Noch-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz brachte seinen Antrag auf Gebührenerhöhung im ORF-Stiftungsrat durch.

Foto: APA/Schlager

Wien – Das nennt man gelungenes Timing: Während der Regierungskrise und des Rückzugs des Bundeskanzlers beschloss der ORF-Stiftungsrat am Donnerstag ohne allzu laute mediale und politische Begleitmusik eine Erhöhung der ORF-Gebühren um acht Prozent. Eine Mehrheit dafür zeichnete sich am Montag nach dem Finanzausschuss des ORF-Stiftungsrats bereits ab, der STANDARD berichtete. 26 der 30 Stimmberechtigten – die fünf Betriebsräte sind in dieser Frage nicht berechtigt – stimmten dafür, die drei Stiftungsräte des FPÖ-"Freundeskreises" dagegen. Die Stimme eines Stiftungsrats fiel weg, da er sich nicht vertreten ließ.

1,38 Euro mehr pro Monat

Das von GIS-pflichtigen Haushalten zu entrichtende Programmentgelt für ORF-Radio- und -Fernsehnutzung erhöht sich damit um fünf Cent auf 60 Cent pro Tag bzw. um 1,38 Euro auf 18,59 Euro pro Monat. Zunächst hat der Publikumsrat jedoch die Möglichkeit einer Stellungnahme. Im Anschluss muss die Medienbehörde KommAustria die Korrektheit der Berechnungen feststellen. Die "Anpassung des Programmentgelts", wie es im ORF-Gesetz heißt, könnte frühestens im März 2022 in Kraft treten und muss alle fünf Jahre erfolgen.

Der noch bis Ende des Jahres amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und sein Nachfolger Roland Weißmann hatten – wie berichtet – den Antrag gemeinsam ausgearbeitet. Bei einer prognostizierten Inflation von zehn Prozent bis 2026 falle die Erhöhung sehr moderat und "unter dem gesetzlichen Rahmen aus", sagte Wrabetz zuletzt.

52 Millionen Euro pro Jahr mehr ab 2023

Konkret würde der ORF im Jahr 2022 rund 43 Millionen Euro pro Jahr mehr lukrieren, sollte die Erhöhung mit März 2022 über die Bühne gehen. Der ORF würde im nächsten Jahr seine Einnahmen aus Programmentgelten auf knapp 690 Millionen Euro steigern. Ab dem Jahr 2023 und bis 2026 wären es dann 52 Millionen mehr für den ORF, wenn die Anzahl der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler gleich bleibt. In Summe käme der ORF dann mit den GIS-Einnahmen auf rund 700 Millionen Euro jährlich, das sind rund zwei Drittel seines Budgets.

Zwei Drittel der GIS gehen an den ORF

Ende September 2021 gab es laut Auskunft der GIS 3,37 Millionen GIS-Haushalte, 286.000 waren von der Gebühr befreit. Derzeit erhält der ORF monatlich 17,21 Euro aus Radio- und Fernsehentgelt. Das sind in etwa zwei Drittel der Gesamtgebühren, die GIS-pflichtige Haushalte entrichten müssen. Zu diesem Betrag kommen noch Gebühren und Abgaben an Bund und Länder hinzu. In der Steiermark ist die Landesabgabe mit 5,80 Euro am höchsten. Dort fallen insgesamt 26,73 Euro an Gebühren an. In Oberösterreich und Vorarlberg gibt es dagegen keine Abgabe an das Land, die Gebühr ist mit 20,93 Euro spürbar billiger.

Grafik: STANDARD

ÖVP-Kritik an Erhöhung

Noch Ende September hatte ÖVP-Mediensprecher Axel Melchior eine Erhöhung der GIS-Gebühr um acht Prozent als "völlig deplatziert" kritisiert. "Als Volkspartei sehen wir den Anstieg der GIS-Abgabe äußerst kritisch, denn aus unserer Sicht braucht es eine Politik der Entlastung, nicht der Gebührenerhöhung", wurde Melchior in einer Aussendung zitiert.

Die türkisen ORF-Stiftungsräte hat die Kritik Melchiors anscheinend kaltgelassen. Thomas Zach, Leiter des gewichtigen bürgerlichen "Freundeskreises" und Vorsitzender des Finanzausschusses, hielt fest: "Die heute vom Stiftungsrat mit sehr großer Mehrheit beschlossene Gebührenanpassung hat mit einer Höhe von acht Prozent für die nächsten fünf Jahre das richtige Maß und das richtige Ziel." Sie ermögliche "weiterhin die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags in der Information und Spielraum für Programm-Innovationen". Sie zeige die "Ambition der Geschäftsführung, die Mittel aus den Gebühren besonders effizient und ausschließlich für Programmzwecke zu verwenden".

Stiftungsräte begründen ihre Zustimmung

"Niemand macht sich eine Gebührenerhöhung in schwierigen Zeiten leicht", sagte Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises", der APA. In diesem Fall sei er aber froh, dafür gestimmt zu haben, da "in Programm, Personal und den Medienstandort Österreich investiert" werde und diese allesamt wichtige Parameter für Qualität und damit die Gebührenzahler seien. Lothar Lockl, der für die den Grünen nahestehenden Stiftungsräte spricht, hält die Anpassung für "maßvoll und notwendig". Ziel müsse es sein, den ORF, der in den vergangenen Jahren "massiv" gespart habe, nachhaltig finanziell abzusichern. "Diese Anpassung kommt der Unabhängigkeit, dem Programm und nicht zuletzt den Partnerschaften des ORF mit Kunst, Kultur oder auch der Filmwirtschaft zugute", meinte Lockl. Zustimmend äußerte sich bereits im Vorfeld der Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer. Das Programmentgelt sei "absolut anzupassen", um eine vernünftige Berichterstattung aufrechtzuerhalten, die Jugend wieder besser zu erreichen, das digitale Angebot des ORF weiterzuentwickeln und über die Landesabgabe die Musikschulen in Kärnten zu stärken, meinte er.

Kritik der FPÖ

Kritik kommt von FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker. Er schreibt in einer Aussendung: "Wo die türkise ÖVP draufsteht, sind Mehrkosten für die Menschen drinnen. Das ist bei der Steuerreform mit CO2-Strafsteuer so, das ist auch beim ORF so. Anstatt den ORF zu entpolitisieren, wird dem nahezu lupenreinen ÖVP-Propagandasender und seinem neuen türkisen Generaldirektor auch noch ein schönes zusätzliches Körberlgeld verschafft." Die FPÖ will die Gis-Gebühren abschaffen und den ORF aus dem Budget finanzieren.

Noch nicht klar ist hingegen, wie und wann die so genannte Streaming-Lücke geschlossen wird. Wer ORF-Programme derzeit nur via Stream verfolgt, muss laut einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine Gis zahlen. Die türkis-grüne Regierung könnte das im Rahmen des ORF-Gesetzes im Zuge einer Digitalnovelle ändern. Diskutiert wird etwa die Einführung einer Registrierungsschranke, die an die Gis gekoppelt ist. (omark, APA, 14.10.2021)