Herbert beim Abstrich für den PCR-Test. Dieser Versuch misslang. Dem Katzenfutter hingegen war es egal.

Foto: Guido Gluschitsch

Zwei schön runde Achter zog ich mit dem Tupfer durch das Katzenfutter, wusch die Watte in der Salzlösung aus, füllte alles in das Teströhrchen und schickte die Probe zum PCR-Test. Sollte ich recht haben mit meiner Annahme, würde ich über verbotene Wege ein negatives, aber gültiges Ergebnis bekommen. Angefangen hat alles selbstverständlich Tage vorher.

Von der Idee zum Versuch

Eine Kollegin fragte, ob man PCR-Tests fälschen könne. Davon war ich überzeugt und fing mit der Recherche an. Als ich mir das Anleitungsvideo von Lead Horizon für einen richtig gemachten Gurgeltest ansah, fielen mir gleich zwei Dinge auf. Die Dame gurgelte nicht, sondern spülte nur ihren Mund aus. Und sie hielt dabei ihre Eprouvette nicht ständig in die Kamera. Und da hatte ich sie, die ersten Hinweise, wie man PCR-Gurgeltests möglicherweise fälschen könnte.

Grafik: der Standard

Doch der Reihe nach. Gurgeltests sind die beste und sicherste Methode, um Coronaviren aus einem Rachenraum nachweisen zu können. In Wien hat das Labor Lifebrain die Ausschreibung der Bundesbeschaffungsagentur für sich entschieden. Technischer Partner ist die Firma Lead Horizon. Diese schaut darauf, dass wir zu den Testkits kommen, die dann ins Labor wandern, und dass das Ergebnis zu uns kommt. Lifebrain macht die Untersuchung der Proben – und das nach höchsten Standards, wie sowohl das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) als auch Lifebrain selbst bestätigen. Als Beweis gelten Ringversuche und unabhängige Kontrollen.

Wer gurgelt jetzt?

Doch was, wenn in dem abgegebenen Röhrchen gar nicht drinnen ist, was drinnen sein sollte? Was ist etwa, wenn ich zum Beispiel meine Lebenspartnerin, die eben erst ein negatives PCR-Test-Ergebnis bekommen hat, heimlich ins Röhrchen spucken lasse und ich im Video nur so tu, als ob? Mit ein wenig krimineller Energie lässt es sich einrichten, dass man das Teströhrchen kurz aus dem Bild verschwinden lässt. Das kann nicht auffallen, wenn es selbst im Demo-Video niemanden stört. Außerdem werden die Videos nur stichprobenartig kontrolliert, heißt es im Büro Hacker. Lead Horizon hat bei Fragen zu "Alles gurgelt" auf den Gesundheitsstadtrat verwiesen.

Fragen, die im Büro Hacker nicht beantwortet werden konnten und wegen derer ich noch einmal nachhakte, wurden bis zum Redaktionsschluss ignoriert. Darum bleiben diese auch offen.

Unklare Videoanalyse

Etwa, wie viele Videos werden täglich dieser Stichprobe unterzogen und wie schaut eine solche im Detail aus? Immerhin geht es um eine beachtliche Anzahl von Tests, die abgegeben werden. Allein vergangene Woche waren es in Wien 556.000. Wenn wir annehmen, dass die Videos tatsächlich jeweils nur etwas mehr als eine Minute dauern, müssten rund 80 Personen fünf Tage lang rund um die Uhr nichts anderes machen als diese Videos kontrollieren. Da ist also ziemlich sicher eine Lücke, die man zum Betrügen nutzen kann.

Doch wenn ein Mann einen Gurgeltest mit weiblicher DNA abgibt, fällt das bei einem Test, bei dem genetisches Material ausgewertet wird, nicht sofort auf? Nein, denn eigentlich wird nur geschaut, ob das Genmaterial des gesuchten Virus vorhanden ist. Das macht man mit einer Polymerase-Kettenreaktion, kurz PCR. Oder einfacher ausgedrückt, die Viren-RNA wird vervielfältigt und nachgewiesen. Menschliche DNA wird nicht untersucht. Aber jetzt wird es kompliziert.

Die interne Kontrolle

Als Kontrollmechanismus wird ein Gen vervielfältigt, ein sogenanntes Haushaltsgen, die RNAse P, wie Michael Havel, Geschäftsführer von Lifebrain, erklärt. Damit wird nachgewiesen, dass die PCR auch wirklich funktioniert. Das Ganze nennt sich dann interne Kontrolle und wird im Probenmaterial, in einer Positivkontrolle, einer Negativkontrolle und einer Wasserkontrolle mitgeführt – so der Terminus technicus. Darüber, wessen Probe untersucht wird, gibt der Test allerdings keine Auskunft.

Also spann ich meinen Gedanken weiter. Wenn eh nicht klar ist, wer da die Probe abgibt, wenn man es im Video leicht hintricksen kann, dass man das Röhrchen mit etwas anderem befüllt als dem eigenen Gurgelschlatz, dann könnte ich ja genauso gut einen Rachenabstrich bei meiner Katze machen und einschicken. Denn es wird ja auch nicht untersucht, ob überhaupt menschliche DNA in der Probe ist.

Herbert beim PCR-Test

Jetzt muss ich zugeben, dass die Katze von der Idee weniger begeistert war als ich und schon der schiere Anblick des Tupfers einen Fluchtreflex auslöste, dem die Katzenklappe fast zum Opfer fiel. Ich sah also von einer felinen Probe ab. Aber nach dem alten Naturgesetz, dass es von dort, wo sich eine Katze aufhält, nicht weit zum Fressen ist, war es naheliegend, das wehrlose Nassfutter um einen PCR-Abstrich zu bitten. Keine Gegenwehr. Die kam allerdings von woanders.

