt. In Zell am See betont man auf Anfrage, dass sich für ihre fünf Cash-and-Carry-Märkte und 5.000 Gastrokunden aufgrund von langfristigen Kooperationsverträgen mit Rewe vorerst nichts ändere.

Einkauf der öffentlichen Hand

Die Politik hat sich zum Kampf um Lieferverträge, bei denen es nicht nur um Gastronomie und Hotellerie geht, sondern auch um Einkauf der öffentlichen Hand für Spitäler, Pensionistenheime, Kindergärten und Schulen, nicht zu Wort gemeldet. VP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger kritisierte im Dienste der Bauern die Marktmacht der Supermärkte. Dass zwei internationale Konzerne 65 Prozent des Großhandels unter sich aufteilen könnten, schien bisher nicht von Belang.

Was Einzelhandel mit Großhandel verbindet, sind fehlende Mitarbeiter. Massiver Mangel herrscht vor allem an Lkw-Fahrern, Kommissionierern und Regalbetreuern. Ab 21. Oktober wird im Handel um die neuen Löhne und Gehälter gefeilscht. Gewerkschafter wollen sich angesichts des Rekords an offenen Stellen nicht mit einer Inflationsabgeltung abspeisen lassen. (Verena Kainrath, 11.10.2021)