Grimes (Eric Cutler) im Bett, bedrängt von seinen spießigen Mitbürger.

Foto: Monika Rittershaus

Es gab Inszenierungen, bei denen Peter Grimes’ Fischerdörfchen naturalistisches Bildnis wurde – samt der lieblichen und dann stürmisch aufbrausenden See. Regisseur Christof Loy jedoch verzichtet im Theater an der Wien auf solch Prachteffekte. Bei der Wiederaufnahme der Produktion von 2015 (als Folge eines Publikumsvotings) ist nebst Stühlen nur ein an der Rampe postiertes Bett zu sehen, das fast in den Orchestergraben kippt (Bühne: Johannes Leiacker). Ansonsten düstere Leere.

Loy öffnet mit seinem Minimalismus allerdings nicht nur Räume für die Analyse der Charaktere und Beziehungen. Er gibt auch Brittens instrumentalem Zauber zusätzlichen Raum, der zwischen idyllischer Naturschilderung und nervenzerfetzenden Konfliktmomenten pendelt. Aggression geht hier szenisch von einer misstrauischen Vorurteilsgesellschaft aus, der es ein selbstquälerisch-störrischer Peter Grimes zeigen will.

Mord und Missbrauch

Auf rätselhafte Art und Weise hat er zwei Gehilfen verloren, was giftiges Getuschel über Mord und Missbrauch nach sich zieht. Weggehen will Grimes allerdings nicht, er ist ehrgeizig. Mithilfe eines dritten Jungen will er seinen Fischertraum von Wohlstand verwirklichen und hernach die ihm zugetane Lehrerin Ellen heiraten (sensibel in der Darstellung, vokal etwas dünn im Klang Agneta Eichenholz).

Der profunde Schönberg-Chor wird Grimes aber zu einer immer unerträglicher werdenden Belastung, zur erdrückenden Masse. Der verzweifelte Fischer hat – wie sein Freund Balstrode (Andrew Foster-Williams) – bei Loy aber auch mit der Unmöglichkeit zu kämpfen, sich zu seinem Schwulsein bekennen zu können. Gehilfe John (Gieorgij Puchalski) wird denn auch im zärtlichen Tanz mit Balstrode gezeigt wie auch in stilisierter inniger Verbundenheit mit dem zusehends aggressiver werdenden Grimes (Choreografie: Thomas Wilhelm).

Aufgestautes Begehren

Es ist die Wut der Ausweglosigkeit und wohl des aufgestauten Begehrens, die Grimes zu dominieren beginnt. Eric Cutler (vokal sehr klar im Poetischen wie im Dramatischen) zeigt Grimes als emotional schwankende Person, die zu umfassender Zärtlichkeit fähig wäre, würde sie nicht ein letztes Mal in See stechen. Dem guten Gesamtensemble (etwa Lukas Jakobski, Rupert Charlesworth, Miriam Kutrowatz, Valentina Petraeva) war das formidable RSO-Wien unter Thomas Guggeis ein inspirierender Partner. Da war stechende Direktheit der Pointen bei gleichzeitig malerischer Naturbeschreibung. Tolle Sache. (Ljubiša Tošic, 18.10.2021)