Familienvermächtnis: Hanna Molden über Fritz Molden.

Foto: Harald Eisenberger

Elefanten zählen zu den sensiblen Lebewesen. Sie können weinen und einander trösten. Sie haben ein phänomenales Gedächtnis, das sie auch nachtragend macht, im Guten wie im Schlechten. Das verbindet sie mit den Menschen und macht sie, im Fall der indischen Variante, zu deren treuesten Helfern und Gefährten. So ein indischer Elefant war auch mehr als acht Jahrzehnte lang der Lebensbegleiter einer der bemerkenswertesten Persönlichkeiten der österreichischen Medienlandschaft: Fritz Molden, Journalist, Publizist, Verleger aus Berufung, Österreicher aus Überzeugung. Sohn von Ernst Molden, dem Chefredakteur der Neuen Freien Presse, und der Dichterin Paula von Preradović. Jahrhundertelefant, so betitelt Hanna Molden jetzt die Familiengeschichte von "FM", die während der fast 50 Jahre ihrer Ehe auch die ihre war.

Die Elefantengeschichte beginnt an einem Frühlingsabend im Wiener Haus der Moldens. Früher als sonst kommt der Vater von der Redaktion nach Hause, in der Sakkotasche eingerollte Papierblätter. Das fünfjährige Feppchen musste noch nicht ins Bett. Feppchen ist der Kosename für Fritz Peter, und der will wissen, was das in der Tasche sei. "Das ist ein Brief." – "Von wem?" – "Von einem Elefanten." Natürlich lässt ein Fünfjähriger da nicht mehr locker. Er erfährt, dass der Elefant im Budapester Zoo lebe, Jakob heiße und mit dem Papa regelmäßig korrespondiere, seit sie einander zum ersten Mal begegnet seien. Das Schreiben habe der Affe Jaromir übernommen, der wie der Papa Elefantisch verstehe und eigens dafür Maschinenschreiben gelernt habe. Dass auf diesen Brief weitere folgen müssen, liegt auf der Hand.

Lebenselefant

Fritz Molden hatte seine Lebenselefantengeschichte schon selbst zu Papier gebracht. Zur Veröffentlichung kam es nicht mehr. Hanna Molden, selbst erfolgreiche Autorin, verwebt sie nun mit ihrer Sichtweise auf ihren Lebensmenschen. Ihn beschreibt sie mit einer Offenheit, die nur aus einem tiefen Vertrauensverhältnis heraus verständlich wird: uninteressiert an Besitz (den er gleichwohl genoss) und daher verschwenderisch; daraus folgend "Wagemut bis zur Bedenkenlosigkeit. Unternehmerische Hochseilakte ohne Netz" (zum Konkurs des Molden-Verlags 1982); zugleich eine "Begeisterungsfähigkeit für alles Neue", die ihn nach dem tiefen Fall scheinbar unbeschädigt wieder aufstehen und neue Projekte beginnen lässt. Und bei alldem ein Gefühlsmensch, auch wenn er dies nur selten zeigte. So erinnert ihn Jakob daran, dass ihn seine eigenen Reden zu Tränen gerührt hätten: "‚Dir selbst ist das nie peinlich gewesen?‘ Pause. Lange Pause."

Wie Hanna Molden ihre Chronik anlegt, das hat fast etwas von Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Aber der Vergleich verbietet sich. Allein deshalb, weil FHO schon 1932, also lange vor dem "Anschluss", als Österreicher der NSDAP beitrat, ein "Illegaler". FM war ein "Illegaler" anderer Art: Er beteiligte sich schon als Gymnasiast am Widerstand gegen Hitlerdeutschland und wurde 1938 als 14-Jähriger verhaftet, weil er kurz nach dem "Anschluss" bei Aktionen des katholischen Untergrunds gegen das NS-Regime mitgemacht hatte. Weitere Verhaftungen folgten. Im Krieg nahm Molden nach Strafversetzung und Verwundung an der Ostfront Kontakt mit einer Widerstandsgruppe unter Wehrmachtsoffizieren auf. Nach der Flucht in die Schweiz fungierte er in Absprache mit den Alliierten als Verbindungsmann zur österreichischen Widerstandsgruppe O5. 1944 kehrte er nach Österreich zurück und baute mit anderen ein Nachrichtennetz innerhalb des Widerstands auf. Im Jänner 1945 wurde er verhaftet. 1947 erhielt er von den USA die Medal of Freedom.

Der bedeutendste Zeitungsherausgeber des Landes

Im Nachkriegsösterreich war Molden zunächst Sekretär von Außenminister Karl Gruber und stieg danach ins Pressewesen ein. Zunächst außenpolitischer Redakteur in der von seinem Vater wiedergegründeten Presse, wechselte er bald auf die Verlegerseite und war mit 36 Jahren der bedeutendste Zeitungsherausgeber des Landes mit einem geschätzten Marktanteil seiner Blätter von mehr als 25 Prozent.

Hanna Molden, "Der Jahrhundertelefant". € 25,– / 192 Seiten. Molden-Verlag, 2021
Foto: Molden-Verlag

Als Berater von Oscar Bronner zählte Fritz Molden zu den Geburtshelfern des STANDARD. Und der Autor dieser Zeilen betrachtet es als Privileg, dass er als Leiter des außenpolitischen Ressorts FM zu den ersten Korrespondenten zählen durfte: Nach Erscheinen der Erstausgabe am 19. Oktober 1988 berichtete Molden vom Finale des US-Präsidentschaftswahlkampfs. In den 1980er-Jahren war er Präsident des Auslandsösterreicher-Weltbundes und setzte sich für eine breitere Regelung der Doppelstaatsbürgerschaft und die Briefwahl ein.

Fritz Molden starb 2014. Österreich als Land, aber noch mehr "das Österreichische" in einem übernationalen Sinn war seine Herzenssache. Die Chronik endet mit einem Dialog zwischen Jakob und dem bereits in höhere Sphären entschwebenden Feppchen. Aber plötzlich herrscht Stille, Jakob bekommt keine Antwort mehr. Dann wird das Geheimnis um den Jahrhundertelefanten gelüftet – für alle, die es nicht schon erraten haben. (Josef Kirchengast, ALBUM, 17.10.2021)