Wenn es im Wagon leicht rumpelt, dann fährt der Zug wahrscheinlich gerade über eine Weiche. Der Bahnsteig ist vielleicht nicht mehr weit, und die Garnitur wird auf das richtige Gleis geleitet. Die Räder des Wagons gleiten beim Wechsel eine kleine Distanz im Millimeterbereich auf die tiefer liegende Weiche hinunter.

Weichen müssen besonders hohen Anforderungen gewachsen sein. Immerhin donnern Millionen von Zugachsen über sie hinweg. Die eingesetzten Materialien, die den Vorteil haben, dass sie durch die Belastungen härter werden, sollen weiter optimiert werden.
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Am Weichenherz – dort, wo sich zwei Schienen kreuzen und zu einer Spitze zusammenfinden – muss das Material besonders belastbar sein, um die Stöße der tonnenschweren Lasten aufnehmen zu können. Weichen bestehen deshalb aus anderen, noch hochwertigeren Materialien als normale Schienen.

Im Forschungsunternehmen Materials Center Leoben (MCL) arbeiten Forschende daran, die Legierungen, die die Eigenschaften der Weichen bestimmen, noch weiter zu verbessern. Die Auswirkungen der millionenfach wiederholten Belastung durch die Radsätze der Züge werden genau analysiert, um optimierte Materialzusammensetzungen entwickeln zu können. Die Forschungen werden im K2-Zentrum "Integrated Computational Material, Process and Product Engineering" (IC-MPPE) im Rahmen des Comet-Programms der Förderagentur FFG des Klimaschutz- und Wirtschaftsministeriums unterstützt.

Spezieller Stahl

Bereits bestehende Weichen bestehen aus einem speziellen Stahl mit hohem Mangananteil. Dieser Manganstahl hat einen besonderen Vorteil, den Sven Eck, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MCL, als "eine Art Selbstheilungseffekt" bezeichnet. "Das Material reagiert auf jede Last, der es ausgesetzt ist, mit mehr Widerstand. Die Weiche wird durch die Belastungen also härter", erklärt der Forscher.

Gleichzeitig verändert sich die Form, die sich mit der Einsatzdauer mehr und mehr an die Geometrie der Räder, die über sie hinwegdonnern, anpasst. Bei dieser sogenannten Kaltumformung und Kaltverfestigung sorgen Veränderungen in der Kristallstruktur des Materials für eine Verfestigung der Weiche.

Diese Eigenschaften des Materials sollen besser verstanden und den Anforderungen der Bahntechnik entsprechend verbessert werden. Immerhin wären durch eine klimawandelbedingte Verlagerung von Personen- und Güterverkehren auf die Bahn künftig noch höhere Belastungen für die Schienen zu erwarten.

Vorhersagen

In bisherigen Studien wurden die inneren Vorgänge untersucht, um Vorhersagen bezüglich Veränderungen des Materials treffen zu können – Zusammenhänge, die dann Eingang in Simulationsrechnungen fanden.

Sie sollen helfen, neue Materialvarianten zu finden, die den Optimierungszielen entsprechen: Weniger weich sollen die Weichen sein, die schlussendliche Härte dafür noch höher.

Die Verformung sollte am besten nach einer ersten Phase, in der sich die Geometrie an die Belastungen anpasst, stoppen. Nach etwa 10.000 Überrollungen – bei den vielen Achsen einer Zuggarnitur ist dieser Wert nach wenigen Wochen erreicht – soll die Form der Weiche langfristig stabil bleiben.

Materialproben

Eck und Kollegen stellen sich also eine Frage: Wie würden andere Werkstoffe auf die Praxisbelastungen reagieren? Insgesamt 20 Legierungen wurden dafür im Labor gegossen, um sie in Bezug auf die gewünschten Eigenschaften hin zu charakterisieren. Die besten Kandidaten dieser Auslese sollen weiter optimiert werden, erklärt der Forscher. Dazu wird etwa gemessen, wie die Probematerialien auf bestimmte Belastungen reagieren, die Simulationsmodelle werden mit daraus resultierenden Daten gefüttert.

Erreicht eine der Proben die erwünschten Mindestziele, geht man daran, eine Probeweiche in voller Größe – acht Meter Länge und vier Tonnen schwer – zu gießen. Da es noch keine eigenen Prüfstände für Weichen gibt, wird diese Testweiche dann – natürlich allen Sicherheitsvorschriften entsprechend und streng überwacht, wie Eck betont – an einem gut ausgewählten Ort im Schienennetz erprobt. (Alois Pumhösel, 17.10.2021)