Mit Bahn und Bus fahren, das ist fürs Klima gut. Oft ist der Umstieg vom Auto nicht möglich, manchmal nur unbequem. Foto: Elmar Gubisch

Foto: Elmar Gubisch

Mit dem Klimabonus sollen die Auswirkungen der geplanten CO2-Bepreisung abgefedert werden. Dem Finanzminister bringt sie im kommenden Jahr 500 Millionen Euro. Um satte 1,2 Milliarden wird das Umweltbudget dafür aufgebläht. Doch was sagen jene, die in den Genuss des Klimabonus kommen? Steigen sie auf Öffis um, oder stecken sie das Geld nur dankend ein? DER STANDARD hat sich umgehört.


Die ökobewegte Familie mitten in Enns

Martin und Melanie Zittmayr leben mit ihren zwei Söhnen in Enns.
Foto: Wolfgang Simlinger

Klimaschutz fängt in den eigenen vier Wänden an – und braucht nicht unbedingt einen Bonus.

Wer sich der schmucken Doppelhaushälfte von Melanie und Martin Zittmayr im Zentrum von Enns nähert, merkt rasch, dass man hier das Ökogewissen nicht nur mit einer Tasse Fairtrade-Kaffee am Morgen beruhigt. Das Motto lautet vielmehr schon vor der Haustüre "Angsteckt is". An der hauseigenen Ladestation zuzelt das neue E-Auto der vierköpfigen Familie.

Dem steckerlosen Zweitwagen haben die Zittmayrs im Vorjahr endgültig den Laufpass gegeben. "Es war eine ganz bewusste Entscheidung. Ein Auto ist die meiste Zeit nur gestanden. Wir sind mit dem Zweitwagen in einem Jahr nur 5000 Kilometer gefahren. Mit Blick auf die Fixkosten war uns das irgendwann zu viel. Und wir haben den Verkauf keinen Moment bereut", erläutert Melanie Zittmayr.

Ihr Mann hat sein Büro im Zentrum von Linz nahe dem Hauptbahnhof. Drei Tage pro Woche besteigt der IT-Spezialist den Zug am Bahnhof Enns und fährt in die Arbeit, zwei Tage ist Homeoffice angesagt: "Es funktioniert nur, weil wir in Fußnähe zum Bahnhof wohnen." Die optimale Öffi-Anbindung war übrigens auch die Voraussetzung beim Hauskauf. Zittmayr: "Ich will mich CO2-neutral bewegen können. Die entscheidenden Kriterien waren daher für uns auch, wie weit wir zu Bus und Bahn haben."

Doch eine fahrbare Ausweichmöglichkeit gibt es. "Ich teile mir quasi mit meinem Bruder ein Auto. Sollte ich weitere Strecken, etwa eine Dienstreise, absolvieren müssen, kann ich mir das Fahrzeug ausborgen. Was aber de facto vielleicht zweimal pro Jahr vorkommt. Weil das Zugfahren so extrem lässig geworden ist."

Einfacher mit dem Auto

Das E-Mobil ist bei den Zittmayrs fast ausschließlich in weiblichen Händen. "Ich fahre eigentlich meistens mit dem Auto in die Arbeit nach Linz, bereue es aber oft, wenn ich für die kurze Strecke manchmal über eine Stunde brauche", erzählt die Immobilienexpertin. "Wegen der Kinder" sei es mit dem Auto aber oft einfacher. Man lebe dennoch generell mit der Einstellung, dass "für die Generationen danach etwas Lebenswertes übrigbleiben muss", sagt Melanie Zittmayr.

Die aktuelle Steuerreform samt Klimabonus – in Enns werden das 167 Euro sein – wird im Hause Zittmayr nicht merklich etwas verändern. "Wir haben uns ja als Familie schon lange mit dem Thema Klimaschutz auseinandergesetzt. Und eben überlegt, wo wir ansetzen können. Insofern hat unser Umdenkprozess nicht erst jetzt eingesetzt", erzählt Projektmanager Martin Zittmayr. Einer CO2-Besteuerung steht der Familienvater prinzipiell positiv gegenüber: "Aber es gibt ein Stadt-Land-Gefälle. Wenn auf der einen Seite eine Besteuerung von CO2 kommt, braucht es auf der anderen Seite eine Art Kompensation, weil sich viele Menschen gerade im ländlichen Raum nicht öffentlich bewegen können." Ob die geplante CO2-Abgabe zu gering sei? Zittmayr: "Man kann natürlich immer mehr machen. Aber ja, es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung."

