Sehr bald ist es zehn Jahre her, dass dieser Blog das erste Mal erschienen ist, und zwar mit einem Text über Steaks. Das Thema hat sich als so komplex und unerschöpflich erwiesen (ganz abgesehen von dem enormen Interesse der Leserschaft), dass über die Jahre zehn Steaktexte erschienen sind, unabsichtlich, aber doch also genau einer pro Jahr. Dazwischen und dafür habe ich unzählige Steaks gebraten, genossen und ein paar weggeworfen. Bevor es jetzt also ins elfte Jahr geht, finde ich, ist es Zeit, ein wenig Bilanz zu ziehen: Was habe ich eigentlich in zehn Jahren über Steaks gelernt?

A perfect match.
Foto: Tobias Müller

Gegrillt ist am besten

Glut ist und bleibt das beste Steakgewürz – so gut, dass sie meiner Meinung nach der wichtigste Faktor ist. Soll heißen: Ein mittelmäßiges Steak, einigermaßen passabel über Holzkohlen gegrillt, wird immer noch mindestens so gut, wenn nicht sogar besser sein als ein qualitativ viel besseres Fleisch, dass vorbildlich in der Pfanne gebraten wurde. Die Italiener (und viele andere Kulturen) wissen das, weswegen in Italien sogar in Autobahn-Truckstops Steaks in prächtigen Holzöfen gegrillt werden.

Grillhaus und beliebter Truckstop an der Autobahn nördlich von Orvieto.
Foto: Tobias Müller

Gleichzeitig ist es auch noch eine der einfachsten Arten der Zubereitung – was mitunter ein Grund ist, warum es nie einen Blog dazu gegeben hat: Es ist nicht viel dazu zu sagen, und was es gibt, ist bereits tausende Male gesagt worden. Vom großen Anthony Bourdain stammt das Bonmot, dass selbst ein trainierter Schimpanse ein Steak braten kann. Ich würde bloß einschränkend hinzufügen: solange er jemanden hat, der ihm den Grill ordentlich, aber nicht zu heiß macht.

Ansonsten ist hier ziemlich viel über Steakzubereitung gesagt.

Foto: Tobias Müller

Langes Reifen ist überbewertet

Gut trocken gereiftes Fleisch kann ganz hervorragend sein, es ist aber keine Grundbedingung für ein gutes Steak. Auch ich bin immer wieder dem ewigen Reife-Fetisch verfallen. Aber einige der besten Steaks, die ich in den vergangenen zehn Jahren gegessen habe, waren vielleicht vier Wochen abgehangen, das war's. Das soll nicht heißen, dass 60 Tage gereiftes Rindfleisch nicht seine Berechtigung hat. Ich würde aber sagen, dass es nicht zwingend besser, sondern anders ist: ein bisschen so, wie man keinen italienischen Espresso mit einem Third-Wave-Filterkaffee vergleichen kann. Und sehr oft bin ich mit dem nur kurz abgehangenen Fleisch (über Kohlen gegrillt!) vollauf zufrieden.

Nur kurz gereift und trotzdem oft gut: Fleisch in einer Auslage in Neapel.
Foto: Tobias Müller

Alte Kühe sind besonders gut

Bei Rindern kommt der Geschmack mit dem Alter. Am schönsten hat sich das bestätigt, als ich bei einer AMA-Steak-Verkostung teilnehmen durfte, bei der der AMA-Gütesiegel-Jungstier auf dem letzten Platz gelandet ist. Mehr dazu zum Beispiel hier.

Die besten Cuts sind Ribeye, Hanger/Onglet oder Beinfleisch

Das Ribeye ist und bleibt für mich der König der Steaks und der beste Allrounder – ordentlich marmoriert, viel Fett fürs Brot (siehe unten), fleischig, geschmacksintensiv und trotzdem ziemlich gut kaubar. In einer perfekten Welt würde ich überhaupt nur das längliche Stück Fleisch des Ribeye grillen, jenes, das vom größeren, runden Stück Fleisch durch den Fettstreifen getrennt ist – es ist, gegrillt, vielleicht das köstlichste Stück des Rinds. (Hier sieht man das Stück schön).

Das Hanger/Onglet ist das Stück mit dem vielleicht intensivsten Geschmack – der allerdings ein anderer ist als jener des Ribeye, ein wenig strenger und schärfer fleischig, täte ich sagen. Am Stück gegrillt, neigt es manchmal zu ausgeprägter Bissfestigkeit. Die Italiener schneiden es deswegen Butterfly-mäßig auf und klopfen es ein wenig an – ich finde das eine gute Methode.

