Annabel Schasching (rechts) führt ihr Team Sturm Graz als Kapitänin an. Am Sonntag wartet der Schlager gegen den punktegleichen Favoriten und Tabellenführer SKN St. Pölten.

Foto: SturmTifo.com

Sechs Spiele, sechs Siege. Mit Sturm Graz und dem SKN St. Pölten prallen am Sonntag (12 Uhr, live auf ORF Sport+) die beiden ungeschlagenen Teams der Planet Pure Bundesliga aufeinander. Trotzdem gelten die Fußballerinnen aus Niederösterreich als klarer Favorit, dazu reicht ein Blick auf die Statistik: St. Pölten gewann 51 der letzten 52 Ligaspiele und holte zuletzt sechs Meistertitel in Folge, vergangene Saison ohne Punktverlust. "Sie dominieren die Liga wie Bayern München oder Salzburg bei den Männern", sagt Mario Karner, Leiter der 2011 gegründeten Frauenfußballabteilung in Graz.

Er trainierte damals Mädchen an der Sportmittelschule. Ein Team wollte abseits davon weiter kicken, da nutzte der ehemalige Bundesliga-Kicker seine Kontakte zu Ex-Klub Sturm. "Wir haben amateurhaft begonnen, trainierten nur dreimal pro Woche", sagt der 38-Jährige dem STANDARD. Die Strukturen fehlten. Karner baute sie mit auf. Herzstück ist die Akademie Steiermark – Sturm Graz, die eine duale Schul- und Fußballausbildung ermöglicht. Den Mädchen und Frauen kommt dabei das Know-how des Männer-Bundesligisten zugute. Sei es bei der Talententwicklung oder den Trainerfortbildungen. Die Spielerinnen profitieren zudem von der medizinischen Abteilung und trainieren auch im Trainingszentrum Messendorf. "Und wir haben einen Bus für die Auswärtsspiele", sagt Karner.

Andere Voraussetzungen

Sturm hat sich in der Liga etabliert, schloss die letzten sieben Spielzeiten in den Top drei ab. Das Duell gegen den Ligaprimus sei trotzdem kein Duell auf Augenhöhe, sagt Karner. Sturm sieht sich als Talenteschmiede. Die Fußballerinnen kicken auf Amateurbasis. Das Problem: "Leistungsträgerinnen verschwinden rasch ins Ausland."

Oder zu St. Pölten, wie etwa Stefanie Enzinger 2017. Die 30-Jährige erzielte heuer zehn der 39 Ligatore des Serienmeisters. Gegentore? Fehlanzeige. Die schnelle und kopfballstarke Stürmerin findet es schade, dass "wir so wenig Konkurrenz haben". Dass der SKN in der Liga defensiv kaum gefordert werde, sei in internationalen Spielen ein Nachteil. Aufgrund des starken Saisonstarts ihres Ex-Klubs hofft sie auf ein "cooles Duell".

Enzinger durchlief nie eine Akademie. "Die gab’s früher einfach nicht", sagt die Nationalspielerin. Dafür spielte sie mit 15 Jahren bereits gegen Erwachsene. Heute gibt’s für die Altersstufe 14 bis 18 als Zwischenschritt zur Bundesliga die Future League, eine Mischung aus Akademie- und Zweierteams. Enzinger erkennt eine Professionalisierung. "Ich habe mit 14 noch kein Krafttraining gehabt."

Dieses eine Mal

Der Konkurrenzkampf in St. Pölten ist hart. "Wir sind eine routinierte Mannschaft", sagt Enzinger. Allein die 29-jährigen Jasmin Eder und Lisa Makas kommen zusammen auf mehr als 100 Länderspiele. Und der SKN kann die Spielerinnen auch länger halten als die Konkurrenz. Letzte Saison waren 14 angemeldet und sozialversichert, galten als Profis mit kollektivvertraglichem Mindestlohn. Enzinger konnte so ihr BWL-Studium abschließen und absolviert zurzeit den Trainerkurs und das Masterstudium "Training und Sport" an der Fachhochschule Wiener Neustadt. Die gewachsene TV-Präsenz der Liga zeigt für sie, dass sich die Liga gut entwickle. "Gut, aber langsam."

Karner betont, dass der SKN zwar einen budgetären Vorteil habe, aber einfach auch wirtschaftlich gut arbeite. Sturm wolle ebenfalls die Rahmenbedingungen, unter anderem im Sponsorbereich, professionalisieren. Aktuell helfe man Spielerinnen bei der Jobvermittlung.

Annabel Schasching sucht derzeit einen Nebenjob. Es sei schwer, Berufs- und Trainingszeiten unter einen Hut zu bringen. Die 19-Jährige wechselte 2020 vom SKN zu Sturm. Der Druck beim Starensemble wurde ihr zu groß. "Ich habe mir eingebildet, ich muss jedes Mal perfekt spielen." Die kreative Mittelfeldspielerin fühlte sich im Kopf blockiert. In Graz kann sie wieder befreit aufspielen und erzielte heuer bereits vier Tore. Ziel sei Platz zwei, den man letzte Saison erst am letzten Spieltag an Austria Wien/Landhaus verlor. Für Schasching sei ein Problem, dass zwischen "Großmacht St. Pölten und Abstiegskandidat Südburgenland Welten dazwischen liegen. Die Qualität ist wöchentlich ein Auf und Ab."

Sie hofft, dass Salzburg und Rapid künftig in den Frauenfußball investieren. Zwei dortige Trainingszentren würden die "Qualität der Liga steigern". Die Kapitänin träumt davon, einmal in Spanien zu spielen – und von der Sensation am Sonntag: "Wir wollen 90 Minuten dagegenhalten." Zuletzt verlor der SKN am 27. Mai 2018 mit 0:1. Der damalige Gegner? Sturm. Karner hofft neuerlich auf den Statistikgott: "Realistisch gesehen verlieren wir von zehn Spielen neunmal gegen St. Pölten", sagt der Funktionär. "Aber vielleicht ist ja am Sonntag dieses eine Spiel." (Andreas Gstaltmeyr, 16.10.2021)