Zwei Tage lang wurde am Landesgericht für Strafsachen in Wien der Frage nachgegangen, ob ein ehemaliger Spitzenbeamter geheime Informationen an Johann Gudenus und an das Medium "Fass ohne Boden" weitergegeben hat.

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Wie weite Kreise der Ibiza-Skandal zieht, wurde am Donnerstag und am Freitag ersichtlich. Denn zu den Ermittlungen gegen einen Beamten, der im von Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministerium tätig war, wurde hauptsächlich ermittelt, weil verdächtige Nachrichten zwischen ihm und dem ehemaligen FPÖ-Politiker Johann Gudenus gefunden worden waren – und zwar weil diesem im Zuge von Ibiza das Mobiltelefon abgenommen wurde.

Erster Vorwurf: Missbrauch der Amtsgewalt

In dem zweitägigen Prozess ging es um zwei Vorwürfe: Einerseits soll der Mann, der vor seinem Wechsel ins Kickl-Kabinett bzw. ins Büro von dessen Generalsekretär Peter Goldgruber im Bundeskriminalamt Karriere machte, sich Informationen über ein Ermittlungsverfahren beschafft haben, und zwar "ohne dienstliches Interesse", wie die Staatsanwaltschaft betonte. Es sei "die einzig relevante Frage", ob der Angeklagte berechtigt gewesen sei, sich den Akt zu holen.

Dem Angeklagten und seinem Verteidiger zufolge stimmt genau dieser Punkt nicht, denn der Beamte habe eine Beschwerde des Opfers wegen der Ermittlungen auf seinem Schreibtisch liegen gehabt und deswegen im Bundeskriminalamt den Akt angefordert. Die Staatsanwaltschaft vermisste dafür konkrete Beweise und argumentierte, der Beamte habe erst im Bundeskriminalamt angerufen, als ihn Johann Gudenus per Whatsapp gebeten hatte, an dem Fall "dranzubleiben". Verteidiger Volkert Sackmann betonte in seinem Schlussplädoyer aber auch, dass das für den Tatbestand wesentliche Element, nämlich der Wille, jemanden zu schädigen, nicht vorgelegen sei und allein deswegen ein Freispruch erfolgen müsse.

Genau dieser erfolgte nach nur kurzer Beratungszeit des Schöffensenats. Das dienstliche Interesse hatte laut der vorsitzenden Richterin eindeutig bestanden, weil der Mann in seinem Job mit Beschwerden befasst gewesen sei. Auch den Vorsatz, andere zu schädigen, habe man nicht gesehen, führte die Richterin den "eindeutigen Freispruch" aus.

Zweiter Vorwurf: Verletzung des Amtsgeheimnisses

Im zweiten Vorwurf ging es bereits um die Zeit, als der Angeklagte aus dem Innenministerium ausgeschieden war. Anlässlich des Ibiza-Skandals wurde die türkis-blaue Regierung bekanntlich entlassen, eine Beamtenregierung übernahm Ende Mai 2019. Im darauffolgenden Sommer soll der Beamte Kontakt zum Betreiber des Onlinemediums "Fass ohne Boden" aufgenommen haben und ihm in der Folge interne Informationen aus dem Innenministerium zugespielt haben, die sich der Angeklagte zuvor an seine private Mailadresse geschickt habe. Beweise gebe es zwar keine, merkte Staatsanwalt Andreas Mugler an. "Aber es gibt Indizien – und zwar sehr viele." Unter anderem eine Nachricht an Gudenus, in der der Beamte von einer Zusammenarbeit mit dem Journalisten schreibt.

Der Journalist, der die internen Daten veröffentlichte, machte am Freitag vor Gericht von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch und nannte seine Quelle nicht, betonte aber gleichzeitig, dass der falsche Mann vor Gericht sitze. Außerdem habe er die Akten nicht über seine anonyme Upload-Plattform erhalten, die der Angeklagte nachweislich aufgerufen hatte.

Verteidiger Sackmann war in seinem Schlussplädoyer regelrecht außer sich. "Ich bin sprachlos, wirklich", sagte der ehemalige Staatsanwalt. Sein Mandant sei "nicht einmal im Zweifel, sondern ganz klar" freizusprechen. Die auf "Fass ohne Boden" veröffentlichte Mail sei nachweislich nicht das PDF gewesen, das der Beamte in seinem privaten Postfach hatte, weil es sich um eine andere, verschlüsselte Datei gehandelt habe. Das sehe man in dem Bericht auch. "Ich hätte mir Objektivität gewünscht", so Sackmann, der – wie tags zuvor – betont, dass sein Mandant, selbst wenn er der Whistleblower gewesen sei, freigesprochen werden müsse, weil die veröffentlichten Informationen im öffentlichen Interesse gestanden seien.

Zu viele Zweifel

Auch hier gab es einen Freispruch. Es gebe nämlich auch Indizien, die jenen der Staatsanwaltschaft widersprechen, führt die Richterin in der Urteilsbegründung aus. "Man muss außerdem auch bedenken, was nicht gefunden wurde." Da der Beamte "rundum durchleuchtet" worden sei – es gab telefonische Überwachung und eine Hausdurchsuchung – und nicht eindeutigere Beweise gefunden wurden, habe das entlastende Wirkung. Erhebliche Zweifel hätten schlussendlich zu dem Freispruch geführt. Ob es einen solchen auch gegeben hätte, wenn die Weitergabe der Informationen wegen öffentlichen Interesses nicht strafbar wäre – was laut der Richterin grundsätzlich möglich sei –, habe man sich gar nicht überlegen müssen. "Weil wir schon aus anderen Gründen zu dem Freispruch gekommen sind." Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist damit nicht rechtskräftig. (Lara Hagen, 15.10.2021)