Junge Frauen wie diese hier in Schanghai sollen sich in ihren Heimatdörfern um alleinstehende ältere Männer kümmern. Das zumindest wünschen sich Parteikader in der Provinz Hunan.

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Männer haben im 21. Jahrhundert einen schweren Stand. Sie sind schlechter in der Schule, sterben aufgrund ihres risikoaffinen Verhaltens früher, und der jahrtausendealte Vorteil gegenüber Frauen, Körperkraft, zählt im Informationszeitalter nicht mehr viel. In China ist das nicht anders. Besonders hart trifft es die Untergruppe "alleinstehende Männer in ländlichen Gebieten".

Das Problem ist so groß, dass lokale Parteikader in der Provinz Hunan es für nötig erachten, sich dessen anzunehmen. "Das Thema alternder unverheirateter Männer ist langsam kein individuelles Problem mehr, sondern wird zu einem gesellschaftlichen." Man wolle deswegen "darauf hinarbeiten, dass mehr junge Frauen in ihren Heimatdörfern bleiben".

"Nur Bettwärmer und Babymaschinen?"

So weit, so gut. Daraus machte dann eine Lokalzeitung einen Artikel mit der Überschrift "Es ist notwendig, die Betten älterer alleinstehender Männer zu wärmen". Und da platzte dann auch vielen Frauen im sonst gründlich zensierten chinesischen Internet der Kragen. "Frauen sind also nur Bettwärmerinnen und Babymaschinen?", fragte eine erboste Userin.

Die Aufregung steht für vieles, was (abgesehen von einem implodierenden Immobiliensektor und einer Hightech-Diktatur mit Arbeitslagern, in denen eine Million Uiguren inhaftiert werden) gerade nicht so gut läuft in China. Es gibt zu wenige Frauen. Und zwar ungefähr 30 Millionen. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern ist eine Folge der Ein-Kind-Politik.

Mädchen gehen leer aus

Da Haus und Hof in China traditionell nur an einen männlichen Nachkommen vererbt werden konnten, griffen viele Bauern auf die Methode pränataler Diagnostik zurück und ließen weibliche Föten abtreiben. In der Folge kamen in den 1980er-Jahren wesentlich mehr Buben als Mädchen zur Welt, und die gehen heute leer aus.

Und noch etwas kommt hinzu: Auch in China ist die gesellschaftliche Aufwärtsmobilität junger Frauen stärker als bei Männern. Zwar gibt es auch im Sozialismus so etwas wie traditionelle Rollenbilder. Vielen jungen Frauen besonders in den boomenden Metropolen an der chinesischen Ostküste aber ist es gelungen, Karriere zu machen.

Keine Lust auf Heirat

Dementsprechend wenig Lust haben sie, das Bett alternder Männer auf dem Land zu wärmen. Laut einer Umfrage der Kommunistischen Jugendliga Chinas hat fast die Hälfte der chinesischen Frauen gar kein oder nur wenig Interesse daran, überhaupt zu heiraten. Nur ein Viertel der Männer hat ähnliche Ansichten.

Dass Frauen in China am längeren Hebel sitzen, zeigt sich auch auf dem Heiratsmarkt. Da romantische Liebe als Konzept in der Volksrepublik eher neu ist und sich erst langsam als Grund für eine Heirat etabliert, zählt nach wie vor Handfestes: Eine Eigentumswohnung (besser zwei), ein Auto und ein sechsstelliges Jahresgehalt sollte ein Bewerber schon mitbringen, um auch das Okay der Schwiegereltern in spe zu bekommen.

Noch mehr frieren als sonst

Viele Männer leiden unter diesem Druck. Und zu guter Letzt dürfte der Winter für sie besonders unangenehm werden: Nachdem die Kohlepreise in den vergangenen Wochen rasant gestiegen sind, wurde zuletzt der Strom reduziert. China bezieht nach wie vor mehr als 60 Prozent seiner Energie aus Kohle. Die Kraftwerke können nicht ohne massive Verluste weiterheizen. Die Verbraucher sind jetzt dazu angehalten, Strom zu sparen. Wer diesen Winter alleine ist, könnte also nachts richtig frieren. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 14.10.2021)