Beim Weinwandern ist der Wein das Ziel
Foto: Imago / Imagebroker / Katharina Hild

Pro
von Andreas Hagenauer

Was hier stehen sollte: Einstieg mit einem Zitat über das Wandern (ein bisschen bekannt, aber nicht abgedroschen). Eine Ode an die Natur, an die Bewegung (ein bisschen mahnend, aber nicht belehrend).

Die frische Luft ist super. Draußen ist besser als drinnen. Wanderschuhe sind bequem, Wanderlieder sind lustig – und o Gott, diese Aussicht. Dazu ein bis zwei gepflegte Achterln Wein. Alles mit Maß und Ziel. So lässt es sich leben, lange leben.

Was hier steht: Schon als Kind war das Wandern die Hölle, das Epizentrum der Fadesse. "Ein bisschen spazieren", haben die Älteren gesagt. Und: "Such dir einen schönen Stock." Wuff. Es fühlte sich an, wie verkehrt auf die Rückbank eines Autos geschnallt zu werden.

"Der Weg ist das Ziel." Nein, das Ziel ist das Ziel, sonst würde es nicht so heißen. Beim Weinwandern ist der Wein das Ziel, die Sauce auf öder, zerkochter Pasta. Und wenn man von Winzer zu Winzer wackelt und sich aufs nächste, neue (!) Achterln freut, ist die Natur umso schöner.

Kontra
von Regina Bruckner

Ein Glaserl süffigen Veltliners entspannt ans rustikale Fassl gelehnt genießen oder in der Herbstsonne der Toscana die trockene Kehle benetzen.

Zwischen rot-grünen Blättern, knorrigen Weinstöcken und prallen Trauben vor sich hin biberln: Ja wir kennen sie alle, die malerischen Elysien, die uns bunte Illustrierte und hübsche Belangsendungen findiger Touristiker hinzaubern.

Wohl bekomm’s all jenen, die sich betören lassen. Aber in Wahrheit ist es doch so: Gemeinsam mit Horden an Gleichgesinnten streunen bei Schönwetter Lab- und Lustsuchende auf die Weinberge, steigen einander auf die Zehen und gehen den Weinbauern auf die Nerven.

Und seien wir uns ehrlich. Beim Wandern rinnt der ranzige Schweiß über die Stirn und übers bisweilen hochrote Gesicht. Salz mit Wein, das lasse sein! Hat nicht Dionysos davon ein Lied gesungen? Wenn nicht – auch kein Beinbruch. Wer bitte braucht zum Weintrinken das Wandern? Schmeckt ohne doch viel besser. (RONDO, 15.10.2021)