Das Selbstbewusstsein der Unionsparteien ist nach der Wahlschlappe stark angeschlagen.

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Auf Daniel Günther haben nicht wenige in der CDU gehofft. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, der sein Bundesland mit einer Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP regiert, könnte dem glücklosen Armin Laschet als CDU-Chef nachfolgen – so raunt es in der CDU.

Doch der 48-jährige Günther machte zu Wochenbeginn deutlich: "Ich bin gerne bereit, bei der Neuaufstellung im Bund zu helfen, aber nicht an vorderster Front."

Es gibt also schon eine Absage für die Laschet-Nachfolge, aber noch keine Zusagen und auch kein öffentlich angemeldetes Interesse. Unklar ist auch, wann die CDU einen neuen Chef oder eine neue Chefin bekommt. Immerhin haben sich die Gremien am Montag bei ihren Sitzungen auf einen Zeitplan geeinigt.

Am 30. Oktober beruft die Parteispitze eine Konferenz der Kreisvorsitzenden ein. Dabei kommen 327 Männer und Frauen zusammen, um zu beraten, wie es weitergehen soll. Das Treffen ist ein erstes Zugeständnis an jene, die nach einer Beteiligung der nach der Wahlniederlage frustrierten CDU-Parteibasis rufen.

Dieser Wunsch kommt übrigens auch von der Schwesterpartei CSU. "Wir brauchen eine personelle Neuaufstellung, die in der Partei, aber auch in der Bevölkerung große Akzeptanz hat", sagt Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, und warnt vor einer Abstimmung, die mit "49 zu 51 Prozent" endet.

Zügiger Prozess

Kommt es tatsächlich zu einer Mitgliederbefragung, soll diese zügig durchgeführt werden. Auch in der CDU erinnert man sich an den Basisentscheid zur Regelung der Nachfolge von Ex-SPD-Chefin Andrea Nahles im Jahr 2019. Fast ein halbes Jahr hatte der Prozess gedauert, bis – nach 23 Regionalkonferenzen – endlich Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als Nachfolger feststanden. "Das kann man verknappen. Ich halte ein zu langes Verfahren nicht für zielführend", sagt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Abgestimmt werden soll auf einem Sonderparteitag der CDU – wann immer der auch stattfinden wird – dann aber nicht nur über den Parteichef. "Wir haben einstimmig beschlossen, dass wir den kompletten Bundesvorstand neu wählen", so Ziemiak. Bei der inhaltlichen Aufarbeitung der Wahlschlappe "muss alles auf den Tisch, was in diesem Wahlkampf passiert ist".

Die ersten haben schon angekündigt, Platz zu machen. Sowohl Annegret Kramp-Karrenbauer als auch Peter Altmaier werden ihr Bundestagsmandat (über die Landesliste Saarland) nach der Konstituierung des neuen Bundestags am 26. Oktober nicht annehmen.

Kramp-Karrenbauer war Generalsekretärin, danach CDU-Chefin und leitet derzeit noch das Verteidigungsministerium. Altmaier zählt zu den Vertrauten der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel. Er arbeitete als Chef des Bundeskanzleramts für sie, derzeit ist er Wirtschaftsminister.

Beide wollen mit diesem Schritt Jüngeren – Nadine Schön und Markus Uhl – die Möglichkeit geben, in den Bundestag einzuziehen. Doch nach wie vor besteht bei der CDU eine Resthoffnung, dass es zu einem Jamaika-Bündnis kommen könnte. Laschets Handynummer "ist bekannt, auch bei der FDP und den Grünen", sagt Ziemiak. Laschet hatte vor dem Wochenende erklärt, er stehe bis "zur letzten Sekunde" für Regierungsgespräche bereit.

Ampel rückt näher

Aktuell sieht es aber so aus, als müsse sich die Union noch nicht bereithalten. Sozialdemokraten, Grüne und FDP sind in die intensive Phase der Sondierung eingetreten. Am Montag standen zehn Stunden Gespräche auf dem Programm, am Dienstag soll es weitergehen. Bis zum Wochenende hoffen die Verhandler, einen Fahrplan für Koalitionsgespräche vorlegen zu können.

SPD-Vize Kevin Kühnert rechnet damit, dass sich SPD, Grüne und FDP noch in diesem Jahr auf einen Koalitionsvertrag einigen: "Davon gehe ich sehr fest aus. Die Gespräche haben jetzt gut begonnen, sehr vertrauensvoll. Es dringt nichts nach außen. Das ist eine wichtige Grundlage, damit es zackig geht."

Auch in Berlin, wo ebenfalls am 26. September gewählt worden war, hat Wahlsiegerin Franziska Giffey (SPD) die Grünen und die FDP zu Ampelsondierungen gebeten. Derzeit regiert in Berlin ein rot-rot-grünes Bündnis, eine Fortsetzung schließt Giffey aber auch nicht aus.

Meuthen gibt bei der AfD auf

Keine Fortsetzung mehr gibt es für AfD-Chef Jörg Meuthen an der Parteispitze. Er hat angekündigt, bei der Neuwahl der Parteispitze im Dezember nicht mehr zu kandidieren.

Meuthen zählt in der AfD zum vergleichsweise gemäßigteren Flügel und führt die Partei mit Tino Chrupalla, der auch Fraktionschef ist. Zwischen den beiden gib es massive Differenzen. Chrupalla widersetzt sich der Forderung Meuthens, die Vertreter des radikalen Flügels rund um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke kleinzuhalten.

Bei der Wahl hatte die AfD verloren. Sie war 2017 mit 12,6 Prozent als stärkste Oppositionskraft in den Bundestag eingezogen. Diesmal kam sie nur auf 10,3 Prozent. (Birgit Baumann aus Berlin, 12.10.2021)