Die Situation mit den Grünen sei sehr volatil. Es sei jetzt seine größte Aufgabe, das Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.

Foto: Christian Fischer

Die Kisten sind schon vom Minoritenplatz übersiedelt, aber noch nicht ausgepackt.

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Das Bild, das in der Öffentlichkeit entstanden ist, sei kein schönes, räumt Schallenberg ein, er stehe nicht an, sich zu entschuldigen, Sebastian Kurz gehe seinen eigenen Weg.

Am Montag wurde Alexander Schallenberg als Bundeskanzler angelobt. Seine ersten Tagen im neuen Amt waren etwas holprig. Sein bedingungsloses Bekenntnis zu Sebastian Kurz sorgte für Diskussionen, das Verhältnis zu den Grünen ist noch zerrüttet. In seinem neuen Büro am Ballhausplatz stehen noch dutzende Kisten, zum Auspacken ist Schallenberg noch nicht gekommen.

STANDARD: Warum fällt es Politikern so schwer, sich zu entschuldigen? Ihr Vorgänger Sebastian Kurz hat das Unrecht beklagt, dem er sich ausgesetzt sieht, aber er hat nicht gesagt: Es tut mir leid.

Schallenberg: Ich kann nur für mich sprechen. Am Tag meiner Regierungserklärung, als Neos-Chefin Meinl-Reisinger mir Unterlagen hingelegt hat, wurde mein Weglegen als Respektlosigkeit gesehen. Dafür habe ich mich entschuldigt, denn das war keine Sekunde lang meine Intention. Kein Mensch ist unfehlbar. Wenn ich einen Fehler mache – und ich werde natürlich danach trachten, keine zu machen –, gestehe ich den auch ein. Umgekehrt gibt es natürlich auch Situationen, wo Entschuldigungen aus politischer Taktik gefordert werden.

STANDARD: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich für das in den Chats entstandene "Bild der Respektlosigkeit" entschuldigt, obwohl er nicht involviert war. Stünde das nicht auch dem Bundeskanzler an, sich da anzuschließen?

Schallenberg: Das Bild, das hier gezeichnet wird, ist kein schönes, daran gibt es keinen Zweifel. Aber ich will meinen Blick in die Zukunft richten. Unsere Aufgabe ist es jetzt, wieder in einen Arbeitsmodus zu kommen. Die Menschen wollen keinen Streit, sondern erwarten sich, dass gearbeitet wird.

Dem Vizekanzler will Schallenberg vorschlagen, nach dem Nationalfeiertag ein Get-together abzuhalten, um auch atmosphärisch wieder zueinanderzufinden.
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STANDARD: Sie haben mehrfach betont, eng mit Sebastian Kurz zusammenzuarbeiten. Was bedeutet das? Wird er Ihnen Ihre Kanzlerschaft vorgeben oder maximal Berater sein, wenn Sie Fragen haben?

Schallenberg: Ich hatte diese Woche zum Beispiel erst einmal Kontakt mit ihm. In einer repräsentativen Demokratie ist diese Zusammenarbeit für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich war etwas verwundert, dass das zu derart großem Erstaunen geführt hat. Eine Regierung beruht auf der Mehrheit im Nationalrat, und es ist klar, dass sich das Regierungsteam immer eng mit dem Parteiobmann abstimmt. Wir sind als Regierung keine freien Radikale, die im Raum herumschwirren. Das wäre absurd. Es gibt ein Regierungsprogramm, und meine Aufgabe ist es jetzt, das Ganze wieder in ruhige Fahrgewässer zu bringen.

STANDARD: Viele Beobachter waren dennoch erstaunt, dass Sie Ihre Treue zum abgetretenen Bundeskanzler so offensiv vor sich hergetragen haben.

