B. soll am Tag vor der Hausdurchsuchung am Mittwoch die Daten einer Festplatte gelöscht haben.

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Am Dienstag erfolgte die erste Festnahme in der Inseratencausa rund um ÖVP-Chef Sebastian Kurz und seinen engsten Kreis: Im Fall der beschuldigten Meinungsforscherin Sabine B. bestehe Verdunkelungsgefahr, hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erklärt. Donnerstagfrüh teilte die WKStA dem STANDARD auf Anfrage mit, dass sie "keinen U-Haft-Antrag gestellt" habe. "Die Voraussetzungen, die bei der Festnahme vorgelegen sind, liegen nicht mehr vor", sagte ein Sprecher. Demnach sei die Verdunkelungsgefahr weggefallen. B. wurde enthaftet. Weitere Details wurden mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht bekanntgegeben.

Die Causa im Überblick.

Frage: Was wird B. konkret vorgeworfen?

Antwort: Die Meinungsforscherin soll, so lautet zumindest der Vorwurf der WKStA, frisierte Umfragen für die Tageszeitung "Österreich" erstellt haben, die Altkanzler Kurz bzw. der ÖVP zugutegekommen seien. Damit werden ihr Beitragstäterschaft zu Untreue und Bestechung vorgeworfen, wobei sie das offenbar bestreitet. DER STANDARD betont, dass die Unschuldsvermutung gilt.

Frage: Warum wurde die Meinungsforscherin festgenommen?

Antwort: Offiziell wurde bisher weder von der WKStA noch von B.s Anwältin der genaue Grund für B.s Festnahme kommuniziert. Dem Vernehmen nach ortet die WKStA Verdunkelungsgefahr – also die Gefahr, dass B. mögliche Taten verschleiert, indem sie etwa Beweise vernichtet oder andere involvierte Personen beeinflusst. In der Praxis hat die Staatsanwaltschaft oft die Sorge, dass sich Beschuldigte untereinander absprechen. Die Justiz kann dem entgegenwirken, indem sie die Beteiligten so rasch wie möglich befragt. Sollten sie später von ihrer ursprünglichen Version abweichen, wird ihnen weniger Glauben geschenkt.

Daten angeblich gelöscht

Frage: Wieso befürchtet die Staatsanwaltschaft eine Verschleierung?

Antwort: B. soll am Tag vor der Hausdurchsuchung am Mittwoch die Daten einer Festplatte gelöscht haben. Daraus ließe sich der Verdacht einer Beweismittelunterdrückung ableiten, wie Strafrechtsprofessor Valentin Schroll von der Wirtschaftsuniversität Wien auf Anfrage des STANDARD erläutert. Festnahme und Untersuchungshaft sind immer nur dann möglich, wenn andere, gelindere Mittel nicht zum Ziel führen würden. Es kursiert zudem das Gerücht, dass B. über die bevorstehende Hausdurchsuchung informiert worden sei.

Frage: Wovon hängt es ab, ob eine U-Haft verhängt wird?

Antwort: Grundsätzlich wird sie nur genehmigt, wenn ein Richter oder eine Richterin befindet, dass eine dringende Verdachtslage besteht. Neben Verdunkelungsgefahr kommen als U-Haft-Grund auch Tatbegehungs- und Fluchtgefahr infrage.

Frage: Wie kam B. überhaupt in Kontakt mit der ÖVP?

Antwort: Die Meinungsforscherin war eine enge Vertraute der früheren Familienministerin Sophie Karmasin. Bis 2015 war sie bei der Agentur Karmasin Motivforschung tätig. Kooperiert wurde auch mit dem Gallup-Institut – wo B. 2015 fristlos entlassen wurde. Später gründete sie ihr eigenes Institut.

Arbeitsrechtliche Gründe

Frage: Warum wurde sie fristlos entlassen?

Antwort: Michael Nitsche, Geschäftsführer des Gallup-Instituts, sagt dem STANDARD, er könne Personalangelegenheiten aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht genauer erläutern. Nitsche hat das Institut, das zuvor teilweise der Familie Karmasin gehörte, nach 2014 gekauft. Daraufhin bemühte man sich um eine Distanzierung von der Politik, weswegen man sich unter anderem von Teilen des Teams trennte. Der Entlassungsgrund habe "nichts mit den im Raum stehenden Vorwürfen zu tun".

Frage: Könnte B. der ÖVP in den Rücken fallen und gegen die anderen Beschuldigten aussagen?

Antwort: Theoretisch schon. B., die nicht – wie etliche türkise Beschuldigte – von Werner Suppan vertreten wird, könnte eine andere Strategie fahren. Ein Geständnis würde eine Strafe zwar nicht aufheben. Aber: Je früher und ausführlicher jemand gesteht, desto milder fällt üblicherweise das Urteil aus. Als Kronzeugin könnte B. jedoch nicht mehr aussagen.

Frage: Warum nicht?

Antwort: Der Status als Kronzeuge oder Kronzeugin erfordert strenge Voraussetzungen: Verdächtige müssen ein freiwilliges Geständnis ablegen und mit der Staatsanwaltschaft kooperieren – und zwar in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens. Wurden Zwangsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen gesetzt, kann man nicht mehr Kronzeuge werden. Die in der aktuellen Causa bereits bekannten Beschuldigten sind so gesehen raus. (Muzayen Al-Youssef, Jakob Pflügl, 14.10.2021)