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Wos samma?

Foto: Michael Gruber / EXPA / picturedesk.com

Na so eine Überraschung aber auch. Ein Jahrzehnt lang hat die ÖVP vom größten Granden bis zum letzten Basiswappler den Eindruck kultiviert, sie sei durch eine Art transzendentalen Glücksfall mit einem absolut reinen, unfehlbaren Halbgott beschenkt worden. Eine schmeichelhafte Wahrnehmung, aber auch eine selektive.

Denn allein der Umstand, dass Sebastian Kurz sein Entree auf der nationalen Politbühne just im Geilomobil vollzog, hätte den einen oder die andere aus seinem christlich-sozialen Fankreis stutzig machen können (Sechstes Gebot: Du sollst nicht Unkeuschheit treiben). Auch die Vermutung, dass Kurz die flächendeckende Jubelberichterstattung in ganz Österreich nicht aus seinem eigenen Taschengeld, sondern aus öffentlichen Finanzquellen alimentiert hat, schien nicht völlig unbegründet.

Petitessen

Aber weil nichts erfolgreicher ist als der Erfolg, sah man über solche Petitessen jahrelang hinweg. Dann aber – hier nun der Überraschungsteil – kamen Ibiza, die WKStA und die Chatnachrichten, und die Partei musste zur Kenntnis nehmen, dass der Götterbote im Rosenflor auch der katholischen Kirche Vollgas gab und im kommunikativen Austausch mit seiner Entourage per Arsch unterwegs war. Wer hätte das im Traum ahnen können!

Es folgt nun ein heiterer Teil in dieser Tragikomödie. Zum Amüsement aller politischen Kiebitze und Feinspitze steht eine Phase der Konfusion und verschärften Identitätsfindung an, bei der sich jedes Parteimitglied und alle zusammen fragen müssen: Samma schwarz? Samma blau? Samma türkis? Und es steht die Klärung der Beziehung zum Ex-Götterboten an, von dem man nicht weiß, ob noch Gefahr von ihm ausgeht.

Auferstehung

Ist er politisch erledigt oder lediglich halbtot, mit Chancen, als Wiedergänger Auferstehung aus der parlamentarischen Unterwelt in lichte Regierungshöhen zu feiern? Kann man ihn zausen? Oder ist es klüger, noch Loyalität zu heucheln und so zu tun, als hätte man keinen Tau davon gehabt, was bei Frischi und Fleischi (dem Rothaarigen) im Kanzleramt abging? Schwierige Fragen.

Wenn aber das Füllhorn der Chatprotokolle nicht aufhört, grindige Details auszuspucken, dann ist es wohl das Beste vorzutäuschen, man habe "Türkis" noch nie für eine Farbe, sondern immer schon für eine Krankheit gehalten. So wie echte Parteifreunde halt. (Christoph Winder, ALBUM, 17.10.2021)