Die "Tagespresse" beendet die "Hanger Games" und zieht die Klage gegen den ÖVP-Politiker zurück.

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Wien – Das Satireportal "Die Tagespresse" zieht die Klage gegen ÖVP-Politiker Andreas Hanger zurück. "Vor der Justiz liegt eine Mammutaufgabe: den türkisen Sumpf trockenlegen. Dafür braucht sie alle ihr zur Verfügung stehenden Kapazitäten", begründet "Die Tagespresse" ihren Rückzieher: "Wenn jemand am Boden liegt, tritt man nicht nach. Seit Gründung der 'Tagespresse' fühlten wir uns einem Grundsatz verpflichtet: hart gegen die da oben, aber nachsichtig gegenüber jenen, die wehrlos am Boden liegen."

Politiker als Satiriker

"Die Tagespresse" hatte – wie berichtet – Andreas Hanger vor dem Handelsgericht Wien wegen unlauteren Wettbewerbs geklagt. Der ÖVP-Politiker spiele mit falschen Karten, da er in Wirklichkeit ein Satiriker sei, der der "Tagespresse" zunehmend das Wasser abgrabe, da er sich nicht als Satiriker zu erkennen gebe. "Die Tagespresse" wollte, dass sich Hanger mittels Sticker als solcher deklarieren muss, blitzte aber bereits mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung ab. Der Grund: "Die Tagespresse" und Hanger würden in keinem Wettbewerbsverhältnis stehen, urteilte das Handelsgericht. Die Klage wurde von der Wiener Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner eingebracht – und jetzt zurückgezogen. Das bestätigte das Handelsgericht Wien dem STANDARD.

"Das schwächste Glied der türkisen Opferkette"

"Die Tagespresse" listet auf ihrer Seite die Politikerinnen und Politiker auf, gegen die derzeit ermittelt werde, sowie Personen aus dem türkisen Umfeld, die im Visier der Justiz stehen. Insgesamt seien das 16 Beschuldigte. Allen voran Sebastian Kurz, der als "Altkanzler, Elder Statesman und Opfer" bezeichnet wird. "Braucht es hier noch Punkt 17? Eine einfache Klage gegen den einfachen Andreas Hanger, das schwächste Glied der türkisen Opferkette? Das Bauernopfer unter all den Bauern? Wir denken nicht", so "Die Tagespresse": "Aus diesem Grund war es uns ein Anliegen, die Justiz durch das Auflassen unserer Klage gegenüber Andreas Hanger zu entlasten." Die Gerichte müssten sich jetzt mit der von der ÖVP geforderten, lückenlosen Aufklärung der Vorwürfe allumfassend beschäftigen können.

Direkter Draht zum Ministerium

Dementieren möchte "Die Tagespresse" "Gerüchte", wonach der Rückzug der Klage gegen Hanger aus finanziellen Gründen erfolge: "Als österreichisches Medium können wir jederzeit, direkt, per kurzem Dienstweg, mit nur zwei drei SMS und wenigen Emojis auf die Steuertöpfe zugreifen. Geld spielt bei uns wirklich keine Rolle. Erst letzte Woche wieder erhielten wir vom Finanzministerium 380.000 Euro für einen kritischen Artikel über Pamela Rendi-Wagner. Danke dafür! Bitte im nächsten Artikel über Betrugsbekämpfung abrechnen."

Es gehe rein um die "Wahrung unserer journalistischen Integrität", denn: "Wir sind die 'Tagespresse' und nicht die 'Presse'." Wie berichtet, käme das Durchexerzieren der Klage bis zu einem möglichen Prozess dem Satireportal wohl teuer zu stehen. Die Aussichten auf Erfolg sind laut Juristen gering und "Die Tagespresse" muss ohnehin neben den Gerichtskosten auch die Anwaltskosten Hangers übernehmen.

Geld, das dem Steuerzahler gehöre

Der Hintergrund für die Klage ist, dass "Die Tagespresse" in den vergangenen Monaten über ein Werbenetzwerk 712,58 Euro von Regierungsstellen eingenommen habe. Das sei Geld, das dem Steuerzahler gehöre und via Gericht an den Staat retourniert werden solle, lautete die Begründung für die Klage. "Fakt ist: 712,58 Euro aus Regierungsinseraten wurden bereits mit der Ablehnung des Antrags auf einstweilige Verfügung retourniert, womit die ursprüngliche Intention unserer Klage bereits erfüllt wurde – das Geld, das uns eigentlich gnädig stimmen und gefügig machen sollte, liegt wieder beim Steuerzahler, dem rechtmäßigen Eigentümer."

Und ein letztes Angebot gibt es noch, schreibt die "Tagespresse": "Andreas Hanger wollen wir der Fairness halber anbieten, die Angelegenheit in der Sprache zu klären, die er am besten versteht. Heute Mitternacht, Treffpunkt Praterstern – keine Messer, keine Igelstacheln, Zwicken und Beißen okay." (Oliver Mark, 18.10.2021)