Österreich ist ein Land von bestenfalls charmanten, öfter jedoch recht unangenehmen Schlawinern, die immer bei allem dabei sein, aber nie an etwas schuld sein wollen. Die sich immer als Opfer sehen, aber nie für etwas verantwortlich sein wollen. Ein dummschlaues Land, das dummschlauen Politikern jahrelang auf den Leim geht, die sich von einer "russischen Oligarchennichte" hereinlegen lassen. Ein strukturell rechtes Land, das begeistert rechte Scharlatane wählt, solange sie nur gegen "Auslända" hetzen.

Ein Land, das immer wieder auf geschickte, jugendliche Blender hereinfällt, die immer wieder in den Graben fahren, manchmal buchstäblich.

"Ist es nicht die hoffnungsloseste und toteste aller Gewissheiten, unter einer Nation zu leben, die durch Schaden dümmer wird?" (Karl Kraus: Die Fackel, 1920).

"Auch a Regierungsmitglied, wann i mir’s so anschau … der is net anders wie i. Und i kenn mi. So san de alle." (Der Herr Karl, 1962).

Richtig? Ja, richtig. Aber.

Es gibt in diesem Land Gegenkräfte, es gibt trotz allem eine Art demokratischer Vernunft, es gibt ein Korrektiv.

Österreich fällt immer wieder auf geschickte, jugendliche Blender herein.
Foto: EPA

Der Bundespräsident hat vor zwei Jahren angesichts des Ibiza-Bubenstücks gesagt: "So sind wir nicht. So ist Österreich einfach nicht. Das wissen wir alle."

Wurde er jetzt widerlegt? Wieder ist ein glänzender junger Held an sich selbst und der eigenen Hybris (altgriechisch für "Anmaßung", "Selbstüberhebung") gescheitert. Die Arithmetik des Talentierten Sebastian Kurz (Titel einer Kolumne vom 8. 3. 2016) ist beachtlich: mit 35 zum zweiten Mal gestürzter Kanzler, innerhalb von vier Jahren zwei Koalitionen ganz, eine dritte halb gesprengt.

Es gibt – trotz Verlotterung der Öffentlichkeit – Wächter der Demokratie; es gibt – trotz Politisierung – funktionierende Institutionen; es gibt – trotz zeitweiliger Verblendung – eine Mehrheit der Bevölkerung, die sich nicht ewig zum Narren halten lässt.

Manipulative Politik

Ein Blick in die Geschichte: Kurt Waldheim genoss unglaubliche Popularität, ehe auch seine Anhänger – unter dem Eindruck kritischer Berichterstattung – erkennen mussten, dass sie sich in ihm getäuscht hatten. Die Sozialdemokratie beschützte jahrelang den Verbrecher Udo Proksch in der Lucona-Affäre. Sie ließ sich auf einen üblen Waffendeal der Verstaatlichten Industrie (Noricum) ein. Aber es gab einen Reinigungsprozess, an dem kritische Medien, eine zähe arbeitende Justiz (!) und eine neue SPÖ-Führung unter Vranitzky beteiligt waren.

Auch jetzt wieder zeigt sich, dass man mit einer geschickten, manipulativen Politik lange Zeit Erfolg haben kann. Aber wieder gibt es eine Kombination aus kritischen Medien, einer letztlich doch aufklärungswilligen Justiz und von Parteigranden, die doch nicht alles mittragen.

Sie zeigen der Hybris, wenn es doch einmal genug ist. Die Affäre Kurz ist nicht überstanden, aber der Siegeslauf ist gebrochen.

Österreich wird doch nicht Orbánistan. Das mag vermessen, ja unangemessen klingen, aber es ist belegbar. Das Modell Orbán beruht auf anfangs großer Popularität, in deren Windschatten die Weichen in Richtung autoritäres System gestellt werden: Gängelung der Medien, Unterwanderung und Unterwerfung der Institutionen, verdeckte Herrschaft einer verschworenen kleinen Clique. Die demokratische Bedenklichkeit von Kurz trat endgültig zutage, als er die Staatsanwaltschaft zu diskreditieren suchte.

Österreich ist all das, was oben aufgezählt wurde. Aber es ist doch mehr, es hat doch noch Kräfte, die es, spät, aber doch, vor den eigenen Schwächen retten.

(Hans Rauscher, 15.10.2021)