Weitere Klimaschutzschritte

"Mehr machen" bleibt jedenfalls das Motto der Zittmayrs, denn den Zustand der völligen Ökozufriedenheit hat man noch nicht erreicht. "Ich finde es zum Beispiel bedauerlich, dass wir eine Gasheizung haben. Es ist unverständlich, dass man 2019 den Einbau noch zugelassen hat", so Martin Zittmayr. Man sei daher "jeden Tag am Überlegen", was man als "Zusatzalternative" machen könne. Ebenso im Bereich der Stromversorgung. Konkret gibt es die Überlegung, mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach den nächsten familiären Klimaschutzschritt zu gehen. (Markus Rohrhofer)


Der Zweifler aus dem Salzkammergut

Peter Niederreiter arbeitet in der Schuldenberatung Salzburg.
Foto: privat

Der Klimabonus führt zu keiner Verhaltensänderung – zudem ist er unsozial.

Er habe durch den Klimabonus überhaupt keine Motivation, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, sagt Peter Niederreiter. Der Geschäftsführer der Schuldenberatung Salzburg lebt in einer Wohnung am Ortsrand von Mondsee und pendelt jeden Tag mit dem Auto zu seinem Arbeitsplatz in der Alpenstraße im Süden der Stadt Salzburg. "Eine Motivation wäre, wenn der Schmerz erhöht würde oder wenn es einen Lustgewinn durch das Öffifahren gäbe", sagt Niederreiter. Aber mit dem neuen Klimabonus bekomme er mehr Geld für keine Verhaltensänderung. Die neue CO2-Abgabe würde ihn wohl 130 Euro mehr pro Jahr kosten, rechnet der Geschäftsführer vor. "Aber ich bekomme 200 Euro retour. Warum soll ich da umsteigen?"

Die Knapp-4000-Einwohner-Gemeinde Mondsee liegt im oberösterreichischen Salzkammergut, direkt an der Landesgrenze zu Salzburg. Die Marktgemeinde fällt in die vierte und damit höchste Bonusstufe, in der den Bewohnern 200 Euro an Klimabonus als Ausgleich für die CO2-Bepreisung ausgezahlt werden sollen. "Das ändert an meinem Bewusstsein nichts", sagt Niederreiter.

Schneller mit dem Auto

Zur nächsten Bushaltestelle müsste der Mondseer einen Kilometer zu Fuß gehen. An einer anderen Haltstelle knapp vor der Haustüre fahre der Bus selten und sei voll belegt, da er als Schnellbus über die Autobahn fahre. Der Postbus nach Salzburg fährt im Halbstundentakt. Aber dann müsse er beim Hauptbahnhof Salzburg umsteigen, um ins Zentrum Herrnau in die Alpenstraße zu kommen. "Ich fahre fast zwei Stunden oder zumindest eineinhalb mit dem Bus. Mit dem Auto brauche ich die Hälfte, außer ich stehe im Stau", sagt der Schuldenberater.

Leider gebe es keine Eisenbahn in der Nähe von Mondsee. Die Ischler Bahn, die Lokalbahn, die 1957 eingestellt wurde, wieder zu aktivieren, das wäre eine Verbesserung, meint Niederreiter. Was über die CO2-Bepreisung eingenommen werde, sollte seiner Ansicht nach zweckgebunden in die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und in die Ticketpreisgestaltung fließen. "Warum schütt ich das an die Leute aus. Das ist für mich ein Blödsinn." Das Geld austeilen erinnere ihn an Jörg Haider, der als Kärntner Landeshauptmann 100-Euro-Scheine als Teuerungsausgleich verteilt habe.

Darüber hinaus hält Niederreiter die Steuerreform und vor allem den Klimabonus für wenig sozial. "Wer bekommt den Hunderter nicht? Jene, die Sozialunterstützung oder Mindestsicherung beziehen", ärgert sich Niederreiter. Zwar sollen Arbeitslose oder Mindestsicherungsbezieher laut Grüne nicht ausgenommen werden. Niederreiter befürchtet aber, dass Bezieher der Sozialunterstützung trotzdem um die 200 Euro umfallen könnten, wenn dieser als Sonderzahlung angerechnet wird. "Auf bestehender Rechtslage in Salzburg muss das als Einkommen angerechnet werden und wird von der Sozialunterstützung abgezogen werden", erklärt Niederreiter. Der Bund überweise also diesen Bonus, und das Land ziehe es wieder ab.

Brosamen für Geringverdiener

Auch der Familienbonus plus, der im Zuge der Steuerreform auf 2000 Euro pro Kind erhöht werden soll, bringe nur Familien etwas, die auch Steuern zahlen. Geringverdienende Alleinerzieherinnen etwa erhalten nur einen Kindermehrbetrag von 250 Euro.

