Judith Schwentner (Grüne), Michael Ehmann (SPÖ) und Elke Kahr (KPÖ) am Mittwoch in Graz.

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Was sich seit dem Wahltag in Graz abgezeichnet hat, nimmt jetzt konkrete Formen an: Die steierische Landeshauptstadt steuert auf eine linke Stadtregierung zu. KPÖ, Grüne und SPÖ starten ab sofort mit konkreten Koalitionsgesprächen. Graz könnte also erstmals von einer weiblichen Doppelspitze – von KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr und der grünen Vizebürgermeisterin Judith Schwentner – geführt werden.

Damit gingen lange Jahre der ÖVP-Vorherrschaft zu Ende. Die ÖVP – seit 2003 Bürgermeisterpartei – hatte bei der Gemeinderatswahl am 26. September mit Bürgermeister Siegfried Nagl ein historisches Debakel erlebt und war von 38 auf 25,9 Prozent abgestürzt, die KPÖ schnellte von 20 auf 28,8 Prozent hoch.

Damit erhielt die KPÖ drei Stadtsenatssitze, die ÖVP zwei, die Grünen und die FPÖ je einen. KPÖ und Grüne haben also in der Stadtregierung eine Mehrheit, diese fehlt allerdings noch im Gemeinderat. Diese dürfte in Hinkunft die SPÖ liefern, die in die Koalitionsverhandlungen zwischen der KPÖ und den Grünen eingebunden wird.

Ein neuer Stil

Das Credo der – wahrscheinlich – neuen Grazer Stadtkoalition: "Wir wollen einen neuen Stil pflegen, der zugunsten der Menschen in unserer Stadt ausfällt und niemanden ausschließt", sagte Elke Kahr am Mittwoch in einer Pressekonferenz von KPÖ, Grünen und SPÖ.

"Es ist nicht verwunderlich, dass die größten Überschneidungen mit Grünen und der SPÖ zu sehen sind", ergänzte die KPÖ-Chefin. In den nächsten zwei Wochen gebe es nun vertiefende Gespräche, danach werde die Öffentlichkeit über das Ergebnis informiert. Danach stünden detaillierte Koalitionsverhandlungen auf dem Plan.

Judith Schwentner bekräftigte, dass es einen "klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler" gebe, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Die ersten Gespräche seien positiv verlaufen – auch inhaltlich in Sachen Stärkung der großen Bereiche Soziales und Klimaschutz. Schwentner betonte, dass ihre Partei von Anfang an für eine "stabile Zusammenarbeit, eine verbindliche fixe Koalition" eingetreten sei.

Auch SPÖ-Chef Michael Ehmann zeigte sich mit den bisherigen Gesprächen zufrieden, vor allem für die Möglichkeit, "die Ideen der SPÖ für ein lebenswerteres Graz einsetzten zu können. Es tut Graz gut, einen neuen politischen Stil an den Tag zu legen, wenn man sich anschaut, was da rundherum passiert", sagte Ehmann in Richtung der Verwerfungen in der Bundes-ÖVP. Ehmann denkt nach seiner neuerlichen Wahlschlappe jedenfalls jetzt nicht mehr an einen Rückzug.

Trio will ÖVP einbinden

Kahr und Schwentner unterstrichen unisono, dass auch die ÖVP – die durch das Proporzsystem ohnehin über zwei Stadträte verfügt – eingebunden werde. Es sollen mit der Volkspartei Gespräche über einzelne "Bereichskoalitionen" geführt werden, die aber nichts an einer verbindlichen rot-grün-roten Koalition ändern würden.

Der designierte ÖVP-Chef und Nachfolger von Bürgermeister Siegfried Nagl, Stadtrat Kurt Hohensinner, zeigte sich irritiert über die Koalitionsgespräche von KPÖ-Grünen und SPÖ:

"Wir sind erstaunt, dass wir gestern noch drei Stunden mit der KPÖ verhandelt und einen vertiefenden Folgetermin vereinbart haben, und heute die Ankündigung über konkrete Verhandlungen einer rot-rot-grünen Koalition aus den Medien erfahren müssen. Wir nehmen aber die Entscheidung zur Kenntnis, dass nun versucht wird eine Koalition weit links der Mitte zu bilden." Elke Kahr sei nun "in der Pflicht und muss für Graz liefern. Wir sind gespannt darauf, welche konkreten Projekte und Vorhaben präsentiert werden. Bisher war dazu trotz unserer Versuche im Rahmen des 30-Fragen-Katalogs noch sehr wenig von der KPÖ zu erfahren."

Kassasturz

In den nächsten zehn Tagen wollen die drei Parteien den Fokus auf die Finanzen der Stadt legen und auch einen "Kassasturz" bei den Beteiligungen vornehmen. "Wir müssen uns ein Bild der Finanzen der Beteiligungen zu machen", sagten Kahr, Schwentner und Ehmann. Vieles an Projektfinanzierungen der Stadt ist ja über die Grazer Holding gelaufen.

Man wolle, so Kahr, in Graz auch die Ausgaben für die Kommunikation der Parteien zurückschrauben. Es dürfe nicht weiter um "Selbsthuldigung und Selbstdarstellung" gehen.

Die FPÖ ist empört

Die Reaktion der Blauen folgte wenige Minuten nach Ende der Pressekonferenz. FPÖ-Chef Mario Eustacchio gab sich empört über die sich abzeichnende linke Stadtregierung: "Über Jahre hinweg war den linken Parteien die konsequente Bevorzugung der eigenen Bürger ein Dorn im Auge. Nun werden die Errungenschaften der FPÖ rückabgewickelt. Ein inländerfeindlicher Politikstil, der nicht die Interessen der eigenen Bevölkerung in das Zentrum stellt, wird in Graz zurückkehren. Die Bevorzugung österreichischer Staatsbürger im Gemeindebau wird bald Geschichte sein, und eine grüne Verbotspolitik wird dem Wirtschaftsstandort Graz schweren Schaden zufügen." (Walter Müller, Colette M. Schmidt, 13.10.2021)