Ein Emissionshandel soll den Klimaschädling Nummer eins, der Verkehr, in der EU niederringen.

Foto: APA / Daniel Raunig

Wien – Viel ist im Zuge von CO2-Bepreisung und ökosozialer Steuerreform vom Emissionshandel die Rede, dem auch die klimaschutztechnischen Sorgenkinder Österreichs, Verkehr und Gebäude (Hausbrand), unterworfen werden sollen. Doch wie kann so ein Emissionshandelssystem für fossile Brennstoffe in der Praxis aussehen?

Anhaltspunkte, wenngleich nur sehr kursorische, geben die noch nicht in Budgetgesetze gegossenen Steuerreform-Papiere. Nach deutschem Vorbild sollen die Inverkehrbringer von Öl, Gas und Treibstoff für die Abführung des CO2-Aufschlags auf Benzin, Diesel, Erdgas oder Heizöl an den Fiskus sorgen, nicht jeder einzelne Haushalt oder gar der Endverbraucher.

Jede Tonne kostet

Das Grundprinzip dieses zu schaffenden nationalen Zertifikatehandels ist ähnlich dem des Emission Trading Systems (ETS), also dem Handelssystem, dem Energieerzeuger und energieintensive Industrie (z. B. Stahl) vor gut 15 Jahren unterworfen wurden: Jeder, der Treibhausgase in die Luft bläst, zahlt pro Tonne CO2 einen bestimmten Preis, indem er Verschmutzungsrechte, sogenannte Emissionszertifikate, kauft.

Der Preis entsteht durch Angebot und Nachfrage am Markt. Da die Zahl der Zertifikate begrenzt ist und laufend reduziert wird (der CO2-Ausstoß soll ja reduziert werden), steigt der Preis pro Tonne – und mit ihm der finanzielle Anreiz, Produktionsanlagen oder Hochöfen so zu modernisieren, dass möglichst wenig THG herauskommen. Letzteres erhöht also den Druck, in CO2-Vermeidung und Klimaschutzmaßnahmen zu investieren.

Verbraucher zahlen indirekt

Diese Logik gilt auch für das neue Handelssystem für den Verkehrs- und Gebäudesektor: Die Inverkehrbringer zahlen für jene Emissionen, die beim Verbrennen von Sprit, Öl, Gas, Kohle anfallen. Hier kommt der Fixpreis von 30 Euro ins Spiel, auf den sich die türkis-grüne Koalition vor zehn Tagen verständigt hat. Dieser Einstiegspreis soll schrittweise steigen, im Jahr 2025 bei 55 Euro liegen – um den Akteuren Planungssicherheit zu geben, wie betont wird.

Festpreis bis 2026

Deutschland hat in seinem Fahrplan fixiert, dass die Festpreise für CO2 ab 2026 in einen Preiskorridor zwischen 55 und 65 Euro übergehen. In dieser Spanne bildet sich dann der Preis je nach Marktnachfrage.

Wie genau das österreichische Handelssystem für Verkehrs- und Gebäudeemissionen aussehen wird, war am Montag nicht in Erfahrung zu bringen. Fest steht, dass für die Umsetzung eine Stelle eingerichtet wird. In Deutschland ist das die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt.

Turbo marginal

Wie viel Anreiz die vorerst marginalen CO2-Aufschläge auf Sprit und Heizmaterial beim angestrebten Heizkesseltausch und der nicht minder kostenintensiven Gebäudedämmung ab Juli 2022 tatsächlich darstellen, bleibt abzuwarten. Dank Klimabonus und indirekt auch des teilweise deutlich billigeren Klimatickets werden insbesondere ländliche Haushalte – zumindest in der Anfangsphase – stärker ent- als belastet. Die staatlichen Förderungen für Umrüstung – allein für Photovoltaik heuer 132 Millionen Euro – sind in beträchtlicher Höhe vorhanden.

Wiewohl die Preisentwicklung von Emissionszertifikaten schwer vorauszusagen ist: Billiger wird es wohl nicht. Als Orientierungshilfe dürfen die von Instituten wie dem auf Klimaschutz spezialisierten Thinktank ERCST in Brüssel oder dem auf Rohstoffe fokussierten Bloomberg-NEF errechneten Preisprognosen gelten. Sie gehen bis 2030 von 80 bis 120 Euro pro Tonne im EU-Zertifikatehandel für Energie/Industrie (siehe Grafik) aus, der Erlös fließt den Mitgliedsstaaten zu.

Schleichende Kürzung

Die große Herausforderung kommt ab 2026, da sollen die nationalen Systeme für Verkehr und Gebäude in einem EU-weiten Zertifikatehandel zusammengeführt werden – anfangs mit mehr Zertifikaten, um Liquidität in die Versteigerungen zu bringen, ab 2028 bis 2030 dann schrittweise weniger. Ein Teil der Erlöse fließt in den Innovationsfonds, der Rest an die Mitgliedsstaaten. Österreichs Anteil beträgt gemäß den Emissionen in den Jahren 2016 bis 2018 rund 2,5 Prozent. Laut Budgetdienst, des Nationalrates, der auf Berechnungen des Umweltbundesamtes verweist, soll Österreich im neuen Emissionshandelssystem in den Jahren 2026 bis 2030 die Erlöse aus der Versteigerung von etwa hundert Millionen Zertifikaten erhalten.

Teure Zukäufe

Was das neue System für den Staatshaushalt bedeutet? Schwer zu sagen. Denn schon die Auswirkungen des EU-ETS sind kaum ablesbar. Wohl gibt es mehr oder weniger zuverlässige Schätzungen, wie viel der Emissionshandel einspielen wird (siehe Grafik). Die Abschätzung der drohenden Strafzahlungen, die auf Österreich zurollen, weil die Klimaziele laufend verfehlt werden, hingegen ist deutlich schwieriger. Auch deshalb, weil der Preis für ETS-Zertifikate schwankt bzw. tendenziell steigen dürfte. Das macht die zum Ausgleich der Überschreitung des Minderungspfades notwendigen Zukäufe von Zertifikaten von anderen Mitgliedsstaaten teuer.

Im Szenario mit den bestehenden Klimaschutzmaßnahmen erhöht sich der Wert auf 60,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das würde bei einem Ankaufspreis von 50 Euro je Tonne CO2 3,02 Milliarden Euro ausmachen, bei einem Zertifikatspreis von 100 Euro wäre es das Doppelte. (Luise Ungerboeck, 19.10.2021)