Dass der Klimabonus den Stadt-Land-Konflikt befeuern könnte, glaubt Niederreiter nicht. "Das ist nur medial losgebrochen worden." (Stefanie Ruep)


Der Oberarzt knapp hinter der Stadtgrenze

Stefan König ist Oberarzt in Donaustadt und wohnt in Gerasdorf.
Foto: privat

Mehr Klimabonus für ein paar Hundert Meter abseits der Stadt ist gerechtfertigt.

Vom Haus von Dr. Stefan König sind es nur 500 Meter bis zur Wiener Stadtgrenze, die wie ein Messer noch einmal 33 Euro Klimabonus abschneidet. Oder anders herum gesehen: Genau ab der Grenze gibt es mehr Klimabonus. "Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, weil ich die Berechnungsgrundlagen nicht kenne", sagt der Unfallchirurg, der als Oberarzt in der Klinik Donaustadt und in seiner Privatpraxis im Dritten arbeitet. "Andererseits verstehe ich das insofern, weil ab der Stadtgrenze die öffentliche Verkehrsanbindung deutlich schlechter ist." Die Umlandlinien hätten einen anderen Verkehrstakt, der sich stark nach den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler richte – abseits davon fahren deutlich weniger Busse.

Der kurze, lange Weg zur Arbeit

Obwohl, die Frage, ob er mit den Öffis in die Arbeit fährt, stellt sich für ihn derzeit ohnedies nicht. "Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln Bus, Schnellbahn und Bim brauche ich eine Stunde und zehn Minuten und muss viermal umsteigen – mit dem Auto oder Motorrad schaffe ich es in rund einer Viertelstunde." Sein Arbeitsbeginn um halb acht Uhr früh fließt in die Entscheidung, welches Verkehrsmittel er wählt, natürlich mit ein.

Noch hat König keine Jahreskarte, aber er gehe bald in Pension, und damit werde sich das ziemlich sicher ändern. "Ich überlege mir, das Klimaticket zu kaufen", sagt er, "weil es um diesen Preis wirklich sinnvoll ist, wenn alle öffentlichen Verkehrsmittel inkludiert sind. Ich muss mir aber noch anschauen, wie die Möglichkeiten eines E-Car-Sharing etwa in Villach sind, um von dort aus weiterfahren zu können."

Ist der Unfallchirurg nicht im Dienst, vertreibt sich die Zeit vor allem mit Sport oder Motorradtouren. Zum Skifahren mit dem Zug nach Salzburg? Ja, das kann er sich gut vorstellen. Vor allem weil mit dem Klimaticket die An- und Abreise ja schon bezahlt ist.

Er hält aber fest, dass es nicht der Klimabonus sei, der ihn jetzt zum Umdenken bringe. "Es muss ja einen Zeitpunkt X geben, an dem man damit anfängt, seine Mobilität zu überdenken." Generell ist er aber wohl der Meinung, dass dieser Klimabonus nun etwas verändere – wenn auch nicht an den Verbindungen der Öffis in Gerasdorf.

"Die zuletzt prognostizierten rund 7000 verkauften Klimatickets zeigen, dass es einen Bedarf dafür gibt. Der Klimabonus ist für mich wie eine Kugel, die nun vieles leichter ins Rollen bringt. Die Leute werden nach einem Jahr sehen, dass es nicht schlecht ist, wenn sie ab und an aufs Auto verzichten, die Heizung sanieren, eine Photovoltaik andenken." Es sei ein wichtiger Schritt, dass sich die Menschen wegen des Klimatickets und des Klimabonus nun über dieses Thema überhaupt unterhalten, sich damit befassen.

Zuckerl Klimabonus

"Der Klimabonus ist ein Zuckerl, um umweltfreundlicher unterwegs zu sein, Energie bewusster zu verwenden", damit das jetzt jeder für sich angehen kann, bevor es uns eines Tages womöglich aufgezwungen werden müsse. Ob sich das Ganze rechnet? Das müsse jeder für sich herausfinden.

Noch ist der CO2-Preis ja recht niedrig, und "wenn ich mir andere Länder anschaue, die ihn schon früher eingeführt haben, dann sind dort die Preise schon deutlich höher – durch den früheren Start konnte man die Bevölkerung besser dafür sensibilisieren", ist König überzeugt. Doch viel hänge auch von den Technologien ab, die uns künftig helfen werden, CO2 zu reduzieren und zu speichern. (Guido Gluschitsch)


Die Waldviertler Zahlenverwalterin

Hilde Pfeiffer war autolose Wiener Wochenpendlerin.
Foto: Gerald Simon

Auf dem Land mit Öffis zu pendeln geht nicht. Rasche Verbindungen gibt’s in die Städte.

