"Und, was heißt das jetzt?" Diese Frage stellte eine Journalistin Sebastian Kurz, als dieser am Freitagabend noch einmal erklärt hatte, was er wortgleich schon untertags gesagt hatte: Er bleibe. Die Stellungnahme von Kurz war deswegen so erstaunlich, weil er nach einer pompösen Ankündigung dann nichts Neues verkündet hatte. Der einzige Grund für seinen Auftritt war, dass Vizekanzler Werner Kogler zur selben Zeit von einem "erschreckenden Bild im Zentrum der ÖVP" sprach. Kurz und sein Team wollten Kogler nicht das Heft des Handelns überlassen. Sie wollten die Message-Control nicht abgeben.

Diese Kontrolle war ein wesentliches Merkmal der Ära Kurz. Sein enger Zirkel um seine Berater, um seine Pressesprecher, um seinen Medienbeauftragten überließ nichts, aber auch gar nichts dem Zufall. Jeder einzelne Auftritt von Vertreterinnen und Vertretern des türkisen Teams war genau abgeklärt, jedes Foto so inszeniert, dass es einzig auf das Konto von einem einzahlte: Sebastian Kurz.

Kontrolle war ein wesentliches Merkmal der Ära Sebastian Kurz.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Inhalte waren sekundär, die Themen wurden so gestreut, dass sie dem ÖVP-Parteichef möglichst viel Zustimmung brachten. Und wenn es einmal enger wurde, weil es Vorwürfe oder Beschuldigungen gab, dann war die Schublade voll mit vorbereiteten Ablenkungsgeschichten, die über den Boulevard und soziale Netzwerke so lange gespielt wurden, bis die Algorithmen von Instagram, Facebook und Co die Kritik aus der Timeline spülten.

Mediales Klavier

Legendär sind auch diverse Fernsehinterviews von loyalen Ministerinnen und Ministern, die bis zur Selbstaufgabe auf kritische Fragen von Journalisten mit immer denselben Stehsätzen geantwortet haben. Oder seltsame Pressekonferenzen, bei denen manchmal einfach nur erklärt wurde, dass es in ein paar Tagen eine Pressekonferenz geben wird.

"Stay on the Message!": Auch wenn das belächelt wurde und mitunter auch peinlich war, so hatte der türkise Propaganda-Apparat letzten Endes doch immer wieder Erfolg. Selbst das Nichtssagen wurde oft zur medialen Geschichte, die über Tage Zeitungsseiten und Kommentarspalten füllte. So wurden Ressourcen von Medien gebunden, die echten Skandale gerieten in manchen Medien in den Hintergrund. Keine andere Partei spielte das so exzessiv wie die Kurz-ÖVP. Die eingeschworene Truppe schaffte es über weite Strecken, das mediale Klavier teils so zu bedienen, wie sie wollte. Tarnen und Täuschen war ihre Spezialität.

Stimmen die Vorwürfe in der Inseratenaffäre, dann könnten auch kriminelle Methoden angewandt worden sein. Wenn man bedenkt, dass alles auf Kosten der Steuerzahler geschah, dann wird erst klar, wie perfide die Kurz'schen Meinungsmacher gearbeitet haben.

Nun sind die meisten davon beurlaubt. Sie werden nicht fehlen. Weder dem Land noch dem Journalismus. Spannend wird, wie Kurz ohne diesen Schutzwall funktionieren wird. Der ÖVP und den anderen Parteien ist zu raten, auf derartige Methoden zu verzichten. Alle Medien sollten genau darauf achten.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat dazu aufgerufen, zur Arbeit zurückzukehren. Mit Pandemie und Klimakrise gibt es genug zu tun. Dafür braucht es keine Pseudopressekonferenzen, die Fragen erzeugen, statt Antworten zu liefern. Dafür braucht es eine Politik, die bereit ist, Österreich zu dienen – auch über den kritischen Diskurs. (Rainer Schüller, 13.10.2021)