Schallenberg: Ich sehe das ganz anders. In dieser außergewöhnlichen Situation und nach diesen wirklich turbulenten Tagen, die enorm anstrengend und emotionell fordernd waren, war für mich wichtig, dass ich sage, wie ich es anlege. Und dass ich mich selbstverständlich mit dem Klubobmann abstimme.

STANDARD: Können Sie ausschließen, dass Chats auftauchen, die diskreditierendes Material gegen Sie enthalten?

Schallenberg: Ich kann freilich nicht ausschließen, dass ich wo genannt werde, aber ich war nie Teil dieser Kommunikationsgruppen.

STANDARD: Sind Sie vorsichtiger beim Verfassen von Nachrichten?

Schallenberg: Natürlich habe ich Freunde, mit denen man scherzt. Für uns alle war das eine Lernkurve. In meinem beruflichen Leben, wahrscheinlich aufgrund des Jobs, den ich hatte, war das aber immer eine andere Tonalität.

STANDARD: Auf welche Zeitspanne im Kanzleramt stellen Sie sich ein, und mit welchem Spitzenkandidat geht die Volkspartei in den nächsten Wahl?

Schallenberg: Ich bin am Montag angelobt worden, und ich werde dieses Amt erfüllen bis zur nächsten Nationalratswahl. Sebastian Kurz ist der Parteiobmann, der Klubobmann, er wird von einer enormen Mehrheit in der Partei getragen. Ich bin sehr beeindruckt von der Geschlossenheit der ÖVP. Es gibt ein großes Zusammenrücken. Wir stehen Gott sei Dank nicht vor Neuwahlen. Wir haben den Karren gerade vor dem Abgrund zurückgerissen. Wir haben sowohl eine Konzentrationsregierung, die völlig absurd gewesen wäre, verhindert als auch Neuwahlen, das wollen die Menschen nicht.

STANDARD: Das heißt, Sie gehen nicht davon aus, dass Kurz vor Ende der Legislaturperiode zurückkehren könnte?

Schallenberg: Ich bin angelobt vom Bundespräsidenten auf diese Verfassung. Ich werde dieses Amt erfüllen bis zu den nächsten Wahlen.

STANDARD: Thomas Schmid, ein zentraler Akteur in der ganzen Angelegenheit, musste nicht wegen der strafrechtlichen Vorwürfe seinen Posten als Öbag-Vorstand räumen, sondern weil ihm aufgrund seiner Aussagen die charakterliche Eignung für die Führung der Staatsunternehmen abgesprochen wurde. Steht das nicht auch Sebastian Kurz im Wege?

Schallenberg: Genau deswegen sage ich: Ich habe großes Vertrauen in die Justiz. Das, was aufgeklärt werden muss, soll aufgeklärt werden. Ich hoffe, dass es auch rasch geschieht. Das andere Thema ist das Bild, das entstanden ist, das unschöne Bild. Kurz hat sich kürzlich auch öffentlich dazu erklärt. Aber in einem Rechtsstaat muss man das eine vom anderen trennen.

STANDARD: Woran wird man denn die Erfolge Ihrer Kanzlerschaft messen können?

Schallenberg: Die erste große Herausforderung ist, die Risse, die entstanden sind, zu kitten. Es ist eine veritable Erschütterung gewesen. Es ist meine Aufgabe, dieses Team, dieses Kollegialorgan Bundesregierung wieder zusammenzuführen. Ich werde dem Vizekanzler vorschlagen, dass wir nach dem Nationalfeiertag ein Get-together und eine Aussprache innerhalb des Regierungsteams machen. Wir werden als Bundesregierung nicht vorankommen, wenn es nicht ein Grundvertrauen gibt – und das muss wiederhergestellt werden. Ja, es ist volatil. Jetzt müssen wir schauen, dass sich das wieder beruhigt. Ich habe nach Gesprächen mit Werner Kogler das Gefühl, dass das auch sein Ansinnen ist und dass wir uns in diesem Punkt verstehen.

