Gemeinsam, nicht gegeneinander: So stellten sich die beiden nicht amtsführenden Stadträte in Wien, Peter Kraus und Judith Pühringer, am Samstag den Delegierten der grünen Landesversammlung. Abgestimmt wurde nicht über die einzelnen Personen, sondern das Team. Gegenkandidatinnen oder -kandidaten gab es nicht. Von den 201 abgegebenen Stimmen entfielen 168 auf die neue Doppelspitze – das sind 83,6 Prozent.

Judith Pühringer und Peter Kraus wollen die Wiener Grünen führen.
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Die Voraussetzungen dafür, dass künftig ein Team an der Spitze stehen kann, wurden vor wenigen Wochen in einer Statutenänderung geschaffen. Nach der Wahl soll – noch vor Ort – der inhaltliche Weiter- und Neuentwicklungsprozess starten.

Der Grund für die Neuwahl: Nachdem die Grünen 2020 aus der Stadtregierung ausgeschieden waren und infolge interner Querelen legte die ehemalige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein auch die Parteiführung zurück. Hebein hatte erst 2019 von Maria Vassilakou das Amt der Vizebürgermeisterin übernommen und wurde wenig später auch zur ersten Parteiobfrau der Wiener Grünen gekürt. Seit Hebeins Rücktritt fungierte Landesparteisekretär Peter Kristöfel als interimistischer Parteichef. Er selbst strebte die Funktion nicht an.

Kogler: Bewährungsprobe

Als erster großer Punkt stand die Rede des Bundessprechers und Vizekanzlers Werner Kogler am Programm. Erst danach ergriffen Pühringer und Kraus das Wort. "Es ist berührend, dass wir uns auch so wieder treffen und zusammenfinden können", sagte Kogler. Er und die grüne Klubchefin im Parlament, Sigrid Maurer, würden auch für informelle – "nicht öffentliche" – Gespräche zur Verfügung stehen.

Werner Kogler: "Seit diesem ominösen Mittwoch" habe es mehrere Bewährungsproben gegeben.
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"Wir wollen gleich wieder in die Zukunft blicken", sagte der Vizekanzler. Aber zuerst wolle er darauf eingehen, was in den vergangenen Wochen und Tagen geschehen ist. Es habe mehrere Bewährungsproben in dieser Republik gegeben: Für die Regierung, aber auch für die unterschiedlichen Instanzen der Republik – "allen voran: den Bundespräsidenten", sagte Kogler: "Wir verneigen uns." Kogler könne sich nicht daran erinnern, dass in den vergangenen Jahren ein Bundespräsident so eine tragende Rolle eingenommen hätte, wie Alexander Van der Bellen das seit seiner Wahl 2016 getan habe. Zuerst nach dem Ibiza-Video, jetzt in der aktuellen Inseratenaffäre.

Intensive Gespräche

Aber auch das Parlament habe eine Bewährungsprobe hinter sich. Die Parteien hätten diese bestanden. Allen voran die Grünen, befand Kogler. Seine Partei hätte "staatspolitische Verantwortung" wahrgenommen, sagte Kogler: "Wir haben mehrere Varianten in dieser Krise gehabt. Alles, was wir uns vorgenommen haben, haben wir intensiv besprochen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer", sagte Kogler. "Seit diesem ominösen Mittwoch" habe man die Länder eingebunden.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Justizministerin Alma Zadić bei der Landesversammlung der Wiener Grünen.
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"Es war nicht das Ziel, dass wir nach eineinhalb Jahren Regierung diese Krise haben", betonte Kogler. Dass Kogler am Donnerstag nach der Hausdurchsuchung in der ÖVP-Parteizentrale erklärt hatte, Sebastian Kurz sei nicht mehr handlungsfähig, sei keine Parteitaktik gewesen. Es sei alleine das, was in den Chats zu lesen war, der Grund für das Agieren der grünen Bundesparteispitze gewesen.

In der Causa habe sich zudem gezeigt: Die Justiz funktioniere und man sollten sie arbeiten lassen – "und zwar unabhängig", sagte Kogler. "Die unabhängige Justiz, das ist eine ganz wesentliche Säule", sagte der Vizekanzler in Richtung der anwesenden grünen Ministerin Alma Zadić. Es sei zudem notwendig, festzuhalten, dass Angriffe auf diese nicht zulässig seien. Zu den Hausdurchsuchungen meinte Kogler: "Wer sich ungerecht behandelt fühlt, soll sich an den Rechtsstaat wenden, aber nicht den Rechtsstaat attackieren."

Lob hatte Kogler auch für die Steuerreform dabei. Ob der CO2-Preis "viel zu niedrig" sei, könne man diskutieren. Die "Rückverteilung" über den Klimabonus sei der "soziale Ausgleich" der Reform.

"Rücktritt" kein "Zur-Seite-Treten"

Kraus und Pühringer stiegen bei ihrer Vorstellung ebenfalls mit der Causa Prima ein: "Es geht um Korruption, es stehen Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue im Raum", sagte Kraus: "Nennen wir all das was, Altkanzler Kurz getan hat, beim Namen." Er sei zurück, nicht zur Seite getreten. Das, was sich in den Chats von Kurz und Co gezeigt habe, sei "ein Sittenbild, das wir in der Politik nicht haben wollen".

Werner Kogler, Sigi Maurer und die Grünen als Partei hätten in dieser Situation "Verantwortung übernommen", sagte Kraus. "Es braucht Stabilität und einen klaren Fokus auf die Arbeit, die vor uns liegt", sagte Pühringer. "Es gibt zwei völlig unterschiedliche Zugänge zu Politik, zu einem Menschenbild", sagte Pühringer: "Wir treten hier als Team gemeinsam an, weil wir eine andere politische Kultur wollen. Wir wollen Respekt statt Ellbogentechnik, unterschiedliche Stimmen hören statt Message Control", sagte Pühringer. Und man trete an, "weil Wien uns Grüne braucht".

"Bagger los"

Sofort, als die Grünen aus der Koalition geflogen sind, habe Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) "schon seine Bagger losgelassen", sagte Kraus. Das Motto von Rot-Pink sei offenbar: "Weniger Grün, mehr Grau." Die SPÖ habe nun einen Klimakurs eingeschlagen, der "zurück in die 1970er Jahre" führe. Doch: "Die Klimakrise kann man nicht wegbetonieren."

Der Kampf gegen die Klimakrise sei "nichts Abstraktes", erklärte Kraus. Und: "Der Klimaschutz ist Menschenschutz. Wer das Klima rettet, rettet die Menschen und die Lebensqualität in dieser Stadt. Michael Ludwig weiß das, die SPÖ weiß das. Sie sehen, wie es brennt, aber tun nichts. Angesichts der Zunahme der Hitzetage in der Stadt kann man nur sagen: Es ist unterlassene Hilfeleistung". Während Ludwig die Hände in den Hosentaschen habe, wollten die Grünen "die Hand reichen", sagte Pühringer: "Denn wir müssen jetzt handeln, wir haben nur noch zehn Jahre Zeit, um in der Klimakrise das Ruder herumzureißen." (ook, 16.10.2021)