Gmünd: Das ist ein ganz gutes Beispiel für die Verzwicktheit des guten ökologischen Wollens. Hilde Pfeiffer kann davon auch ein schönes Lied singen – und zwar beide Strophen. Die 56-jährige Bürokauffrau, die sich selbst gerne "Zahlenverwalterin" nennt, war viele Jahre lang Wochenpendlerin nach Wien "hinunter", wie man im oberen Waldviertel sagt.

"Ich habe kein Auto gebraucht", erzählt sie, "auch Dienstreisen habe ich meistens öffentlich absolvieren können. Nach Linz war das ganz unproblematisch." Falls sie ein Auto ausnahmsweise dennoch gebraucht habe, "habe ich auf einen Poolwagen in der Firma zurückgreifen können". Aus ökologischer Sicht lebte Hilde Pfeiffer also auf besonders kleinem Fuß. Gmünd liegt an der Franz-Josefs-Bahn, da war das Pendeln in die Metropole kein unüberwindliches Problem.

Dann freilich kam – wie das halt so ist, wenn man nicht aufpasst – die Liebe dazwischen. Und auch die Sorge. "Die Mutter ist nicht mehr die Jüngste. Ich wollte einfach in der Nähe sein." Vor einigen Jahren nahm sie einen Job in Heidenreichstein an. Seit dem Sommer arbeitet sie in Waidhofen an der Thaya. Der Traum vieler Wochenpendler – eine Arbeit daheim zu finden – ist freilich auch ein Ökodilemma, denn: "Öffentlich geht da gar nix."

Angewiesen aufs Auto

Von Gmünd nach Waidhofen sind es knapp 30 Kilometer. "Öffentlich geht’s aber mit der Kirche ums Kreuz. Mit dem Bus bräuchte ich anderthalb bis zwei Stunden in einer Richtung." Fahrzeit. "Von Tür zu Tür wäre es noch länger." Hilde Pfeiffer musste sich also ein Auto anschaffen, "damit brauch ich rund eine halbe Stunde". Auch der Lebensgefährte arbeitet. Auch er braucht ein Auto. Öffentlich unterwegs zu sein in der Fläche ist ein frommer Wunsch. Hilde Pfeiffer sagt: "Ein bisserl blauäugig." Gmünd, so meint sie, sei dafür ein ganz gutes Beispiel. Gmünd, die rund 5000 Einwohner große Bezirkshauptstadt, ist ja an die Zentren halbwegs gut angebunden. Einst war es sogar eine richtige Eisenbahnerstadt, selbst nach dem Zusammenbruch der Monarchie, als die Stadt mit Böhmisch Wielands, dem heutigen České Velenice, den Bahnhof und die großen Werkstätten verlor. Bis 2001 gab es sogar einen EPSV; der Eisenbahner- und Postsportverein spielte in den 1990er-Jahren noch in der Fußballregionalliga.

Zentralistische Öffis

"Neben der Franz-Josefs-Bahn gibt’s auch noch die sogenannten Wieselbusse, die nach Krems und St. Pölten fahren." Die Konsequenz dieser guten Basisanbindung ist die Einstufung in der Stufe drei. Hilde Pfeiffer bekommt also einen Ökobonus von 167 Euro im Jahr; um 67 Euro mehr als die Wiener. Die Rückübersiedlung nach Hause "hat mich ein paar Hunderter gekostet, abgesehen vom notwendigen Auto war das auch ein deutlicher Einkommensverlust". Gmünd war, so wie das nahe Schrems oder Heidenreichstein, eine Industriestadt. Jetzt hofft man mehr auf Handwerk und Tourismus. Auf den Schmalspurgleisen nach Heidenreichstein verkehrt jetzt der Wackelstein-Express.

Dass man auf dem Land zumindest in Heizfragen flexibler wäre als in der Stadt, mag Hilde Pfeiffer, die in Wien in einer großen Hausverwaltung gearbeitet hatte, nicht gelten lassen. "Vor ein paar Jahren haben wir eine neue Gastherme angeschafft. Ich bin jetzt 56, mein Lebensgefährte über 60. Und jetzt sollen wir in ein neues Heizsystem investieren, das sich erst über Jahrzehnte amortisiert? Ohne zu wissen, ob die Kinder überhaupt das Haus übernehmen?" (Wolfgang Weisgram, 16.10.2021)