Abgehängt.

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Glaubt man offiziellen Beteuerungen aus der ÖVP, dann hat Sebastian Kurz mit dem Rückzug vom Amt des Regierungschefs am Samstag nur "einen Schritt zur Seite" getan. Eines Tages werde der Parteichef umso strahlender ins Kanzleramt zurückkehren – sobald sich die schweren Beschuldigungen der Justiz gegen ihn und seine engsten Mitarbeiter als "total falsch" herausstellen würden.

Sebastian Kurz hat mit dem Rückzug vom Amt des Regierungschefs am Samstag nur "einen Schritt zur Seite" getan.
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Als säße sie in der Wagenburg am Ballhausplatz, wo Durchhalteparolen ausgegeben wurden, twitterte Agrarministerin Elisabeth Köstinger noch kurz zuvor: "Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundesregierung wird es ausschließlich mit Bundeskanzler @sebastiankurz an der Spitze geben."

Keine 48 Stunden später sieht die Welt ganz anders aus. Kurz ist weg. Aber die ÖVP-Minister sind immer noch in der Regierung. Alle. Auch Köstinger. Neuer Bundeskanzler wurde Alexander Schallenberg. Der sprach diplomatisch-freundlich über seinen Ex-Chef, no na! Aber Kurzens Chef-Spindoktor, den Medienbeauftragten im Kanzleramt, entfernte er sofort.

Treueschwüre

Das zeigt: Man soll nicht alles glauben, was von ÖVP-Politikern und -Ministern zum weiteren Vorgehen der Partei gesagt wird. Schon gar nicht mehr gelten all die Treueschwüre, die Türkise ihrem bisher mächtigen Obmann leisteten. Seit der Hausdurchsuchung im Kanzleramt und dem Bekanntwerden schockierender Machenschaften von Kurz & Co ist alles anders. Funktionäre an der Basis sind irritiert, welch tiefe Verachtung gegenüber anderen da zum Ausdruck kommt.

Schlimmer: Wähler sind noch mehr angewidert. Die ÖVP steht in Wahrheit vor einer existenziellen Krise, vor dem Absturz. Es kann jederzeit passieren, dass aus den Verschlussakten der Justiz neue Skandale öffentlich werden. Und Kurz ist auf lange Zeit belastet, politisch selbstverbrannt.

ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer sagte der Kleinen Zeitung auf die Frage, ob Kurz je wieder Spitzenkandidat bei Wahlen wird, das sei nur "theoretisch", denn "die gerichtlichen Verfahren, die es abzuwarten gilt, werden mehrere Wahlen überleben". Steirisch-realistisch. Über Kurz schwebt das Damoklesschwert von Prozessen – und dass Beschuldigte auspacken. Unter solchen Umständen kann eine Kanzlerpartei auf Dauer nicht regieren. Die ÖVP muss bald entscheiden, ob Kurz Parteichef bleiben kann. Schützenhöfer ist schon weiter: "Wir konzentrieren uns jetzt auf Alexander Schallenberg." (Thomas Mayer, 12.10.2021)