Zwei Tage lang wird am Wiener Landesgericht für Strafsachen verhandelt, ob ein Spitzenbeamter sein Amt missbraucht und Geheimnisse verraten hat. Als Zeugen geladen sind der Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus und der ehemalige Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber.

Foto: APA/Punz

"Also doch ein politisches Verfahren!" Es geht an diesem Donnerstag mitunter hitzig zu in Verhandlungssaal 310 im Wiener Landesgericht für Strafsachen. Auf der Anklagebank sitzt ein Beamter, der von Ende 2017 bis Mitte 2018 im Kabinett des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) war, danach bis Ende Mai im Büro von Generalsekretär, Peter Goldgruber. Dem Mann wird vorgeworfen, das Amtsgeheimnis verletzt zu haben und Amtsmissbrauch begangen zu haben.

Farbenspiele im Innenministerium

Es geht dabei um "zwei Vorwürfe, die an und für sich nichts miteinander zu tun haben", wie die Richterin anmerkt. Er soll dem damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und dem Online-Medium "Fass ohne Boden" geheime Informationen zugespielt haben. Bei letzterer mutmaßlich begangener Straftat sieht die Staatsanwaltschaft das erwähnte politische Motiv: nämlich, dass der Angeklagte, der ja Teil eines FPÖ-Kabinetts war, der ÖVP – die bekanntlich vorher und nachher für das Innenministerium zuständig war – salopp gesagt eins auswischen wollte.

Diese Argumentation echauffiert Verteidiger Volkert Sackmann. Er habe selten gehört, dass einem Beamten vorgeworfen werde, "in einer wie auch immer gefärbten Regierung tätig zu sein. Und ich muss Sie enttäuschen – er ist ein Roter. Das darf ich sagen".

Verteidigung kritisiert Ermittlungen

Sackmann zufolge werde in dem Fall "mit Kanonen auf Spatzen geschossen". Die Staatsanwaltschaft habe außerordentliche Mittel angewendet, um eine Anklage zustande zu bringen. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des Artikels meldete sich ein anonymer Hinweisgeber bei der Staatsanwaltschaft, der angab, der Beamte habe die Daten weitergegeben.

Im November 2019 wurde der Angeklagte dann telefonisch überwacht. Weil es den Verdacht gegeben habe, er könnte ein zweites Handy haben, wurde sogar ein sogenannter "Imsi-Catcher" verwendet. Dabei wird eine Basisstation eines Anbieters simuliert – sobald ein Handy in Reichweite kommt, loggt es sich ein. "In meinen zehn Jahren als Staatsanwalt habe ich das ein einziges Mal angewendet", sagt Sackmann. Schlussendlich habe man kein zweites Gerät gefunden und deswegen noch eine Hausdurchsuchung angeordnet. Der Beamte bekennt sich zu beiden Vorwürfen nicht schuldig.

Was dem Beamten vorgeworfen wird

Der Reihe nach: Zunächst soll der Mann Ende 2018 Informationen zu einem laufenden Ermittlungsverfahren an Johann Gudenus weitergeleitet haben – und zwar, wie Staatsanwalt Andreas Mugler ausführt, "ohne dienstliches Interesse", es sei also nicht in seine Zuständigkeit gefallen.

Das Problem sieht die Staatsanwaltschaft auch darin, dass einerseits der Staat "an seinem Recht auf die ordnungsgemäße Durchführung von Ermittlungsverfahren" gehindert wurde und dass zweitens Datenschutzrechte von Beteiligten in dem Ermittlungsverfahren verletzt wurden. Im zweiten Vorwurf geht es darum, dass der Beamte Auszüge aus einem internen Dokument des Innenministeriums an das Onlinemedium "Fass ohne Boden" weitergeleitet haben soll – aus dem politischen Motiv heraus.

Ein Raubüberfall als Auslöser

Beim Ermittlungsverfahren, über das der Mann Gudenus informiert haben soll, geht es um einen Raubüberfall an einem Baumanager. Der Mann war in der Folge mit den Ermittlungen unzufrieden. Er beschwerte sich deswegen "überall, wo es ging", wie er vor Gericht aussagt – unter anderem auch bei Johann Gudenus, den er zufällig bei einer Veranstaltung getroffen habe.

Gudenus wiederum schrieb – wahrscheinlich danach, aber an die zeitliche Abfolge erinnerte sich der FPÖ-Politiker vor Gericht nicht – eine Whatsapp-Nachricht an den Angeklagten mit der Bitte, an dem Fall dranzubleiben. Der Beschuldigte kontaktierte einen Büroleiter des Bundeskriminalamts mit der Bitte, ihm den entsprechenden Akt zuzuschicken – was dieser auch tat. "Das war für mich keine Überlegung wert, weil der Angeklagte ja mein Vorgesetzter war", sagt dieser vor Gericht.

Verteidigung sieht "absurde" Vorwürfe

All das bestreitet der Angeklagte nicht. Ihm bzw. Verteidiger Sackmann zufolge bestehe allerdings kein Missbrauch der Amtsgewalt. Der Angeklagte sei bereits vor der Nachricht von Gudenus schon mit dem Fall befasst gewesen, auf seinem Schreibtisch sei eine diesbezügliche Beschwerde gelegen, weswegen er sich beim für Gewaltverbrechen zuständigen Büroleiter im Bundeskriminalamt schon vor dem von der Staatsanwaltschaft festgehaltenen Kontakt meldete, führt der Mann vor Gericht aus. Danach sei es erst zu der "Intervention" durch Gudenus gekommen, weswegen er sich wieder beim BKA-Kollegen meldete.

