Der ÖVP-Ethikrat unter dem Vorsitz von Waltraud Klasnic hat sich zu den Chats geäußert.

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Wien/Graz – Im Jahr 2012 wurde unter dem damaligen ÖVP-Chef Michael Spindelegger ein Verhaltenskodex für die ÖVP erstellt. Im Zuge dessen installierte man einen parteiinternen Ethikrat, dem die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic vorsteht. Dieses Gremium hat sich nun auch mit den publik gewordenen Chats von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinen Parteikollegen befasst und ist zu dem Schluss gekommen, dass "die Wortwahl und der mangelnde Respekt [...] unangemessen und abzulehnen ist".

Die an die Öffentlichkeit gelangten Nachrichten würden dem ÖVP-Verhaltenskodex widersprechen, auch wenn diese nicht öffentlich getätigt worden seien. Zugleich kritisiert der Ethikrat, dass die Chats "ohne Beachtung des Datenschutzes und Privatsphäre" veröffentlicht worden seien. Zudem sei die Veröffentlichung "ohne Rücksicht auf sämtliche Begleitumstände und aus dem Zusammenhang gerissen" passiert.

"Entschuldigung zur Kenntnis genommen"

Weiter heißt es in dem Beschluss, dass der ÖVP-Ethikrat die "dafür erfolgte Entschuldigung zur Kenntnis" genommen habe und sich erwarte, dass "ein derartiger Umgangston künftig nicht nur unterlassen wird, sondern dass vielmehr ein respektvoller Umgangston auch in der privaten Kommunikation von Funktionsträger*innen gepflogen wird".

Zu den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wollte sich der Ethikrat nicht äußern. Man hält aber fest, dass die Unschuldsvermutung zu gelten habe. Man werde die "weiteren Entwicklungen aufmerksam beobachten und begleiten". Ob und welche weiteren Konsequenzen aus diesem Beschluss abzuleiten sind, werde sich entscheiden, wenn die strafrechtlichen Ermittlungen abgeschlossen sind. Dem könne und wolle man nicht vorgreifen. Vorerst gelte die Empfehlung hinsichtlich des Umgangstons.

Tirols AK-Präsident Zangerl fordert Aufklärung

Erwin Zangerl (ÖVP), der Tiroler Arbeiterkammer-Präsident, erwartet sich vom Ethikrat jedoch mehr, wie er am Donnerstag wissen ließ. Es gelte drei drängende Fragen zu beantworten: "Wer war an dem Putsch innerhalb der ÖVP beteiligt? Wer hat das "Projekt Ballhausplatz" finanziert und sich durch Kurz‘ Sprung an die Staatsspitze Vorteile erhofft – und später eingefordert? Wie hoch ist der Schaden, den die Nichtabschaffung der Kalten Progression sowie die fehlende flächendeckende Kinderbetreuung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verursacht hat?"

Dies solle im Zentrum der Aufarbeitung durch die ÖVP Ethikkommission stehen, sagte Zangerl: "Durch diejenigen, die den Putsch in der ÖVP verursacht haben, wurde das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Politik zutiefst erschüttert. Außerdem hat die Vorgehensweise dieser Gruppe die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Milliarden gekostet."

Rechnungshof prüft Inserate und Umfragen

Echte Konsequenzen drohen der ÖVP durch die laufende Prüfung des Rechnungshofes. Wie ein Sprecher über den Nachrichtendienst Twitter mitteilte, sei man aktuell mit der Prüfung des ÖVP-Rechenschaftsberichtes für das Jahr 2019 befasst. Weil die "in den vergangenen Tagen bekanntgewordene Verdachtslage" gegen die Partei auch diesen Zeitraum betrifft, habe man das Finanzministerium aufgefordert, "sämtliche Umfragen und Studien samt Originalbelege vorzulegen, die 2019 vom Ministerium bezahlt wurden".

Zudem will der Rechnungshof die entgeltlichen Einschaltungen des Ministeriums in der Mediengruppe Österreich aus dem Jahr 2019 mitsamt den Originalbelegen einsehen. Wegen mutmaßlicher Scheinrechnungen steht der Verdacht der Untreue im Raum, es gilt die Unschuldsvermutung.(Steffen Arora, 15.10.2021)