Ex-Kanzler Sebastian Kurz sitzt nun im Parlament. Der ÖVP-U-Ausschuss könnte dort im November eingesetzt werden und im Jänner mit Befragungen starten.

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Man könnte es die Miststrategie nennen. In Abwandlungen gibt es sie wohl schon sehr, sehr lange, benannt und perfektioniert wurde sie von den amerikanischen Rechten. Steve Bannon, der frühere Chefstratege von Ex-US-Präsident Donald Trump, bekannte einst: "The real opposition is the media. And the way to deal with them is to flood the zone with shit."

Will heißen: Man muss die Öffentlichkeit nur mit falschen oder halbwahren Fakten, also – so banal das klingt – mit schwer überprüfbarem, aber irgendwie glaubwürdigem Mist überladen. Dann können Medien ihrer ureigenen Aufgabe kaum nachkommen – nämlich alle Fakten zu checken, zu sortieren und einzuordnen. Übrig bleibt, dass fast niemand mehr weiß, was wahr ist. Ein bisschen Shit bleibt am Ende an allen kleben. Und das Vertrauen in Politik und Medien wird nach und nach zerstört.

Man fühlt sich auch in Österreich dieser Tage und Wochen immer wieder an den Satz von Trump-Mann Bannon erinnert.

Hanger spricht von "Scheinheiligkeit"

An diesem Wochenende rückte der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger in den sozialen Medien aus, um die "Scheinheiligkeit der österreichischen Medienlandschaft" zu kritisieren. Gegen die ÖVP, Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz sowie seine engsten Mitarbeiter wird derzeit bekanntlich wegen mutmaßlicher Inseratekorruption ermittelt. Hanger, der als der "Mann der ÖVP fürs Grobe" bezeichnet wird, will nun darstellen, dass doch die meisten Medien, Meinungsforscher und Politikanalysten unsauber arbeiten.

Fest steht, dass die ÖVP-Affäre Justiz und Medien noch lange beschäftigen wird.

Eine der größten Fragen ist derzeit, was in den zwei Tagen passierte, in denen Sabine B. in Polizeigewahrsam war. B. spielt in der Causa eine zentrale Rolle. Die Meinungsforscherin soll das Bindeglied zwischen Finanzministerium und dem Medienhaus Österreich gewesen sein. Sie soll sich mit dem Team von Kurz abgesprochen haben, um dann teils geschönte oder gefällige Umfragen in Österreich zu publizieren. Am Tag der Hausdurchsuchungen in ÖVP-Zentrale und Kanzleramt fand auch bei B. eine Razzia statt. Am Vortag hatte sie sämtliche relevante Chats gelöscht.

Der Tag vor der Hausdurchsuchung

Konkret verlief der 5. Oktober, der Tag vor den Hausdurchsuchungen, so: Um 11 Uhr gibt der ÖVP-Mann Hanger eine Pressekonferenz, in der er von "linken Zellen" in der Justiz spricht. Er stellt auch erneut eine womöglich geplante Hausdurchsuchung bei der ÖVP in den Raum, die aus seiner Sicht jedoch nur "politisch motiviert" sein könne, wenn sie denn stattfinde.

Am späten Abend desselben Tages beginnt die Meinungsforscherin B. im Internet danach zu suchen, wie man Spuren verwischt. Schon einige Tage zuvor wollte sie wissen, wie man von einem iPhone 6 den Onlinespeicher löscht. Nun versucht sie herauszufinden, wie aus dem verschlüsselten Messenger-Dienst Signal Anrufprotokolle entfernt werden können.

Fehlendes iPhone 6

Zwischen 22.37 und 22.41 Uhr leert sie die Chatverläufe mit sämtlichen anderen Beschuldigten in der Causa, mit denen sie in Kontakt stand. Wenige Stunden später werden ihr Haus durchsucht und ihre Geräte beschlagnahmt – außer ein iPhone 6, von dem die Ermittler nur eine Verpackung, nicht aber das Handy selbst finden.

Vergangenen Dienstag wird B. überraschend festgenommen, zwei Tage später wieder freigelassen. Was in der Zwischenzeit passiert ist, sorgt nun für wilde Spekulationen in alle Richtungen: Sie habe ausgepackt, erzählen die einen. Sie wolle gar nichts sagen, die anderen. Ihre Anwältin war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Was die Ermittler jedenfalls bereits feststellen konnten: Mit Johannes Frischmann, dem inzwischen beurlaubten Pressesprecher von Sebastian Kurz, hatte B. bis zuletzt immer wieder Kontakt.

Start U-Ausschuss im Jänner?

Details zu all diesen Vorgängen sollen bald auch durch einen parlamentarischen U-Ausschuss ans Licht kommen, auf den sich die Opposition geeinigt hat. Im Novemberplenum könne er eingesetzt werden, sagte der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker am Sonntag im ORF. Dementsprechend würden im Jänner Zeugenbefragungen starten. Im Juni oder Juli könnten die Befragungen dann schon zu Ende sein, sagte der SPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, in der "ZiB 2" am Sonntag. Voraussetzung sei, dass die ÖVP voll kooperiere. "Sonst kann es länger dauern, dann müssen wir zum Verfassungsgerichtshof gehen," sagte Krainer.

ORF

FPÖ-Abgeordneter Hafenecker zeigt sich skeptisch, er fürchtet, die ÖVP werde alles daransetzen, den Untersuchungsgegenstand zu kippen. Der Ausschuss soll sich mit "ÖVP-Korruption" beschäftigen – und so oder so ähnlich auch benannt werden. In der ÖVP ist man seither im Angriffsmodus: Korrupt seien nämlich die anderen. (Katharina Mittelstaedt, stro, 17.10.2021)