Weil die Belästigungsvorwürfe gegen Wolfgang Fellner als Teil einer "Rufmordkampagne" der "Krone" und Dichand persönlich dargestellt werden, klagt der "Krone"-Chef die Fellner-Medien.

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Am vergangenen Dienstag hat eine weitere Ex-Mitarbeiterin von Medienmanager Wolfgang Fellner Vorwürfe der sexuellen Belästigung vor Gericht bezeugt. Die Radiomoderatorin Angela Alexa gab bereits der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" Anfang Juni ein ausführliches Interview. Fellner habe sie bei einer Weihnachtsfeier 2017 begrapscht und von ihr bei einem Termin im Büro 2015 verlangt, ihre Haare zu öffnen. Fellner bestreitet die Vorwürfe als "frei erfunden". In ihrer Zeugenaussage in einem medienrechtlichen Verfahren, in dem "Krone"-Herausgeber und -Chefredakteur Christoph Dichand gegen die Mediengruppe Österreich wegen der Berichterstattung über die Belästigungscausa klagt, konkretisierte Alexa ihre bereits bekannten Aussagen. Sie ist somit die fünfte Frau, deren Vorwürfe gegen Fellner behördlich dokumentiert sind. In allen Fällen stellt Fellner eine Belästigung in Abrede, in einem der Fälle sagte eine Frau selbst, der "Poklapser" Fellners sei "spaßhalber" passiert.

Fellner sei ein Mann, der sich "emotional nicht im Griff hat", sagte Alexa am Dienstag. Er habe sie mehrmals angeschrien und beschimpft. Bei seinen "Wutanfällen" in der Redaktion sei auch schon mal Geschirr durch den Raum geflogen. So habe Fellner sie 2015 während einer ihrer ersten Moderationen für die "Morningshow" des damaligen Radiosenders Ö24 auf ihrem privaten Handy angerufen und sie beschimpft. Fellner sei offensichtlich nicht damit einverstanden gewesen, wie sie die Sendung moderierte – das sei aber mit ihrem ehemaligen Programmdirektor abgesprochen gewesen, sagte Alexa. Fellner habe ihr vorgehalten, dass er sie auf die Titelseite gebracht habe: "Du bist auf der Titelseite, du blöde Kuh!" Später soll er brüllend ins Studio gekommen sein und mit der Faust gegen die Wand geschlagen haben. "Woher er meine private Nummer hatte, wusste ich nicht", sagte Alexa.

Fellner bezeichnet diese Schilderungen auf Nachfrage als "definitiv falsch" und "haltlos". Er sei in dem Zeitraum nicht für das Radio zuständig gewesen und sei nie im Studio bei Alexa gewesen und habe sie nie am Handy angerufen. Er habe Alexa nie beschimpft. Fellner kündigte an, im Verfahren Zeugen zu benennen, die Alexas Darstellung widersprechen würden.

Ratschläge einer Mitarbeiterin

Alexa sagte am Dienstag, dass solche oder ähnliche Vorfälle öfters vorgekommen sein sollen – auch bei männlichen Kollegen. Wenn Fellner eine längere Autofahrt vor sich hatte, habe man mit derartigen Anrufen rechnen müssen – in dieser Zeit habe er Radio gehört, sagte Alexa.

Alexa berichtete auch über weitere Details jenes Treffens zwischen ihr und Fellner in seinem Büro am Anfang ihrer Karriere, über das "Die Zeit" bereits im Juni geschrieben hatte. Bekannte sollen ihr vor dem Treffen geraten haben, nicht mit Jeans und Sneakers zum Termin zu erscheinen. Alexa gab vor Gericht an, verunsichert gewesen zu sein. Sie habe sich für Rock und Schuhe mit höheren Absätzen entschieden. Als sie zum Termin wollte, habe sie eine Mitarbeiterin vor Fellners Büro gefragt, ob das Outfit ihr Ernst sei. Die Mitarbeiterin habe ihr dann quasi eine Anleitung für das Treffen gegeben. Sie soll sich auf kein Abendessen einlassen und vor Fellner so viel wie möglich über ihren Freund sprechen, so ihr Ratschlag. Die erwähnte Ex-Mitarbeiterin wollte die Schilderungen Alexas auf STANDARD-Nachfrage nicht kommentieren.

Fellner bestreitet

Während des Treffens habe Fellner Alexas Aussehen kommentiert und sie gefragt, ob sie eine Morgenshow moderieren wolle. Danach habe er sie gefragt, ob sie ihr Haar öffnen könne. Sie habe nicht verstanden, warum er sie das fragte, da Radio kein visuelles Medium sei. Er habe sie daraufhin gemustert und ihre Haare kommentiert. Fellner bestreitet diese Darstellung.

Fellner schloss auf Nachfrage nicht aus, dass er in seiner Funktion als Marketingleiter Alexa in Vorbereitung auf ein Fotoshooting gebeten habe, ihre Haare zu öffnen, um zu sehen, welche Optik besser sei. Daraus eine sexuelle Belästigung abzuleiten sei "absurd".