"Wer eine falsche Probe abgibt, damit er einen inhaltlich falschen Test bekommt, begeht damit eine vorsätzliche, zumindest aber eine fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Bei Vorsatz beträgt die maximale Freiheitsstrafe drei Jahre, bei Fahrlässigkeit ein Jahr. Daneben droht eine Geldstrafe nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz bis zu 1450 Euro", ließ mich Rechtsanwalt Thomas Fraiß wissen. Nachdem das so gar nicht in meine Zukunftspläne passte, zog ich ein unabhängiges Labor ins Vertrauen und bat dieses, die Katzenfutterprobe zu untersuchen.

Kurzum: Das Testergebnis war negativ und valide, also gültig. Allein bei der Sichtprüfung fiel eine leicht ungewöhnliche Trübung der Probe auf – obwohl, gab man zu bedenken, auch in echten Proben finde man sonderbare Farben.

Die erste Kontrolle

Auch jede Probe, die bei Lifebrain einlangt, wird erst einer Sichtprüfung unterzogen, erklärt Michael Havel: "Füllstand und Probenmaterialtrübung geben einen sicheren Hinweis darauf, ob ein Probenkit benutzt wurde oder nicht." Auch hier darf man bei fast 9,4 Millionen Proben, die in Wien bei "Alles gurgelt" inzwischen abgearbeitet wurden, leichte Zweifel hegen, dass eine leicht ungewöhnliche Färbung vom Katzenfutter auf dem vollgeklebten Teströhrchen sofort auffällt.

Ich ging sogar noch einen Schritt weiter und bat das Labor, nur die Salzlösung, ohne dass ich damit gurgelte, im Pool zu untersuchen. Lifebrain erstellt Zehnerpools, mischt also zehn Proben, und wenn in diesem Probenmix kein Virus nachgewiesen werden kann, ist folglich jede einzelne Probe negativ.

Kaum positive Testergebnisse

Ist das Ergebnis einer Pooluntersuchung positiv, werden die einzelnen Proben noch einmal untersucht. Bei 0,44 Prozent positiven Tests kann man davon ausgehen, eh in einem Negativpool zu landen – und dass sich die eingereichte Salzlösung niemand genauer anschaut. Das Ergebnis war abermals negativ und valide. Auch diese Probe wäre schon bei der Sichtprüfung aufgefallen, versichert Lifebrain. Aber es gibt ja noch einen, sogar einen einfacheren Weg, den Test zu fälschen.

Laut Anleitung soll man den Test gleich in der Früh, nach dem Aufstehen, vor dem Zähneputzen, Essen und Trinken machen. Da ist die Virenlast im Rachen am höchsten. Aber niemand kann kontrollieren, ob ich mich richtigerweise auch daran halte. Wenn ich die Anleitung ignoriere, ordentlich gurgle und mir den Mund sauber ausspüle, bevor ich meine Probe mache, ist ein negatives Ergebnis ziemlich sicher. Noch eher sogar, wenn ich diese Wasserstoffperoxyd-Lösung verwende, mit der Zahnärzte ihre Patienten gurgeln lassen, bevor sie diese behandeln. Doch es geht noch einfacher – und darauf gibt es dann zur Geldstrafe nur ein Jahr Häfen, wie mir Thomas Fraiß versichert.

Computertrickser

Das PDF-Dokument eines bereits erhaltenen Ergebnisses können auch digitale Laien mit wenigen Handgriffen mit einem neuen Datum oder einem neuen Namen versehen. Bei den Recherchen zu dieser Geschichte wurde mir zugetragen, dass dies sogar bereits öfter passiert sei. Erstens weil es schneller gehe als das ganze Testprozedere, das Ergebnis von vornherein feststehe und sowieso kaum wer genau kontrolliere oder gar den QR-Code einscanne.

Die Chance, mit einer Fälschung durchzukommen, ist also groß, wenn auch nicht enorm. Erst recht, wenn gefälschte PDF-Dokumente nicht ausreichend kontrolliert werden. Die Strafen dafür sind zu Recht hoch.

Klarstellung

So spannend und kurzweilig es war, einen Weg zu finden, einen PCR-Test zu fälschen, so wenig gehe ich davon aus, dass dies wirklich jemand beabsichtigt. Falls doch: Es ist grundlegend falsch und gefährlich für jede Einzelne, jeden Einzelnen und die gesamte Bevölkerung.

Viel mehr will ich bewiesen haben, wie wichtig es ist, sich an die Vorgaben für die Probenentnahme zu halten. Andernfalls gibt es kein valides Ergebnis. Erste Fälschungen wurden bereits gefunden und die Fälscher bestraft. Hört das nicht auf, wird die Konsequenz sein, dass die Probenentnahme nur mehr durch medizinisches Fachpersonal zugelassen wird. Und das bringt nicht nur Komforteinbußen, sondern kostet auch Geld. Mehr als jetzt schon.

Ein einzelner Test in Wien kostet den Staat – und damit den Steuerzahler – zwischen fünf und acht Euro. Bei den rund 4,6 Millionen Tests in Wien macht das unterm Strich, grob geschätzt, bis jetzt schon an die 50 Millionen Euro aus. (Guido Gluschitsch, 17.10.2021)