In Traiskirchen und anderen Bundesbetreuungsstellen leben inzwischen wieder fast 600 minderjährige Flüchtlinge – ohne dass jemand für sie das Sorgerecht übernommen hat.

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Wien – Lange herrschte Ruhe um die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden in Österreich. Aufgrund niedriger Antragszahlen und mithilfe einer neuen Organisationsstruktur im Rahmen der unter Türkis-Blau beschlossenen, unter Türkis-Grün umgesetzten Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) schien man diese Aufgabe in den Griff bekommen zu haben.

Nun jedoch scheint der Friede zwischen BBU und Innenministerium getrübt. Am Montag wurde öffentlich, dass der als kompetent und menschenrechtsaffin bekannte BBU-Geschäftsführer Andreas Achrainer seinen Vertrag mit Ende März 2022 gelöst hat. Dies geschehe auf seinen eigenen Wunsch, heißt es dazu aus dem Innenministerium.

Hintergründe der Kündigung

Bei der österreichischen Asylkoordination bezweifelt man das. "Die Hintergründe für den überraschenden Rückzug werfen viele Fragen auf, zumal Achrainer immer für eine menschenwürdige und menschenrechtskonforme Betreuung und Versorgung von Schutzsuchenden in den problematischen Massenquartieren wie Traiskirchen eingetreten ist", heißt es in einer Aussendung.

Noch-BBU-Chef Andreas Achrainer gilt als höchst kompetent.
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"Gespießt haben dürfte es sich bei der Grundversorgung für jugendliche Asylwerber", präzisiert Asylkoordinationsmitarbeiter Herbert Langthaler, "hier gab es zwischen BBU und Ministerium offenbar ein Kommunikationsproblem". Im Ministerium sowie im Büro Achrainers weist man das zurück.

Hilferuf der Quartiergeber

Tatsächlich jedoch kommt dieser Tage ein Hilferuf aus Organisationen, die Wohnprojekte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, sogenannte Fluchtwaisen, betreiben. Mit den in einer Bund-Länder-Vereinbarung festgeschriebenen, seit Jahren unveränderten Tagsätzen seien solche Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche altersgerecht betreut werden können, nicht kostendeckend zu finanzieren.

Für die Betreuung eines minderjährigen Asylwerbers oder einer Asylwerberin stehen pro Tag 95 Euro zur Verfügung. Für andere unter 18-Jährige, die in Österreich etwa in betreuten Wohngemeinschaften leben, sind es zwischen 200 und 250 Euro pro Tag.

Wieder mehr Großunterbringungen

Wegen Geldmangels können Organisationen wie Volkshilfe und Diakonie ihre Asylquartiere für Jugendliche daher nicht wiedereröffnen, die sie in den vergangenen Jahren geschlossen haben. Dabei bräuchte man derlei Einrichtungen angesichts von wieder mehr Asylanträgen dringend.

Das Ministerium hat nun weitere Bundesgroßquartiere wiederbelebt, eines etwa in Steinhaus am Semmering. Mit dem Ergebnis, dass bereits 600 Fluchtwaisen in Bundesunterbringungen ausharren müssen – wo sich die Bezirkshauptmannschaften weigern, die Obsorge für sie zu übernehmen; ein seit Jahren bestehender, kinderrechtswidriger Zustand. (Irene Brickner, 12.10.2021)