STANDARD: Da gibt es auch ganz andere Signale: Von der Opposition wurde ein Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht, der sich nur gegen die ÖVP richtet, begleitet vom Applaus der Grün-Abgeordneten. Was führt Sie zu dem Schluss, dass diese Koalition halten wird?

Schallenberg: Es gibt keine Erfolgsgarantie. Deshalb sage ich ja auch: Mammutaufgabe. Dass es einen Untersuchungsausschuss gibt, ist ein Prärogativ des Parlaments, das ist zu respektieren. Natürlich habe ich auch bei der Regierungserklärung am Dienstag im Parlament gemerkt: Man applaudiert nicht mehr wechselseitig. Da sind noch viele Emotionen im Spiel da, Verletzungen, Rachegefühle, das müssen wir jetzt alles beenden. Ich habe den Eindruck, dass das ein gemeinsames Ansinnen mit Vizekanzler Kogler ist, auch mit Klubobfrau Maurer. Das Bekenntnis der ÖVP ist ganz klar: Diese Regierung soll halten, diese Regierung soll weiterarbeiten.

Alexander Schallenberg in seinem neuen Büro am Ballhausplatz: Dort will er jedenfalls bis zum Ende der Legislaturperiode bleiben.
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STANDARD: Mit einem Get-together wird es nicht getan sein.

Schallenberg: Absolut. Das ist auch nicht meine Erwartung. Ich bin froh, dass wir mit dem Budget und der ökosozialen Steuerreform jetzt ein Herzstück der Arbeit der letzten Monate auf den Weg gebracht haben. Langfristig wird die Zusammenarbeit nur funktionieren, wenn wir dieses Basisvertrauen wiederaufbauen. Das braucht Zeit. Das ist die Aufgabe, die vor mir liegt. Es wird sich in der täglichen Arbeit zeigen, welchen Diskurs man miteinander pflegt, sowohl in der Bundesregierung als auch zwischen den Klubs. Dass nicht alles glatt laufen wird, dass es auch andere Stimmen gibt, davon muss man ausgehen. Aber wenn die wesentlichen Spieler einer Meinung sind, kann es sich ausgehen. Wir haben ein substanzielles Regierungsprogramm, aber es ist eine völlig außergewöhnliche Situation. Wir sind alle auf dünnem Eis unterwegs. Das muss uns allen klar sein: Wenn einer von uns aufstampft, bricht das Eis, dann sind wir alle im kalten Wasser.

STANDARD: Durch diese Chats ist auch die Inseratenvergabe durch die Ministerien in Diskussion geraten. Gibt es Vorschläge für mehr Transparenz?

Schallenberg: Es wäre verwegen, 96 Stunden nach der Angelobung schon Ankündigungen zu machen. Aber ich bin mir der Problematik bewusst, meine Türen stehen offen.

STANDARD: Immer mehr VP-Landesgruppen entdecken wieder ihre alte Liebe zur schwarzen VP. Macht Ihnen diese Absetzbewegung von der türkisen Bewegung Sorgen?

Schallenberg: Das sehe ich überhaupt nicht so. Das stärkste Gefühl, das ich spüre, ist ein Zusammenrücken. Der Parteiobmann hat die ÖVP zweimal zu einem Erfolg geführt. Das ist die zentrale Währung in einer Demokratie.

STANDARD: Wie lange kann diese Dankbarkeit halten?

Schallenberg: Das ist nicht mein Thema. Ich brauche eine ÖVP, mit der ich mich sehr eng abstimme. Ich werde deshalb auch in den nächsten Wochen die Landeshauptleute treffen, aber natürlich nicht nur die der Volkspartei. Jetzt schauen wir einmal, dass wir vom Gas runtergehen. Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir arbeiten und liefern. Ich kann mir gut vorstellen, dass alles in einigen Wochen wieder ganz anders ausschauen wird. Wir müssen aus dem jetzigen Aggregatzustand wieder herauskommen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das gelingen wird.