Moria schließen, Aufnahme aus Afghanistan, Seenotrettung im Mittelmeer – wichtige Themen, für die es viele Zusammenschlüsse und Protestaktionen aus der Zivilgesellschaft gibt, damit die Regierung in ihrer Migrations- und Asylpolitik zur Humanität zurückkehrt. Aber das unmenschliche österreichische Grenzregime zeigt sich nicht nur im Umgang mit Ankommenden. Es zeigt sich auch darin, wie mit Menschen umgegangen wird, die wieder gehen sollen.

Freiwillig, wenn möglich, gezwungen, wenn nötig

Die Rückkehrberatungseinrichtung Fieberbrunn im Bezirk Kitzbühel ist so ein Ort, der den unmenschlichen Umgang zeigt. Das Gebäude steht in der Tiroler Bergidylle auf 1.300 Höhenmetern. Das nächste Dorf liegt 2,5 Stunden Fußweg entfernt. Bewohnende nennen es ein Gefängnis. Aber es ist kein Gefängnis, sondern ein Lager für geflüchtete und migrierte Menschen, die Österreich zum Großteil wieder verlassen sollen. Einige sind nur vorübergehend dort, einige schon Jahre. Viele der Bewohnenden können aus menschenrechtlichen oder bürokratischen Gründen nicht abgeschoben werden. Deshalb soll diesen Menschen das Leben so unangenehm und perspektivenlos wie möglich gemacht werden, damit sie "freiwillig" wieder gehen.

Die menschenrechtliche Lage

Bewohnende, NGOs und die Zivilgesellschaft äußern regelmäßig, dass die soziale, gesundheitliche und psychologische Betreuung und Versorgung in Fieberbrunn mangelhaft, teilweise nicht vorhanden ist. Zudem werden soziale Kontakte gezielt und systematisch unterbunden. Die Menschen werden beengt und isoliert, quasi im Nichts, untergebracht – sie haben keinen Zugang zur Gesellschaft, zu Beschäftigungs- oder Bildungsmöglichkeiten oder zur Religionsausübung. Für 1,60 Euro die Stunde "dürfen" sie arbeiten, ein Lohn, der übrigens auch für Gefängnisinsassen gilt. Die Bewohnenden sehen sich laut Aussagen selbst in einem Gefängnis, sie werden bezahlt wie Gefängnisinsassen, sie haben ähnliche Freigangsregelungen wie in Gefängnissen, und doch wird von öffentlicher Stelle gesagt, es sei keine Form der Haft – ist es auch nicht. Sonst bräuchte es eine Straftat, und es würde ein gerechtes Verfahren und eine Höchstdauer der Unterbringung geben.

Das Rückkehrzentrum Fieberbrunn im Sommer 2019.
Foto: Steffen Arora/Der Standard

Zum Hintergrund

Seit seiner Initiierung 2017 (mit FPÖ-Handschrift) ist das Zentrum immer wieder mit Bedenken hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. 2019 wurden nach einem Hungerstreik durch die Bewohnenden von staatlicher Seite kurz Bemühungen gezeigt, positive Maßnahmen zu ergreifen. Wirklich verändert hat sich seitdem nichts, außer dass keine Kinder und Familien mehr dort untergebracht sind. Eher hat sich die Situation der Bewohnenden noch mehr verschlechtert – dafür wurde gesorgt. Unter Covid-19 wurden Bewohnende kaum ausreichend mit Masken, Desinfektionsmitteln und Ähnlichem versorgt, es gab keine Möglichkeit für Social Distancing, Verdachtsfälle wurden ignoriert, Infizierte wurden zusammen in ein Zimmer gepfercht und die Bewohnenden schlecht über die Pandemie informiert. Zudem wurde die Einrichtung Anfang 2021 quasi "verstaatlicht" – Betreuung und Beratung übernimmt nun eine neu eingerichtete Bundesagentur. Die Bewohnenden werden gezielt marginalisiert, indem die Zivilgesellschaft zunehmend von der Einrichtung ausgeschlossen wird.

Menschenrechtsprobleme in Fieberbrunn sind immanent für das Zentrum. Gleichzeitig gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, ein teures, schwer zu erreichendes Lager inklusive inhärenter Menschenrechtsprobleme in Betrieb zu halten, wenn es zum Beispiel etliche leerstehende Gebäude gibt, die genauso als Rückkehrberatungszentrum dienen könnten. Unabhängig von der Zielsetzung des Zentrums müsste die Unterbringungsform in Fieberbrunn nicht existieren. Die Entwicklungen in der Rückkehrberatungseinrichtung Fieberbrunn zeigen eine bedenkliche Dynamik auf, die Menschenrechtsprobleme bewusst in Kauf nimmt, um Grenzen und eine Politik der Abschottung durchzusetzen.

Wie weiter?

In der Vergangenheit hat sich zivilgesellschaftliches Engagement als wirksam gezeigt, um die Bemühungen der Regierung zu erhöhen, Menschenrechte durchzusetzen. Deshalb braucht es ein ständiges und kollektives Bemühen und Organisieren für das, was menschenrechtlich richtig und notwendig ist. Für das, was bereits in den Bestrebungen vorhanden ist, die die Zivilgesellschaft gemeinsam in Initiativen, Arbeitsgemeinschaften, Protesten, Aktionen und in zivilgesellschaftlichem Engagement unternimmt. (Deike Janßen, 13.10.2021)