Christian Hafenecker (FPÖ, links), Jan Krainer (SPÖ, Mitte) und Nikolaus Scherak (Neos, rechts) drängen auf einen neuen U-Ausschuss.

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Die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos haben sich auf einen neuen Untersuchungsausschuss geeinigt. Der Antrag wurde am Mittwochabend im Nationalrat eingebracht.

Während sich der beendete Ibiza-U-Ausschuss noch mit Korruptionsvorwürfen zur türkis-blauen Regierung befasste, soll sich der neue ganz auf die Kanzlerpartei konzentrieren. Als einprägsamer Titel schwebt der Opposition vor: ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss. In der Begründung führen die Abgeordneten aus, dass die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Belege "für ein System des parteipolitischen Missbrauchs öffentlicher Gelder und Strukturen unter der Führung von Sebastian Kurz und seinen Gefolgsleuten sämtliche Befürchtungen übertreffen". Das bisher Bekannte sei womöglich nur "die Spitze des Eisbergs". Der U-Ausschuss soll dort ansetzen und die Aufklärungsarbeit des Ibiza-U-Ausschusses fortsetzen, heißt es.

Vier Themen und langer Zeitraum

Als genereller Untersuchungsgegenstand wird das "Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes" beschrieben. Der Untersuchungszeitraum soll primär von Dezember 2017 – dem Antritt von Türkis-Blau – bis jetzt reichen. Allerdings will die Opposition überdies die "Vorbereitungshandlungen" für eine Machtübernahme des Kurz-Zirkels auf Basis des "Projekts Ballhausplatz" einbeziehen. Damit würde sich der Zeitraum bis 2014 zurück erstrecken.

Die von Rot, Blau und Pink angestrebte Untersuchung dröseln sie in vier Beweisthemen auf. Direkt an die jüngste innenpolitisch-strafrechtliche Causa knüpft das erste Thema an: die "Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren". Dabei soll es etwa um die Einflussnahme von ÖVP-Leuten auf die Vergabe von Meinungsforschungsaufträgen und staatlich finanzierten Studien gehen, von denen mutmaßlich die ÖVP oder ihre Entscheidungsträger profitierten. Besonderes Interesse erfährt dabei die Inseratenbuchung aus dem Finanzministerium bei der Zeitung Österreich im Zusammenspiel mit der mittlerweile festgenommenen Meinungsforscherin B.

Wie schon im Ibiza-U-Ausschuss soll auch die Einflussnahme auf staatsnahe Unternehmen wieder Stoff für Nachfragen sein. So soll beispielsweise der Informationsfluss zwischen Ex-Kanzler Kurz und Akteuren des Finanzministeriums rund um Postenbesetzungen bei der Staatsholding Öbag (weiter) untersucht werden.

Ein drittes Thema verortet die Opposition im vermuteten ÖVP-Einfluss auf Justizermittlungen – etwa durch Ministerkabinette oder hohe Beamte wie Ex-Sektionschef Christian Pilnacek. Aus aktuellem Anlass soll es dabei auch um mutmaßliche Leaks von Razzien an Beschuldigte aus dem türkisen Umfeld in der Inseratenaffäre gehen. Auch der vergangene U-Ausschuss soll nachbetrachtet werden, indem die Gründe für die verschleppten und erst auf Exekution des Bundespräsidenten erfolgten Aktenlieferungen des Finanzministers unter die Lupe genommen werden.

Grüne reagieren wohlwollend

Viertes Thema ist die mutmaßliche Begünstigung von ÖVP-Vertrauten bei Postenbesetzungen im Bund. Die Opposition erhofft sich neue Erkenntnisse über parteipolitisch maßgeschneiderte Ausschreibungen und die Beförderung unterqualifizierter Parteigänger in hohe Staatspositionen.

Bis der U-Ausschuss zu arbeiten beginnen kann, wird es aber noch einige Monate dauern. Die Einsetzung des Ausschusses ist ein Minderheitenrecht, die Zustimmung eines Viertels der Abgeordneten reicht. Nach dem Beschluss des Verlangens im Nationalrat könnten die Regierungsfraktionen aber versuchen, den Untersuchungsgegenstand zu beeinspruchen. Grundsätzlich muss ein U-Ausschuss laut Gesetz einen "abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes" behandeln. Ob dieses Kriterium erfüllt ist, müsste im Zweifelsfall der Verfassungsgerichtshof klären, was für Verzögerung sorgen könnte. Beim Ibiza-U-Ausschuss wollte Türkis-Grün die Beweisthemen beschneiden, blitzte damit aber beim Höchstgericht ab.

SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer sagte bei einer Pressekonferenz mit Christian Hafenecker (FPÖ) und Nikolaus Scherak (Neos), er rechne nicht damit, dass die Regierungsparteien die Opposition diesmal wieder blockieren, zumal der Untersuchungsgegenstand juristisch "sehr genau" formuliert sei.

Die Reaktion der Grünen fiel wohlwollend für den Ausschuss, aber scharf Richtung ÖVP aus: Man begrüße die Aufklärung der "Machenschaften" rund um Inserate und mutmaßlichen Steuergeldmissbrauch.

Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger vermutet hinter dem Antrag dagegen "reines Anpatzen der ÖVP aus machtpolitischem Kalkül". Seine Partei werde das Verlangen genau prüfen. Er bezweifle, dass es im U-Ausschuss um Aufklärung gehen werden. (Theo Anders, 13.10.2021)