Clemens Bacher steckt Fantasie in den Club.

Foto: Mato Johannik

Einziger Kritikpunkt gleich vorneweg: Ein Album Songs of Vienna nennen, und dann hat’s nicht einmal einen Walzer, Frechheit! Dabei wäre für einen ausgebildeten Jazzschlagzeuger wie Clemens Bacher alias Cid Rim der Dreivierteltakt wohl die leichteste aller Übungen gewesen. Aber Spaß beiseite, es geht ja nicht darum, was man kann, sondern, was man will. Und Clemens Bacher will auf seinem schillernden, am Freitag erscheinenden Album, dass seine Hörer wie auf LSD in clubtauglichen vier Vierteln durch die Hauptstadt wirbeln – den passenden Sound dafür stellt er zur Verfügung.

Cid Rim legt mit Songs of Vienna seinen zweiten Longplayer auf dem schottischen Label LuckyMe vor; daneben veröffentlicht der gebürtige Wiener auch auf den heimischen, für anspruchsvolle Elektronik bekannten Affine Records neben Kollegen wie Dorian Concept, Wandl oder Mieux.

Als Remixer für Acts wie Chvrches und The 1975 machte er sich international einen Namen, sein Debütalbum Material, das 2017 erschien, fanden coole Leute cool. Sprich: Es blieb zwar hinter den Erwartungen zurück, man spürte aber, was es mit einem Alzerl mehr Mut hätte sein können.

Cid Rim

Songs of Vienna löst diese Wünsche nun vollumfänglich ein. Schon der Opener Paul’s hat es in sich. Der Track beginnt noch ganz harmlos mit einem flotten, einfachen Beat. Sobald sich aber der Synthesizer dazugesellt, der klingt, als hätte sich ein unzurechnungsfähiger Dudelsack selbstständig gemacht, weiß man nicht mehr so recht, wie einem geschieht. Gegen Ende löst sich die eigentlich fröhliche Grundstimmung der Nummer in Luft auf – der dudelige Synth verabschiedet sich in den Hintergrund, ein Chor von Seelen, die sich in die Cloud hochgeladen haben, scheint zu übernehmen.

Schnee von heute

Und damit steht man schon knietief in einem stark psychedelisch anmutenden Album, das ständig zwischen Utopie und Dystopie changiert. Es liefert einen völlig eigenständigen Soundtrack für eine Postapokalypse, die sich Cid Rim mal bedrohlich und hart (großartig: The Marrow), mal wie einen wohlig warmen (Rain) Neuanfang vorstellt. Das mit dem Weltuntergang ist gar nicht so weit hergeholt, Bacher macht sich jedenfalls Gedanken zur Zukunft der Menschheit. "We get to walk on the last snow", singt er auf Last Snow und auch die Zeile "It might take us too long", auf Too Long das verdächtig nach Hot Chip klingt), die er wie ein Mantra wiederholt, dürfte ein Kommentar auf die Klimakrise sein.

Cid Rim

Apropos Singen: Das tut Cid Rim auf Songs of Vienna erstmals selbst, wobei er seine Stimme genauso verfremdet wie die anderen Instrumente. Erfahrungsgemäß gewinnen Bachers Kompositionen live noch einmal stark, wenn er sich dann an den Drums durch die dichten, kaleidoskopartigen Melodien prügelt.

Microgedost wurde auf Songs of Vienna zum Glück nicht. Das Album ist ein ordentlicher Trip. (Amira Ben Saoud, 15.10.2021)