Eine langjährige Meinungsforscherin im Sold von Wolfgang Fellner wurde am Dienstag festgenommen – es gilt die Unschuldsvermutung.

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Sie war aus Sicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) "ideal für die Umsetzung des Tatplans geeignet": Meinungsforscherin Sabine B. soll gemeinsam mit ihrer früheren Chefin, Ex-Familienministerin Sophie Karmasin, die zentrale Verbindungsachse zwischen den Brüdern Fellner und dem Team Kurz gewesen sein. Am Dienstag, weniger als eine Woche nach den groß angelegten Hausdurchsuchungen, wurde B. nun festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, kurz vor der Hausdurchsuchung Daten gelöscht zu haben. Die WKStA sieht offenbar Verdunkelungsgefahr, was ein Grund für Untersuchungshaft wäre. Darüber muss ein Haft- und Rechtsschutzrichter entscheiden. Die ermittelnde WKStA gab am Dienstag keine Stellungnahme ab; ebenso wenig tat dies B.s Anwältin. Die Mediengruppe Österreich soll Mitte September laut Recherchen der Presse versucht haben, bei IT-Firmen eine Datenlöschung zu beauftragen – laut Chefredakteur Niki Fellner ging es da um einen "schwerwiegenden Fall von Cyberkriminalität".

Untreueverdacht

Die Mediengruppe Österreich ist ein zentraler Akteur der Affäre. Knapp zusammengefasst geht es in der Causa Inseratenkorruption um den Verdacht der gekauften Berichterstattung, zum Teil auf Basis frisierter Umfragen, die den Türkisen gedient haben sollen – und all das soll an Österreich über Inseratenschaltungen des Finanzministeriums bezahlt worden sein, also mit Geld der Steuerzahler. Beschuldigt ist neben Ex-Kanzler Sebastian Kurz auch dessen engstes Umfeld, auch der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. Chats aus seinem Handy lieferten den Ermittlern wichtige Informationen, die in der vorigen Woche in den aufsehenerregenden Hausdurchsuchungen in Kanzleramt und ÖVP-Zentrale mündeten.

Die Meinungsforscherin und Ex-Familienministerin Sophie Karmasin soll Schmid und Co bei deren Tun unterstützt haben, für die Umfragen war Frau B. zuständig. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Bei der inkriminierten "Medienkooperation" mit Österreich lief es offenbar einmal besser, einmal schlechter. "Gemeinsam sind wir richtig gut", meinte Helmuth Fellner, der Kaufmann in der Mediengruppe Österreich, etwa nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Thomas Schmid. Dann gab es wieder Zoff, weil die von Schmid und Co erwünschte Berichterstattung nicht erfolgte, was ihn "megasauer" machte – und sofort Themen vorschlagen ließ, die er sich wünschte.

Nicht wunschgemäß fiel im Jänner 2017 eine von B. durchgeführte Umfrage aus – doch auch da fanden die inzwischen Beschuldigten aus dem Finanzministerium einen Ausweg. Schmid und Co entschieden, nicht die gesamte Umfrage in Österreich zu veröffentlichen. Das Umfrageergebnis, laut dem der Ruf nach Neuwahlen lauter geworden sei, "bleibt unter Verschluss", ordnete Schmid an. Dafür schrieb Frau B. einen Kommentar, den Text bekamen die Leute im Finanzministerium vorab geschickt. Einer von ihnen hatte B. zuvor auch noch "gebrieft", wie er schrieb.

Damit nicht genug. Die Umfrage selbst soll dann auch noch manipuliert worden sein, wie ein Pressemann Schmid damals wissen ließ: "Und nur für dich: Zahlen sind in Schwankungsbreite frisiert." Schmid fand das "tüchtig". Der Pressemann begründete sein Vorgehen übrigens so: "Wir schneiden schlechter ab als SPÖ. Da habe ich umgedreht."

Bei der Abrechnung und Bezahlung der Umfragen soll es gemäß der WKStA sehr diskret zugegangen sein. Der Name von B., einer langjährigen Mitarbeiterin von Karmasin, sollte wie berichtet nicht aufscheinen, wie Schmid der Meinungsforscherin vorschrieb. Er wollte damit verhindern, dass dieser Konnex in parlamentarischen Anfragen aufgedeckt würde.

Wobei schon im September 2017 in der SPÖ das Gerücht herumgeisterte, dass hinter vielen Umfragen von B.s Institut das Finanzministerium als Auftraggeber stehe, heißt es in einem der insgesamt vier neu in den Akt genommenen Analyseberichten der WKStA. Der damalige Kanzler Christian Kern soll das Journalisten erzählt haben, hatte ein mit Schmid eng befreundeter Medienmann diesem gesteckt. Die Story "fliegt" aber nicht, interessiere kaum wen, analysierte Schmid, sei "zu kompliziert".

Rechnung in Studien gepackt

Doch zurück zu der Abrechnung, bei der Schmid B. wie berichtet einmal angewiesen haben soll, ihre Kosten "in die Studie zur Betrugsbekämpfung" reinzupacken, er wolle "alles über die Studie abrechnen". Im Oktober 2017 drängte Frau B. Schmid bereits, sie habe selbst schon einen Stapel Rechnungen auf dem Tisch, die es zu begleichen gelte. Mit dem zuständigen Pressesprecher im Ministerium hatte B. damals schon alles besprochen, nun brauche sie noch Schmids "finales OK wegen Verteilung der Summen". Schmid, in diesem Fall vorsichtig: "Klar. Aber schick mir nix, bitte."

Aus dieser Zeit ist auch ein interessanter Podcast mit Sabine B. erhalten, der vom mittlerweile stillgelegten Demoskopieblog Neuwal aufgenommen wurde.

Darin beschreibt B. ihr "sehr großes Glück", als "junge Einzelunternehmerin" regelmäßig in Österreich Umfragen veröffentlichen zu können. Ergeben habe sich das laut B. durch ihre Performance im Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016. Ihr sei "Qualität besonders wichtig", die Fragen stimme sie mit Österreich ab. Und warum begann sie als eine der Ersten, neben ÖVP-Chef Mitterlehner auch Sebastian Kurz als Spitzenkandidat abzufragen? Es sei "interessant" gewesen, das Potenzial zu erheben. Ob B. den Ermittlern nun eine andere Geschichte erzählt als Neuwal, wird sich weisen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 11.10.2021)