Nur widerwillig und immer mit einer Wuchtel auf den Lippen fügt sich dieser Fleischhauer den Behörden: Johannes Krisch als Josefstädter Bockerer.

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Es ist kein Zufall, dass die Karriere des Fleischhackers Karl Bockerer etwas brauchte, bis sie Fahrt aufnahm, sich dann aber als sehr nachhaltig erwies. Als Typus vereint diese Theater- und spätere Filmfigur all jene Eigenschaften, denen das Wiener Herz zu Füßen liegt. Durch und durch renitent und dabei so gemütlich, schlawinert sich der Bockerer auf der Wiener Wieden durch die NS-Zeit.

Als Karl Merkatz diesem Wiener Original 1981 in der Verfilmung von Franz Antel sein Gesicht verlieh, rehabilitierte er damit ein Stück weit auch das Selbstverständnis einer Stadt, die sich mit einem Typus wie dem Herrn Karl deutlich schwerer tut: Hinter der Maske des politischen Desinteresses schlummert bei Karl Bockerer nämlich ein ausgefuchster Feind aller politischen Obrigkeiten. Darauf kann man sich in dieser Stadt schnell einigen.

Als die Wiener und Berliner Emigranten Peter Preses und Ulrich Becher diesem Typus des "guten Wieners" ein Theaterstück widmeten, lag die NS-Zeit gerade einmal drei Jahre zurück. Die Erzählung vom widerspenstigen Fleischhauer aus der Paniglgasse 35 traf zwar den Geschmack der Theatergänger des hochpolitischen Theater Scala, eine breitere Rezeption war ihr aber nicht vergönnt. Dafür bedurfte es eines größeren zeitlichen Abstands, der Verkörperung durch einen Publikumsliebling und natürlich der Anreicherung der Geschichte durch ein süßliches Liebesdrama.

Keine Liebesgeschichte

Diese fehlt in der Fassung des Theaterstücks von Preses und Becher, die jetzt im Theater in der Josefstadt auf den Spielplan gehoben wurde, genauso wie die homophobe Zeichnung der NS-Chargen. Der Bockerer aus der Josefstadt ist ein deutlich ungemütlicherer Kerl, als man ihn aus der Filmfassung kennt. Aber das hat auch viel mit Johannes Krisch zu tun, der bei der Premiere mit Standing Ovations bedacht wurde.

Mit einer pandemiebedingten Verspätung von zehn Monaten feierte die von Regisseur Stephan Müller erarbeitete Inszenierung des Bockerer jetzt Premiere. Und so viel lässt sich schon jetzt sagen: Diese grundsolide und grundsympathische Inszenierung wird nicht mehr so schnell vom Spielplan verschwinden.

Hakenkreuzfahne abzugeben

Zügig und mit wenigen Nuancierungen kommt man auf der von Sophie Lux mit einigen Versatzstücken gestalteten Drehbühne zur Sache: Während Karl Bockerer mit seinen jüdischen oder kommunistischen Freunden weiter tarockieren oder tschechern möchte, werfen sich Frau (Alexandra Krismer) und Sohn (stramm: Tobias Reinthaller) den neuen Machthabern an den Hals.

"Ungebrauchte Hakenkreuzfahne billig abzugeben" steht auf dem Schild, das der Bockerer vor seine Metzgerei hinstellt. Wird der Fleischermeister vor die Gestapo zitiert, behält er seine blutige Schürze an. Die Vernehmung führt ein Dr. No mit riesigen Schulterpolstern (Ulrich Reinthaller), statt mit Namen schmeißt der Bockerer mit Wuchteln um sich.

"Der Bockerer" in der Josefstadt
Foto: APA/astrid Knie

Es ist diese Balance aus Witz und Klischees, die Regisseur Stephan Müller routiniert hinbekommt: Die Wochenschau flimmert, die Handkameras wackeln, die NS-Chargen geben ein Schattenspiel. Mit der Konzentration auf die Brüche im eigenen Umfeld wird das Spiel schließlich dichter und der Bockerer des Johannes Krisch konturierter. Der Tod von Kommunistenfreund Hermann (Martin Zauner) bringt das Verhältnis zum Nazisohn ins Wanken, die gallige Seite des Bockerer übernimmt, der weinselige Fleischhauer tritt in den Hintergrund.

Das tut dem Abend gut, der mit einer bösen Wendung und eindrücklicher Hitler-Persiflage von Martin Zauner endet. Die Schärfe und Doppelbödigkeit, die in seinem Auftritt liegen, hätte ruhig der gesamte Abend haben können. (Stephan Hilpold, 18.10.2021)