Dass sich auch Gudenus, zu dem er "keine enge Beziehung" gehabt habe, für den Fall interessierte, habe nicht dazu geführt, "dass ich mehr oder weniger gemacht habe", so der Beamte. Den Akt, den er per Mail zugeschickt bekam, habe er aber nie an jemanden weitergeleitet. Er habe Gudenus nur "zur Ruhigstellung" mitgeteilt, dass DNA-Spuren gefunden wurden. Das sei eine Antwort, die er auch auf Pressekonferenzen gebe – es werde ermittelt, es seien Spuren sichergestellt worden. Es sei absurd, dass seinem Mandanten vorgeworfen werde, dass der Baumanager versuchte über Dritte an Ermittlungsinfos zu kommen. Der Baumanager selbst gab in seiner Befragung an, er hätte kein Problem damit, wenn auf seinen Akt zugegriffen werde. Dass der Beamte der Beschwerde nachging, sei ja sein Job. "Wenn er das nicht macht, dann gehört er angeklagt", sagt Anwalt Sackmann.

Suche nach dem Whistleblower

Der zweite Vorwurf dreht sich um eine Veröffentlichung in Fass ohne Boden, dem Medium wird FPÖ-Nähe nachgesagt, der Betreiber wehrt sich gegen solche Zuschreibungen. Im September 2019 war auf "Fass ohne Boden" jedenfalls von einer Sicherheitslücke im Innenministerium zu lesen. Konkret habe die IT-Firma Rubicon Zugang auf sämtliche Daten gehabt, diese Zugriffe seien auch nicht protokolliert worden (Rubicon bestritt diese Vorwürfe, Anm.). Als Beleg wurden auch ein Elak(elektronischer Akt)-Protokoll aus dem Innenministerium und eine interne Mail veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft glaubt, in dem angeklagten Beamten den Whistleblower gefunden zu haben. Er habe eine Mail mit den angehängten Unterlagen zunächst an seine private E-Mail-Adresse geschickt und die Daten dann dem Betreiber der Plattform zukommen lassen.

Als Beleg führt die Anklage einerseits Textnachrichten an Gudenus, der zu diesem Zeitpunkt mittlerweile wegen der Ibiza-Affäre zurückgetreten war. In einer schrieb der Angeklagte, er arbeite eng mit dem Journalisten, den Gudenus auch kennt, zusammen, um ein "schwarzes Netzwerk" aufzudecken. In der zweiten Nachricht schrieb er, dass er "als Unterstützung" dabei wäre, sollte sich Gudenus – in der Nachricht nennt er ihn "Joschi" – mit dem Journalisten treffen wollen.

Die Staatsanwaltschaft führt aber auch an, dass der Beamte mehrmals die Nachrichtenseite aufgerufen habe, unter anderem auch jene Seite, wo anonym Daten hochgeladen werden können. Außerdem habe es auch Nachrichten gegeben, die vermutlich an den Journalisten gegangen seien. Und der Angeklagte habe sich genau die Dokumente, die später in dem Medium veröffentlicht wurden, an seine private Mailadresse weitergeleitet.

"Weinselige Stimmung" auf dem Balkon in Bibione

Die beiden Nachrichten an Gudenus kann sich der Angeklagte nur noch damit erklären, dass er im Urlaub und in einer "weinseligen" Stimmung gewesen sei, "leider. Ich habe mich illuminiert auf einem Balkon in Bibione wichtig gemacht." Was er mit "Unterstützung" gemeint habe, wisse er nicht. Bei der Nachricht an den Journalisten mit dem Hinweis auf das Datenleck handle es sich um eine Verwechslung: Der Mann trage den gleichen Vornamen wie ein anderer Kabinettsmitarbeiter, mit dem habe er das Thema des Datenlecks besprechen wollen und sich deswegen auch tatsächlich getroffen.

Den Journalist habe er nur auf einen Rechnungshofbericht aufmerksam gemacht, in dem es um Postenbesetzungen im Innenministerium geht, und einmal habe er ihn auch beim Würstelstand getroffen. Danach habe er den Kontakt aber abgebrochen, weil ihm der Journalist "unseriös" vorgekommen sei. Der Whistleblower sei er jedenfalls nicht. Zahlreiche andere Personen hätten auf die Daten Zugriff gehabt.

Urteil am Freitag

Der Journalist wird am Freitag zu der Causa aussagen. In seiner Einvernahme machte der Mann von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch, merkte aber an, dass nicht der Angeklagte der Whistleblower sei. "Leider", sagt Verteidiger Sackmann. "Denn diesem würde ich einen Orden geben." Neben dem Journalisten soll am Freitag auch der ehemalige Generalsekretär Goldgruber aussagen.

Der Angeklagte wurde zu der Zeit, als er im Kickl-Kabinett tätig war, medial als möglicher neuer Chef im Bundeskriminalamt gehandelt. Mittlerweile hat die Stelle bekanntlich Andreas Holzer inne, der zuvor die "Soko Tape" geleitet hatte und ein ehemaliger Kollege des Beschuldigten im Bundeskriminalamts ist. Durch Ermittlungen der Soko Tape, nämlich der Auswertung des Mobiltelefons von Johann Gudenus, kam es laut Ermittlungsakt auch zu dem Anlassbericht, die die Ermittlungen gegen den angeklagten Beamten – Telefonüberwachung im November und Dezember 2019 und in Folge eine Hausdurchsuchung im Februar 2020 – ins Rollen brachten. Im April 2020 wurde der Beamte in die Landespolizeidirektion Wien versetzt. (Lara Hagen, 14.10.2021)