Beinfleisch als Steak.
Foto: Tobias Müller

Das Beinfleisch als Steak (Fußnote 1) war eine Überraschung für mich. Begonnen hat es damit, dass Heinrich S. beim Wagyuhof Schermrippe bestellt hat. Die wird trotz ihrer unglaublichen Marmorierung dort als Kochfleisch gehandelt und entsprechend preiswert verkauft. Er kocht sie sous vide (zäh!) und grillt sie dann, was ausgezeichnet schmeckt. Ich habe sie einmal einfach roh dünn aufgeschnitten und dann so gegrillt – und es war ausgezeichnet. In Italien habe ich dann gemerkt, dass ich nicht der Einzige bin: Schöne Beinfleischstücke werden hier regelmäßig gegrillt. Klarer Preis-Leistungs-Sieger. Kosten und Staunen!

Dem Filet hingegen kann ich außer als Beef Tatare nichts abgewinnen. Das freut mich regelmäßig, weil dieses Stück seltsamerweise das Teuerste ist.

Drei Zentimeter sind genug

Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder mit riesigen Steaks experimentiert, ich bin aber mittlerweile der Meinung, dass zwei, drei Zentimeter für die meisten klassischen Steaks wie etwa das Ribeye nicht nur völlig ausreichend, sondern sogar die Obergrenze sind. Bei dieser Dicke lässt sich der Sweet Spot aus knuspriger Oberfläche und rotrosa Kern am ehesten treffen, und sie macht beim Essen und Schneiden Spaß.

Italiener schneiden Steaks gern dünn und haben oft recht damit (das ist allerdings ein wenig zu dünn, meiner Meinung nach).
Foto: Tobias Müller

Kleiner Trick mit großer Wirkung: Vorsalzen und über Nacht trocknen

Der zweitgrößte Effekt nach dem Grillen kommt meiner Meinung nach von einem ganz simplen Trick: das Steak salzen und über Nacht offen im Kühlschrank trocknen lassen. Wenn Sie es nach dieser Vorbereitung braten, werden Sie eine unvergleichlich schönere Kruste bekommen. Sollte es wider Erwarten nicht ganz trocken sein, unbedingt mit Küchenrolle trockentupfen. Wer die Kruste auch nach dem Rasten auf beiden Seiten behalten möchte, der legt das Steak auf einen Rastrost (ein Backrohrrost und ein untergeschobener Teller tun da gute Dienste).

Bessere Krusten dank Vorsalzen und Trocknen.
Foto: Tobias Müller

Zum fetten Steak gehört getoastetes Brot

Ich liebe Fett, mitunter aber wird es sogar mir zu viel, die dicken Fettränder und Fetteinschlüsse von ordentlich marmorierten Ribeyes einfach so zu mampfen. Richtig gut wird Steakfett (vor allem gegrilltes!) aber, wenn Sie es auf einem Stück getoastetem (oder noch besser gegrilltem) Brot genießen – ganz so wie das Knochenmark beim gekochten Rindfleisch oder die klassische Butter aufs Brot. Seit dieser Entdeckung serviere ich fettes Steak nur mehr mit Brot.

Zweimal salzen

Ich salze meine Steaks, wenn ich daran denke, zweimal: einmal mindestens zwölf Stunden vor dem Grillen (siehe oben) und einmal nach dem Aufschneiden vor dem Servieren. Notfalls tut es diese zweite Salzung allein auch.

Teller wärmen

Steak gehört zu den Gerichten, die nicht besser werden, wenn sie auskühlen. Ich versuche daher, mein Steak stets auf einem vorgewärmten Teller zu servieren. Falls es in der Pfanne gebraten wurde, können die Stücke nach dem Rasten auch einfach in ebendieser serviert werden. Hat den Vorteil, dass man sie da auch noch gleich ins Bratfett tauchen kann.

Mehr grillen als nötig

Weil es, auch wenn es ausgekühlt ist, nicht mehr ganz so gut schmeckt: Ein Steak-Salat ist was Wunderbares.

Steakquellen

Wer diesen Blog verfolgt, für den wird das hier keine Überraschung sein, aber was soll ich machen, meine Steakquellen haben sich nicht wesentlich geändert. Wenn ich in Wien Steak kaufe, dann fast immer von XO Beef (auch die Burger bzw. das Faschierte sind fantastisch). Der Wagyuhof hat sehr gutes Wagyu-Beef im Angebot. Tipp: Die Schermrippe, die hier als Suppenfleisch verkauft wird, eignet sich dünn aufgeschnitten perfekt zum Grillen. Und ein Besuch bei der Fleischerei Ringl oder beim Hödl zahlt sich ohnehin immer aus. (Tobias Müller, 18.10.2021)