Dier Kernbotschaft in der Corona-Pandemie ließ die Ausgaben der Regierung für Inserate stark ansteigen.

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Wien – Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell will einen Neustart der Medienförderung: Maximal zehn Millionen Euro sollen öffentliche Stellen künftig ausgeben dürfen, fordert er, und: Die Journalismusförderung müsse höher sein als das Budget für Regierungsschaltungen. Was sagen die Parteien? DER STANDARD fragte ihre Mediensprecher. Im Jahr 2020 entfielen 95 Prozent der Regierungswerbung laut einer Studie des Medienhauses Wien auf ÖVP-geführten Ministerien. 57 Prozent der Regierungsausgaben für Werbung in Tageszeitungen 2020 gingen an die drei Boulevardblätter "Kronen Zeitung", "Heute" und "Österreich".

Türkise berufen sich auf Regierungsübereinkommen

Der türkise Mediensprecher Axel Melchior beruft sich auf das türkis-grüne Regierungsprogramm aus dem Jahr 2020. Wie dort "vorgesehen, soll es eine Überprüfung der Kriterien der Inseratenvergabe der öffentlichen Verwaltung und staatsnaher Unternehmen geben", sagt Melchior.

Mit der Botschaft bleiben die Türkisen zumindest nach außen hin zurückhaltend. Das erwähnte Regierungsprogramm enthält weitaus mehr als den von Melchior angeführten Punkt. Dort wird darüber hinaus die Überprüfung sämtlicher medienrelevanten Gesetze angekündigt, "mit dem Ziel einer Harmonisierung und Vereinfachung". Ebenso Teil der Vereinbarung zwischen Türkis und Grün ist eine Überprüfung der derzeitigen Vergabe- und Förderkriterien sowie des Medientransparenzgesetzes insgesamt.

Transparenz für Bund und Länder, fordern Grüne

Auf das Regierungsübereinkommen beruft sich auch die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger: Es brauche "Qualitätskriterien und klare Regeln für Medienkooperationen, diese erfolgen bislang völlig intransparent". Bei den Medienkooperationen sei darüber hinaus "eine Wirkungsanalyse notwendig, um die Frage zu klären: Wen wollen wir erreichen, und wie tun wir das? Und wie wirkt sich das auf die Verteilung aus?"

Zentral sei zudem, "dass eine neue Gesamtregelung des Förder- und Kooperationsregimes nicht nur für den Bund, sondern auch für alle Länder gelten muss und alle Medien, egal auf welchem Weg sie distribuiert werden". Gespräche dazu gibt es laut Blimlinger "laufend, aktuell intensiviert auf Fachebene. Vonseiten der ÖVP sieht die Mediensprecherin Bereitschaft zur Umsetzung.

SPÖ will Konvent zur Medienfreiheit abhalten

Die SPÖ hat bei der Sondersitzung des Nationalrats vor einer Woche mit den Stimmen der Opposition einen Antrag für ein Medienfreiheits- und Transparenzpaket gegen Inseratenkorruption und Message-Control eingebracht.

Die Forderungen laut Mediensprecher Jörg Leichtfried: "Transparente, gesetzliche Vorgaben und eine wirksame Kontrolle bei der Inseratenvergabe, Neuorientierung der Medienförderung, die plattformunabhängig auf Medienfreiheit und Medienvielfalt ausgerichtet ist, eine Reform des Medienkooperations- und -förderungstransparenzgesetzes, rascher Beschluss des Informationsfreiheitsgesetzes." Außerdem will die SPÖ einen Konvent zur Medienfreiheiteinberufen, um die "demokratische Kraft der Medien zu stärken und Medienvielfalt und Unabhängigkeit zu garantieren".

FPÖ gegen Willkür und Missbrauch

Eine umfassende Reform der Inseratenvergabe, welche Willkür und Missbrauch, wie sie vom türkisen System Kurz betrieben wurde, zukünftig verhindert", fordert FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker. "Es braucht daher einerseits einen Kostendeckel, der Regierungsinserate auf die Höhe der staatlichen Presseförderung beschränkt, und gleichzeitig ein Höchstmaß an Transparenz durch die Schaffung klarer gesetzlicher Grundlagen bei der Vergabe."

Darüber hinaus hält Hafenecker "einen jährlichen Evaluierungsbericht" für notwendig, in dem die Bundesregierung dem Nationalrat ihre Informationspolitik offenlege. Ein entsprechender Antrag der FPÖ sei in der Plenarsitzung letzte Woche "leider abgelehnt" worden. Hafenecker lässt das "am tatsächlichen Reformwillen der anderen Parteien stark zweifeln".

Neos wollen Inserate reduzieren und Medienförderung deutlich erhöhen

Ein Umdenken "auf beiden Seiten" erhofft sich Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter als Lehre aus der Inseratenaffäre. Die von ihr geforderten Gesetzesänderungen sollten alle einem Ziel folgen, nämlich "unabhängigen Qualitätsjournalismus fördern und Inseratenkorruption einen Riegel vorschieben". Eine neue Medienförderung müsse deutlich erhöhtund die Budgets für Inserate der öffentlichen Hand zugleich drastisch reduziert werden.

Unzufrieden ist Brandstötter auch mit der Medientransparenzdatenbank, bei der öffentliche Institutionen derzeit vierteljährlich ihre Werbeschaltungen melden. Sie müsse endlich so gestaltet sein, "dass transparent, dauerhaft und für jeden Bürger nachvollziehbar alle Inserate von staatlichen Stellen eingesehen werden können". (Astrid Ebenführer, Oliver Mark, Doris Priesching, 19.10.2021)