Die Identitären, hier bei einer Kundgebung in der Wiener Innenstadt 2019, finden sich ebenfalls auf der Facebook-Liste.

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Wie "The Intercept" jetzt berichtet, führt Facebook seit Jahren eine geheime Liste mit dem Titel "Gefährliche Personen und Organisationen". Die darin gelisteten Personen und Organisationen sind auf der Social-Media-Plattform gesperrt, und auch die positive Erwähnung ihrer Namen kann zu einer Sperrung auf Facebook führen. Neben zahlreichen international bekannten Terrororganisationen finden sich auf der Liste auch zahlreiche Namen aus dem deutschsprachigen Raum.

4.000 Namen

Angelegt wurde die Liste offenbar im Jahr 2012, als die Angst der USA, Terroristen könnten sich über soziale Netzwerke abstimmen und neue Kandidaten anwerben, offenbar Facebook zu dieser Datensammlung zwang. Veröffentlicht sollte die Liste nie werden, da der US-Konzern um die Sicherheit seiner Mitarbeiter besorgt war und den aufgezählten Organisationen und Personen nicht die Tür zu etwaigen Umgehungen der Sperren aufmachen wollte.

Unabhängig von diesen Bedenken hatte das Aufsichtsgremium des US-Konzerns laut "The Intercept" mehrfach gefordert, die Liste aus Gründen des "öffentlichen Interesses" zu veröffentlichen. Mehrere Sicherheitsexperten werden in dem Bericht ebenfalls zitiert, die darauf hinweisen, dass Facebook seinen Nutzern nicht vorschreiben könne, über manche Organisationen nichts zu schreiben, die Namen dieser Organisationen aber vorab nicht zu nennen.

Ein Experte weist auch auf den Umstand hin, dass die Liste eindeutig eine "Verkörperung der amerikanischen Ängste nach dem 11. September 2001" sei. Alleine 1.000 Einträge stammen demnach aus einer Liste der US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush, die als "Specially Designated Global Terrorists" geführt werden. Kommentare zu "weißen Milizen" würden deshalb weitaus lockerer gesehen als Kommentare zu Gruppen, die aus dem Nahen Osten oder Südasien stammen. Das ergebe sich aus einer Gewichtung, die durch Kategorien festgelegt wurde. In Kategorie eins fänden sich primär etwa islamistische Terrorgruppen aus der ganzen Welt oder auch lateinamerikanische Kartelle. Rechtsradikale US-Gruppen seien vor allem in der als weniger gefährlich angesehenen Kategorie drei angesiedelt.

Die Kategorien sind auch insofern nicht unwesentlich, als zu Organisationen aus Kategorie eins von Nutzern auf Facebook gar nichts geschrieben werden darf, während die Nutzer zumindest gewaltfreie Aktionen von Organisationen oder Personen aus Kategorie drei gutheißen dürfen. In einem Statement von Facebook gegenüber "The Intercept" heißt es, dass man beim Vorgehen gegen rechtsradikale Gruppen weitaus aggressiver sei als etwa die US-Regierung. "Religion, Region oder politische Einstellung oder Ideologie" hätten keinen Einfluss auf die Einstufung, so Facebook.

Zweierlei Maß

Die zitierten Experten sehen das anders. "Die Liste schafft zwei unterschiedliche Systeme, mit den schwersten Strafen für muslimische Regionen und Gemeinschaften", wird Faiza Patel von der Organisation Brennan Center for Justice zitiert. "Muslime werden in dieser Liste als gefährlicher als andere eingestuft." Hassgruppen, die als antimuslimisch gelten, fänden sich hingegen kaum in der Facebook-Liste.

Laut Patel gibt es noch zahlreiche andere Probleme. So könne man kein weltweites Raster anlegen, das für alle Regionen gleich gelte. Was von den USA aus wie eine Verherrlichung aussehe, könne in den betroffenen Regionen selbst oft vielschichtiger gesehen werden und dort zu einer Diskussion führen. Das sei unter den gegebenen Umständen aber nicht möglich, so Patel.

Deutschsprachige Einträge

Aus dem deutschsprachigen Raum finden sich ebenfalls einige Einträge, etwa zur Jugendorganisation der NPD, zur Identitären Bewegung oder zu der verbotenen Neonazi-Gruppe Nationaler Widerstand Dortmund. Auch zahlreiche Bands finden sich auf der Liste, etwa Kategorie C oder Landser. Unter den Personen finden sich etwa der mehrmals verurteilte deutsche Neonazi Christian Worch, der österreichische Identitäre Martin Sellner und der kürzlich verstorbene Funktionär der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei, Siegfried "SS-Siggi" Borchardt. (red, 13.10.2021)