Bild nicht mehr verfügbar.

Wohnungsverkauf mit Wohnrecht auf Lebenszeit: Vor allem Instandhaltungskosten und Nutzungsrechte sollten vertraglich geklärt sein

Foto: Getty Images

Im April erhielten etwa 26.000 Wiener Haushalte einen Brief. Darin wurde Senioren – Geburtsjahr 1950 oder älter – ein Angebot gemacht: Ein Unternehmen will ihnen ihre Wohnung zu einem günstigen Preis abkaufen und ihnen im Gegenzug ein grundbücherlich gesichertes, lebenslanges Wohnrecht einräumen. Wahlweise können sich die Senioren die Wohnung einmalig auszahlen lassen, lebenslang monatlich einen Betrag überwiesen bekommen oder eine Kombination daraus wählen.

Dabei handelt es sich um ein Leibrenten-Modell, das etwa in Deutschland schon verbreiteter ist. Positiv formuliert könnte man sagen, dass mit vergleichsweise geringen monatlichen Beträgen Immobilienbesitz auch für jene in greifbare Nähe rückt, die sonst keine Chance darauf hätten, während überforderten Senioren die Instandhaltung ihres Zuhauses abgenommen wird. Negativ betrachtet wird bei dem Geschäft aber schlicht auf das Ableben der Bewohner spekuliert.

Hierzulande beackert das Feld nun die Aurum Wohnrecht GmbH, die kürzlich dafür 3,5 Millionen Euro von Investoren eingesammelt und 26.000 Briefe ausgeschickt hat. Ihr Business funktioniert so: Ein unabhängiger Gutachter bewertet die Wohnung oder das Haus der Interessenten. Basierend auf der Restlebenserwartung wird dann ein Angebot gemacht. Dabei wird für die Jahre, die die Person laut Statistik noch lebt, eine Miete vom Kaufpreis abgezogen. Die Person kann trotz Verkaufs in ihren vier Wänden bleiben, bis sie verstirbt oder in eine Pflegeeinrichtung zieht.

After Eight und Eierlikör

Auf die ausgeschickten Briefe kamen nicht nur positive Rückmeldungen. Manche Erben hätten sich auf den Schlips getreten gefühlt, sagt Geschäftsführer Niklas Bernehed. Viele wollten auch wissen, woher das Unternehmen überhaupt die Daten hat. Die Antwort wurde aber auch im Brief schon gegeben: aus dem öffentlich einsehbaren Grundbuch. Das habe viele beruhigt.

Positive Rückmeldungen gab es auch. Insgesamt werden im Laufe dieses Monats 40 Wohnungen angekauft. Viele Verkäufer hätten keine Erben oder wollen ihren Kindern und Enkeln noch zu Lebzeiten finanziell unter die Arme greifen. Doch es gibt auch andere Gründe. "Manche sagen: ‚Wenn Sie mir versprechen, dass mein Sohn nichts kriegt, verkaufe ich‘", erzählt Bernehed. Manche würden sich mit dem Geld einen Traum verwirklichen wollen – einen Campingbus, ein Segelboot oder einen teuren Urlaub.

Die meisten Kunden seien Kundinnen, weil Frauen laut Statistik länger leben. Fingerspitzengefühl brauche es für die Gespräche auf jeden Fall, sagt Bernehed. Das unverbindliche Erstgespräch zum gegenseitigen Kennenlernen dauere mitunter drei Stunden, dabei würden die Senioren ihren Besuchern gern Eierlikör und After Eight kredenzen.

Später, also nach dem Tod der Bewohnerin oder des Bewohners, werden Altbauwohnungen, in denen die Mieten gedeckelt sind, saniert und weiterverkauft. Neubauwohnungen und Einfamilienhäuser werden von der Aurum Wohnrecht im Bestand gehalten und vermietet. 3000 bis 5000 Wohneinheiten sollen in den nächsten vier bis fünf Jahren angekauft werden. Daher werden die Briefe im nächsten Schritt in ganz Österreich verschickt.

Morbid findet Bernehed sein Businessmodell nicht: "Jedes Jahr, um das die Person älter wird, steigt die Wohnung im Wert. Es ist also gar nicht in unserem Interesse, dass die Wohnung bald an uns zurückgeht."

Großes Thema ist die Leibrente in Österreich bisher nicht. Die Wiener Rechtsanwältin Katharina Braun betont zudem, dass es dafür gar kein Unternehmen braucht. "Man kann sich bei jeder Immobilie ein Wohnrecht ausbedingen, das im Kaufpreis eingepreist wird."

Zweites Gutachten einholen

Ganz unkompliziert ist die Sache aber nicht. So empfiehlt Braun jenen, die sich auf das Angebot eines Unternehmens einlassen möchten, ein zweites Gutachten einzuholen. Wichtig sei auch, genau festzulegen, wer später für die Instandhaltungskosten aufkommt. Und Wohnrecht ist nicht gleich Wohnrecht: Hier muss vorab geklärt werden, ob im Fall des Falles auch eine Pflegekraft oder ein Familienmitglied einziehen darf und den Garten nicht plötzlich andere nutzen dürfen.

Nicht zuletzt gehen auch Käuferinnen und Käufer ein Risiko ein. Denn die statistische Lebenserwartung ist nur Theorie. Eine oft strapazierte Anekdote besagt, dass eine 90-jährige Französin sich einst auf ein Leibrenten-Modell einließ. Ein Anwalt überwies ihr, im Glauben an einen grandiosen Deal, monatlich einen fixen Betrag. Die Immobilie sollte dafür nach ihrem Ableben in seinen Besitz übergehen. Nur wurde die Seniorin weit über hundert – und der Anwalt verstarb vor ihr. Die Leibrente musste seine Witwe weiter bezahlen. (zof)