Die französischen Grünen hatten in einer Urabstimmung die Wahl zwischen dem Pragmatiker Yannick Jadot (Bild) und der Ökofeministin Sandrine Rousseau.

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Vorbereitungen für den Wahlkampf. Gewählt wird im Frühjahr.

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Hinter der Kandidatenkür wogte der Richtungsstreit: Die französischen Grünen, die seit der Ära von Daniel Cohn-Bendit Europe-Ecologie – Les Verts (EELV) heißen, hatten in einer Urabstimmung die Wahl zwischen dem Pragmatiker Yannick Jadot und der Ökofeministin Sandrine Rousseau. Er präsentierte sich schlagzeilengerecht als "Kandidat der Ökologie und Präsident des Klimas". Sie attackierte das herrschende Patriarchat und fiel mit dem Spruch auf, sie ziehe einem Atomingenieur immer noch Hexen vor.

Jadot war der Favorit, der seit seiner Zeit als Greenpeace-Aktivist weiß, wie man sich vor Fernsehkameras geben muss: locker, lächelnd und leicht verständlich. Rousseau plädierte dagegen für einen Bruch mit dem System und theoretisierte über "décroissance" (Wachstumsrücknahme) und "déconstruction" (Abbau). In der Stichwahl diese Woche erhielt die Ökonomin immerhin fast 49 Prozent – ein Zeichen, dass EELV immer noch über einen starken ideologischen Flügel verfügt, für den Wahlchancen sekundär sind.

Schwaches Resultat

Jadot gewann mit 51,03 Prozent der 122.000 Stimmen. Ein Triumph ist das mitnichten. Das Resultat schwächt seine Stellung auf der gesamten Linken. Im April hatte er alle linken und grünen Formationen zu Gesprächen eingeladen, um sie zu einer Einheitskandidatur bei den Präsidentschaftswahl 2022 zu überreden. Nur vereint könnten die Favoriten Emmanuel Macron und Marine Le Pen gehindert werden, das Rennen unter sich auszumachen, erklärte Jadot – sicherlich zu Recht.

Schon bei den Gesprächen fehlte allerdings der wichtigste Mann der Linken, Jean-Luc Mélenchon. Der Anführer der "Insoumis" (Unbeugsamen) kommt auf 13 Umfragepunkte und will auf jeden Fall allein ins Gefecht gehen. Die Parti Socialiste dürfte Mitte Oktober die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (sieben Prozent) auf den Schild heben. Jadot werden sechs Prozent gutgeschrieben.

Der 54-jährige EELV-Kandidat könnte aber noch zulegen, wenn er in Sachen Klimabekämpfung weiter erfolgreich als "Original" gegen die "Kopien" zur Linken wie Rechten antritt. Medienversiert, gilt er auch als weniger pannenanfällig als etwa die deutsche grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Politisch liegt er in etwa auf der gleichen Linie. Im Bemühen, vom anfänglichen Vormarsch der deutschen Schwesterpartei zu profitieren, war Jadot auch zu Baerbocks Investitur nach Berlin gereist.

Gemeinsame Sache

Ihr enttäuschendes Resultat bremst auch Jadot. Der grüne Spitzenmann dürfte sich nun bemühen, mit Hidalgo gemeinsame Sache zu machen. Dass er bereit ist, notfalls zurückzustehen, hatte Jadot bei den letzten Präsidentschaftswahlen bewiesen, als er zugunsten des Sozialisten Benoît Hamon auf eine eigene Kandidatur verzichtete. Das legitimiert ihn, Hidalgo zum Verzicht zu veranlassen, falls sich sein Ökodiskurs auf seine Umfragewerte auswirken sollte. Die Pariser Bürgermeisterin gilt indessen als ebenso eigensinnig wie Mélenchon.

Jadot, der für eine "offene, mehrheitsfähige und fröhliche" Ökologie wirbt, muss sich deshalb eher auf Angriffe von links einstellen. Die "unbeugsame" Abgeordnete Danièle Obono rief die grünen Wähler der unterlegenen Ökofeministin Rousseau auf, sich nicht Jadot zuzuwenden, sondern Mélenchon. Das war wohl nur der Auftakt zur fröhlichen Selbstzerfleischung der französischen Rot-Grünen. Dem Vorstoß in die Stichwahl nähern sie sich auf diese Weise nicht einmal entfernt. (Stefan Brändle aus Paris, 19.10.2021)