In den meterhohen Schichten von Minenschutt kann ein Archäologe schon mal auf tausende Jahre alte Exkremente stoßen. Ein Glücksfund?
Foto: D. Brander, H. Reschreiter / NHMW

Die Gegend um Hallstatt ist nicht nur landschaftlich von der Seeoberfläche bis zu den alpinen Berggipfeln ein Genuss. Sie zählt zum Unesco-Welterbe, denn hier lässt sich die kulturelle und wirtschaftliche Tätigkeit der Menschen besonders gut dokumentieren. Die Gewinnung von Salz aus Bergwerken geht Jahrtausende zurück, und vor allem in der Eisenzeit florierte die Kultur – die Epoche von 800 bis 400 Jahren vor unserer Zeitrechnung wird gar als Hallstattkultur bezeichnet, die weite Teile Europas prägte.

Hier ist schon der eine oder andere Archäologentraum wahr geworden, etwa am Gräberfeld, das im 19. Jahrhundert entdeckt wurde und wo man neben Skeletten und Urnen auf diverse Grabbeigaben stieß. In den prähistorischen Bergwerken wühlen sich Fachleute immer wieder durch meterhohe Schuttschichten. Wenn sie Glück haben, stoßen sie dabei schon mal auf menschlichen Kot.

Diese Stuhlprobe aus den Hallstätter Salzminen ist rund 2.600 Jahre alt. Sogar mit freiem Auge kann man Bohnen, Hirse und Gerste erkennen.
Foto: Anwora/NHMW

"Einzigartige Schatzgrube"

Das klingt zunächst nicht nach der Dosis Endorphine, die man sich im Laufe eines langen Grabungstages im dunklen Erdspalt herbeisehnt. Für Kerstin Kowarik vom Naturhistorischen Museum Wien machen Funde wie die eisenzeitlichen Exkremente "die archäologische Stätte zu einer einzigartigen Schatzgrube für die Forschung": Die Bedingungen in der Mine sind durch den hohen Salzgehalt und die konstante Temperatur von acht Grad besonders gut.

Dadurch können wir uns sogar den Alltag eines damaligen Hallstätters ein bisschen besser vorstellen – vor allem seinen Speiseplan. Am Salzberg wurde bisher keine Siedlung aus dieser Zeit gefunden. Dafür haben sich in den Stollen unter anderem Fäkalien erhalten, die statt Herdresten von den Jausen der Bergarbeiterinnen und Bergarbeiter (auch Kinder wurden schon zur Arbeit eingespannt) erzählen können.

Schimmelpilz und Hefe

Nach früheren Untersuchungen nahm nun eine Forschungsgruppe um Kowarik die Stuhlprobe besonders genau unter die Mikroskoplupe. Außerdem stellte sie fest, welche Proteine und genetische Spuren der Kot enthält. Besonders aufschlussreich war die Suche nach Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen, die eine Überraschung für die Forschenden in petto hatte: Sie stießen auf größere Mengen an Pilz-DNA, die von den Arten Penicillium roqueforti und Saccharomyces cerevisiae stammt.

Vor 2.700 Jahren verzehrten Bergarbeiterinnen und Bergarbeiter im Salzkammergut Blauschimmelkäse. Ob er wie heutiger Roquefort oder Gorgonzola schmeckte, bleibt unklar.
Foto: imago/Westend61

Roqueforti und cerevisiae – die Artbezeichnung zeigt bereits, welche Lebensmittel hinter den Mikroorganismen stecken. Den Schimmel- und den Hefepilz machen sich Menschen beim Fermentieren zunutze, das Ergebnis: Blauschimmelkäse und Bier. In Europa könnte man schon vor 6.000 Jahren Bier gebraut haben, darüber hinaus wohl bereits vor mehr als 9.000 Jahren. Milch könnte in einem ähnlichen Zeitraum von unseren Vorfahren zu Jogurt und Käse verarbeitet worden sein, altägyptische Schriften weisen auf solche Prozesse hin. Aber mit diesem Ergebnis ist es dem Forschungsteam gelungen, den ältesten Nachweis für den Konsum von Blauschimmelkäse – vor 2.700 Jahren – zu erbringen. Und den ersten Nachweis von Bierkonsum im Europa der Eisenzeit.

Viel Getreide und etwas Blutwurst

Das Ergebnis wirft ein neues Licht auf das Leben der Salzbergleute von Hallstatt, sagt Kowarik: "Es wird immer deutlicher, dass prähistorische kulinarische Praktiken nicht nur hoch entwickelt waren, sondern auch, dass komplex verarbeitete Lebensmittel und die Technik des Fermentierens eine herausragende Rolle in unserer frühen Ernährungsgeschichte gespielt haben."

Die in der Studie analysierten Bergwerk-Stuhlproben stammen aus der Bronzezeit (links; circa 1200 vor unserer Zeitrechnung), der Eisenzeit (Mitte links/Mitte rechts; circa 600 vor unserer Zeitrechnung) und aus dem 18. Jahrhundert.
Bild: Eurac Research/Frank Maixner

Das Forschungsteam identifizierte Bestandteile mehrerer Getreidesorten, die den größten Anteil einnahmen. Man ernährte sich also faser- und kohlehydratreich. Dafür liefert auch das Darm-Mikrobiom Hinweise. Hinzu kamen Proteine aus Saubohnen, gelegentlich auch Früchte, Nüsse und tierische Lebensmittel. Dazu gehörte auch Rinderblut, wie die Forschenden zeigen: Womöglich nahm die Person, die die Stuhlprobe im Bergwerk hinterlassen hat, eisenzeitliche Blutwurst zu sich.

Moderne Ernährungsumstellung

Doch in der Studie, die das Team nun im Fachjournal "Current Biology" veröffentlichte, spielt auch der Vergleich mit jüngeren Stuhlproben eine Rolle. Diese reichen bis in die Barockzeit im 18. Jahrhundert. Vor rund 300 Jahren war das Getreide, das ein Bergmann zu sich nahm, wesentlich feiner gemahlen. Wahrscheinlich verzehrte er keinen groben Getreidebrei wie die Menschen im sechsten oder siebten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, sondern Brot oder Kekse.

Interessanterweise ist sein Mikrobiom dem unseren aber gar nicht so ähnlich. Es hat sogar mehr Ähnlichkeiten mit den Mikroorganismen, die vor 5.300 Jahren Ötzis Darm besiedelten, sagt Frank Maixner vom Bozner Forschungszentrum Eurac Research, der sowohl den Eismann als auch die Bergleute mikrobiologisch untersuchte: "Wenn Menschen vor 300 Jahren noch ein Mikrobiom wie ihre Vorfahren vor tausenden Jahren in sich trugen, würde das bedeuten, dass es hier in relativ kurzer Zeit zu großen Veränderungen kam." Die Lebewesen in unserem Darm haben sich also relativ rasch an andere Lebensmittel, einen veränderten Lebensstil sowie medizinische Versorgung angepasst, die allesamt mit dem Industriezeitalter einhergingen. (sic, 13.10.2021)