Die Rolle der "Krone"

In ihrer Entscheidung, die Vorwürfe öffentlich zu machen, habe sie niemand beeinflusst, gab Alexa vor Gericht bekannt. Sie arbeitet mittlerweile bei Radio Arabella, ein Unternehmen, das nichts mit der "Krone" zu tun hat. Alexa wurde danach gefragt, weil es im Medienprozess um die Frage geht, ob die "Kronen Zeitung" und ihr Herausgeber, Chefredakteur und Miteigentümer Christoph Dichand, hinter den Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen den unmittelbaren Konkurrenten Fellner und seine Mediengruppe stehen. In mehreren Artikeln, die in "Österreich" und auf oe24.at veröffentlicht wurden, entstünde dieser Eindruck, argumentiert Dichand in seiner Klage wegen übler Nachrede.

In den inkriminierten Artikeln ist von einem "Krieg" des "Krone"-Imperiums zu lesen. Fellners Anwälte argumentieren, dass es bei den Vorwürfen der sexuellen Belästigung "tatsächlich um die Spitzenstellung am österreichischen Medienmarkt" gehe. Der "Krone" würden die Leser "davonlaufen" – und "welch Zufall", hieß es einem der inkriminierten Artikel, der nicht mehr online ist, vertrete "Krone"-Anwalt Michael Rami zwei Frauen, die jetzt für krone.tv arbeiten. Gemeint sind damit Raphaela Scharf und Katia Wagner.

Tatsächlich arbeitet Scharf, die durch ihre Klage gegen ihren Ex-Arbeitgeber die Belästigungscausa ins Rollen gebracht hat, als selbstständige Unternehmerin für die "Krone". Geklagt hat sie aber 2019, unmittelbar nachdem Fellner sie fristlos entlassen hatte und sie noch nicht einmal gewusst habe, dass sie jemals "einen Fuß in die 'Krone' setzen" werde, sagte sie vor Gericht am Dienstag. Sie wirft Fellner vor, von ihm sexuell belästigt und begrapscht worden zu sein. Auch diese Vorwürfe bestreitet Fellner und führt wegen des mutmaßlichen Grapschers ein Unterlassungsverfahren gegen Scharf.

Scharf und Wagner dementieren Beeinflussung

Anwalt Rami habe erst in diesem Jahr ihre Vertretung übernommen. Die Verfahren vor dem Wiener Arbeits- und Sozialgericht würden von Scharfs Rechtsschutzversicherung bezahlt werden. In den zahlreichen medienrechtlichen Verfahren, die sie gegen Fellners Medien wegen deren Berichterstattung über die laufenden Verfahren führe, habe ihr die "Krone" die Übernahme des Prozessrisikos zugesagt, gab Scharf zu Protokoll. Ob Dichand selbst von dieser Unterstützung wisse, konnte sie nicht sagen, sehr wohl aber, dass sie nie beeinflusst worden sei.

Ähnlich schilderte das Wagner, eine weitere Ex-Mitarbeiterin Fellners, die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihren Ex-Chef erhebt. In ihren medienrechtlichen Verfahren gegen die Mediengruppe Österreich wegen der Ibiza-Berichterstattung über sie habe ihr die "Krone" Unterstützung zugesagt. Wagner arbeitet mittlerweile auch für krone.tv. Ihr jetziger Arbeitgeber unterstütze sie, beeinflusst sei sie aber "definitiv" nie geworden, sagte sie. Weil Fellner ihre Vorwürfe als "frei erfunden" bezeichnete, klagt sie ihn persönlich. Auch für diese Verfahren übernehme die "Krone" das Prozessrisiko.

"Krone" sieht Selbstverständlichkeit

Die Krone Multimedia Gesellschaft, Wagners und Scharfs unmittelbarer Auftrag- beziehungsweise Arbeitgeber, sagte auf Nachfrage, dass es für sie "selbstverständlich" sei, Mitarbeiterinnen bei medienrechtlichen Verfahren einen Anwalt zur Verfügung zu stellen. Das gelte für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit den arbeitsrechtlichen Verfahren der beiden habe man aber nichts zu tun.

Fellner sieht sich auf Nachfrage durch die Zeugenaussagen in seiner Interpretation gestärkt: Dass die "Krone" Rechtskosten übernehme, gelte ab sofort offenbar auch für Alexa. Damit sei klar ersichtlich, dass "all diese Prozesse" ein "Konkurrenzmanöver" der "Krone" seien.

Das laufende Verfahren am Dienstag war eines von neun Verfahren, die "Krone" und Dichand wegen der Berichterstattung über die Belästigungscausa am Handelsgericht und am Straflandesgericht Wien führen, DER STANDARD berichtete. Erst Mitte Oktober wurde ein Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Mediengruppe Österreich vom Handelsgericht Wien abgewiesen. Der Vorwurf des bloßen (versehentlichen) Verbreitens unrichtiger Nachrichten werde nicht als ehrkränkend oder kreditschädigend aufgefasst, so das Gericht. Weil am Dienstag Christoph Dichand urlaubsbedingt nicht zur Verhandlung erschien, wurde auf Ende November vertagt. (Laurin Lorenz, 21.10.2021)